Название: Die Damaszener-Rose
Автор: Johann Widmer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752991284
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Auf seinem Morgenspaziergang schaute Sayd auch noch rasch beim Tuchhändler herein, nur so zum Schauen und zum beiderseitigen Zeitvertreib, denn Geld zum Kaufen war natürlich keines da.
Der Tuchhändler, ein furchtbar mürrischer Alter, der für seine beleidigende Unfreundlichkeit eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte, schien vor Nettigkeit fast hinzuschmelzen als Sayd seinen Laden betrat und schwänzelte und scharwenzelte um ihn herum, zeigte ihm die neuesten und teuersten Stoffe, soeben hereingekommene feinste Baumwollstoffe, solide aber leicht zu tragen und für die Herstellung einer Djellaba geeignet.
Sayd war erstaunt über des Alten Freundlichkeit und war sehr auf der Hut, denn wenn dir die Hyäne die Hände leckt, so wird sie dich im nächsten Augenblick beissen.
Aber das Händelecken ging weiter und fand schliesslich seinen Höhepunkt, als der Alte ihm von den schönsten und teuersten Stoffen ungefragt ein paar Bahnen abschnitt und dann sagte, er werde sie eigenhändig zum Schneider Mahmoud tragen, das sei übrigens ein entfernter Cousin von ihm und der werde für den lieben Sayd die Djellaba nähen und es würde ihnen zu grosser Ehre gereichen und wäre ein unbeschreibliches Vergnügen, wenn Sayd die edle Güte hätte dieses demütig dargebrachte kleine, bescheidene Geschenklein anzunehmen.
Wieder auf der Strasse, musste Sayd erst mal tief durchatmen. Was war geschehen? Träumte er?
Oder war der Alte übergeschnappt?
In der Strasse der Sattler und der Schuster traf er auf den Schuhverkäufer, der ihn am Vortag auf dem Markt so jämmerlich blossgestellt hatte und erwartete, dass dieser elende Pechfresser schleunigst in eine Seitengasse verschwinden werde, sobald er ihn erblicke.
Weit gefehlt.
«Mein lieber, lieber Freund und Bruder Sayd! Welch ein grosses Glück mir doch der heutige Tag mit dieser unerwarteten Begegnung beschert. Komm rasch in meine armselige Werkstatt, ich möchte dir die neusten Schuhe zeigen, die ich nach ägyptischer Mode angefertigt habe. Es ist da ein Paar Prachtschuhe entstanden, das, wie mir scheint, genau an deine Füsse passen dürfte, angegossen und passend, wie eine zweite Haut. Schuhe aus allerfeinstem Ziegenleder aus den Bergen des Maghreb, mit äusserst weichen und geschmeidigen Sohlen, auf denen deine zarten Füsse sanft wie auf einem seidenen Teppich gehen werden.»
Zur Zeit des Mittagsgebetes, wenn die Kaufleute und die Handwerker ihre Läden schliessen, war Sayd total neu eingekleidet von den modischen Schuhen bis hinauf zu seinem roten Fez und vor seiner Wohnung warteten viele Ladendiener, die ihm Teppiche, Möbel, Esswaren, Süssigkeiten, Silbergeschirr, Kleider und was weiss ich was alles bringen mussten. Mit vornehmen Gesten wies er die Lastenträger wortlos an, wo und wie sie die verschiedenen Dinge hinzustellen hatten. Dann entliess er sie alle mit einem müden Handzeichen und schloss die Türe hinter sich.
Was zum Scheitan, das ist der Teufel, was zum Scheitan ist da los? fragte er sich kopfschüttelnd. Was ist bloss in all die Leute gefahren? Sind die alle verrückt geworden? Epidemischer Alterswahnsinn? Oder ist da irgend ein Geheimnis, von dem ich nichts weiss?
Oder ist es am Ende die Wirkung des Ringes?
Nun, so blöd werden die Leute doch nicht sein und auf Grund so eines Schmuckstückes, das jeder Betteljunge finden kann, dass sie auf Grund dieses Ringes beginnen derartige Geschenke zu machen.
Im Grunde genommen, fand Sayd, dass es zwar absolut seine Richtigkeit habe, wenn man endlich sein meisterhaftes Nichtstun zu honorieren beginne, denn es wäre höchst unangebracht gewesen, wenn er, der König der Faulenzer, hätte arbeiten müssen und genau diese schreckliche Gefahr hatte noch vor wenigen Stunden bestanden.
Aber man soll das Glück annehmen, wenn es sich einem zuwendet, so wie man auch das Gegenteil ohne Klage zu ertragen hat, denn Allah weiss allein, wozu es gut ist.
Am späteren Nachmittag machte ihm ein vornehmer Scheik seine Aufwartung und hatte ihm, als kleines und absolut unbedeutendes Mitbringsel, ein edles Araberpferd gebracht. Man sprach von Pferden, von der Dienerschaft, die nichts mehr taugte, von den Fellachen, die mehr fressen, als sie produzieren, vom absterbenden Salzhandel und von gewinnversprechenden Schafherden. Dann empfahl sich der Scheik und lud Sayd ein, ihn bei nächster Gelegenheit in seiner bescheidenen Behausung zu besuchen. Es würde ihm und seiner Familie zu grosser Ehre gereichen, wenn Sayd einen kleinen Schimmer seines Glanzes in sein Haus tragen würde und so und unter vielen Salam und Baraka, mit Bücklingen und anderen Demutsbezeugungen verabschiedete sich der vornehme Besucher.
Bevor der Mond sich einmal erneuert hatte, wurde der Bau von Sayds Palast begonnen. Am Rande des Palmenhains entstand das prachtvolle Gebäude, das alle seine Schätze beherbergen sollte und Platz schaffen für seine zahlreiche Dienerschaft, Ställe für seine Rennpferde, bequeme Gästezimmer, einen märchenhaften Blumengarten im Innenhof mit kunstvollen Wasserspielen, hinter dem Haus eine weite Parklandschaft mit seltenen Bäumen, schattigen Spazierwegen und kissenbelegten Ruheplätzchen und was man sonst noch alles an geheimen Wünschen haben kann.
Dass sich Geld und Wohlstand bekanntlich vermehren, wenn man nur mal genügend davon hat, ist eine alte Tatsache und dass dabei sich auch die Freunde mehren, die wenigen echten und die vielen falschen, das ist eine andere Wahrheit. Mit diesen Freunden genoss er gemeinsam seinen unermesslichen Reichtum, der sich von Tag zu Tag zu mehren schien. Da wurden die feinsten und erlesensten Speisen aufgetragen. Eisgekühlter Schorbet, wohlschmeckende Früchte aus dem Bled es Sudan, aus dem schwarzen Süden, herbduftender Mokka aus Arabien und leckerstes Zuckerzeug aus Ägypten wurden von dem auf weichen Teppichen lagernden Freundeskreis genossen. In der Mitte des Essraums war ein riesiges Becken voll duftendem Rosenwasser, eine Fülle der schönsten Blumen erfreute die Augen und mächtige Leuchter aus venezianischem Glas beleuchteten die heitere Tafelrunde. Auf einem Podium produzierten sich die Musikanten und die Bauchtänzerinnen erfreuten die Gäste aus allernächster Nähe.
Sayd schwamm auf den sanften Wellen höchster Glückseligkeit, fand die Welt endlich in Ordnung und war mit seinem Schicksal zufrieden. Er musste wahrhaftig ein Liebling Allahs sein, dass der ihn derart verwöhnte und er dachte schon mal dran, sich irgendwann in ferner Zukunft, zum Zeichen seiner Dankbarkeit, einmal auf eine Hadj, auf eine Pilgerreise zu begeben. Einer seiner Freunde, der sich spontan bereit erklärte mitzukommen, hatte noch die gute Idee, auf der Rückreise über Baghdad zu fahren und den Kalifen, Allah gebe ihm ein langes und glückliches Leben, im Vorbeiweg zu besuchen.
Nun, das Leben und das Glück des Beherrschers aller Gläubigen nahmen beide unerwartet ein abruptes Ende, als sich der Grosswesir des Zepters bemächtigte, den ehemaligen Herrn und Gebieter samt Anhang, zahlreicher Verwandtschaft und Freundeskreis den Krokodilen des Palastgrabens als Diät verordnete. Zudem hiess es, und das war höchstobrigkeitlicher Befehl, dass im ganzen Reiche alle Verwandten, Günstlinge und Parteigänger des ehemaligen und unrechtmässigen Kalifen, seine Seele möge in der Hölle schmoren, umzubringen seien.
Sayd dachte sich, wie viele andere Gläubige, dass Baghdad eigentlich doch recht weit weg sei und was dort geschehe, ziemlich unwesentlich wäre und er schliesslich weder mit dem alten, noch mit dem neuen Kalifen recht wenig am Hut habe und dass sich auch diese Aufregung bald gelegt haben werde.
Als er sich zum Frühstück hinsetzte, hiess es, sein Leibkoch sei verschwunden. Mit ihm sei auch die gesamte Küchenmannschaft desertiert und an ein Frühstück sei daher nicht zu denken.
«So, das fängt heute gut an,» dachte Sayd, «mal sehen, was noch nachfolgt,» denn er glaubte immer noch fest daran, dass Unglücke stets zu dritt auftreten. Als er merkte, СКАЧАТЬ