Die Damaszener-Rose. Johann Widmer
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Название: Die Damaszener-Rose

Автор: Johann Widmer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783752991284

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СКАЧАТЬ blickte beharrlich an ihm vorbei, erblickte irgendwo in der Menge einen Freund, begrüsste einen Kunden oder träumte ins Himmelsblau, aber von Sayd nahm er keine Notiz.

      Das nächste Missgeschick liess auch nicht lange auf sich warten, denn, das war Sayd klar, dass Unglücke immer die Eigenart haben, zu dritt aufzutreten. Das dritte Ärgernis war, dass er irgendwo seine schöne neue hellblaue Djellaba, sein weites Mantelkleid beschmutzt hatte. Er, der so grossen Wert auf saubere Kleidung legte, konnte sich unmöglich länger sehen lassen mit diesen Schmutzflecken und so beschloss er wehen Herzens, den Markt schon zu ungewöhnlich früher Stunde zu verlassen.

      Er steuerte auf den Ausgang bei den Gewürzhändlern zu, denn dort war das Sonnenlicht durch grosse Planen abgeschirmt und man würde im Schatten sein beschmutztes Kleid kaum bemerken. Mit deutlich sichtbarer Kummermiene wollte er eben den Marktplatz verlassen, als er vor sich einen Betteljungen sah, der sich flink nach einem Gegenstand bückte, der im Sand am Boden lag.

      Der Junge drehte erstaunt einen schweren goldenen Ring in seinen schmutzigen Fingern und wollte gleich draufspucken, um ihn zu reinigen, als Sayd ihm das Schmuckstück aus den Händen nahm, sich an den Finger steckte und sagte: «Gib mir das Ding, das ist was für vornehme Leute, das ist nichts für einen Betteljungen, siehst du wie der Ring mir passt. Wie angegossen. Und macht sich so gut an meinen gepflegten Händen.»

      Der zerlumpte Bursche begann laut zu schreien, schalt Sayd einen gemeinen Dieb, einen durchtriebenen Schurken und einen ausgekochten Halunken.

      Dieser herrschte ihn an: «Schrei doch nicht so! Sei froh, wenn ich dich von diesem Ring befreie, er hätte dir nur Unglück gebracht. Denn, stell dir mal vor, wenn du mit deinen Lumpenkleidern dieses Kleinod an deinen Händen trägst, so sagen die Leute du hättest es bestimmt gestohlen, führen dich zum Kadi und der nimmt dir den Ring ab und lässt dir zum Dank eine deiner schmutzigen Pfoten abhacken. Huh, all das herausspritzende Blut, der fürchterliche Schmerz und dann fehlt dir dein Leben lang eine Hand und alle können sehen, dass du ein Dieb bist. Das muss doch grauenhaft sein. Also sei bitte demjenigen dankbar, der dich vor so grossem Unheil bewahrt.»

      Als der Junge immer noch keine Ruhe geben wollte schlug ihm Sayd vor, zusammen zum Kadi zu gehen. Er würde dann behaupten, er hätte den Ring verloren, der Betteljunge hätte den Schmuck gefunden und behalten wollen. Der Kadi würde auch dann den Ring für sich behalten, Sayd müsste vielleicht eine Strafe bezahlen und dem Betteljungen würde wiederum eine Hand abgehackt. Ausser dem Kadi hätte niemand nichts vom ganzen Handel.

      Da der zerlumpte Junge immer noch nicht zufrieden war und nun sogar zu weinen begann, liess ihn Sayd einfach stehen und ging schnellen Schrittes weg, denn weinende Kinder, das war nun etwas, das seine zarte Seele wirklich schlecht ertragen konnte.

      Endlich hatte er Zeit das Kleinod genauer zu betrachten. Auf dem schweren Goldring war ein feuriger Rubin eingelassen, der von fünf kleineren Diamanten umgeben war. Das prachtvolle und meisterhaft gearbeitete Schmuckstück wäre der Hand des Kalifen würdig gewesen, aber da der Beherrscher aller Gläubigen am anderen Ende des arabischen Reiches lebte, schien es Sayd richtig zu sein, dass er es für den Nachfolger des Propheten aufhebe, bis dieser mal zufällig vorbeikäme.

      In seiner dunkeln Wohnung setzte er sich ans kleine Fensterloch und verbrachte den Rest des Tages damit, den Ring des Kalifen zu bewundern und zu bestaunen. Der Rubin leuchtete so geheimnisvoll und aus dem erstarrten Blutstropfen sprühte ein Feuer, das beinahe die Augen blendete und die Diamanten flackerten und glitzerten, wie fünf Derwische, die verzückt um die heisse Glut eines Feuers tanzen.

      Sayd staunte und starrte gebannt und vergass die Welt um sich herum und seinen Hunger.

      Erst als der letzte Sonnenstrahl erlosch und der Muezzin zum Abendgebet mahnte, erwachte er aus seinem Traum.

      Und wenn das ein Zauberring war, so wie man sie aus den Märchen kannte? Sayd erschauerte.

      Vorsichtig rieb er den Rubin, einmal, zweimal, dreimal, dann etwas kräftiger, zweimal rechtsherum, dann wieder linksherum, dann mit geschlossenen Augen.

      Nichts geschah, aber auch rein gar nichts. Kein brüllender Riese fragte nach Sayds Begehr und keine Märchenfee flatterte herbei.

      Vielleicht ging das Zaubern nur tagsüber, vielleicht nur an Freitagen? Man würde noch sehen. Morgen war ja auch noch Zeit genug.

      Frühmorgens trieb ihn der Hunger ins Städtchen. Der Marktplatz war heute leer, aber der himmlische Duft einer leckeren Bohnensuppe füllte die Weite des Platzes. So wie zufällig vorbeikommend, in schwere Gedanken versunken, schritt Sayd grusslos am Garkoch vorbei und liess, die linke Hand an die Wange gelehnt, seinen Ring blitzen und glühen, und siehst du: der sudanesische Suppenmeister rief ihm freundlich den Morgengruss zu und riss ihn, ach so brutal aus seinem Philosophieren.

      Guten Morgen, Sabah al chair und wie geht es der Gesundheit und lä bäss, lä bäss, nichts Schlechtes zu verzeichnen, El hamd ul illah, Gott sei's gedankt und die Segenswünsche mögen sich erfüllen.

      Auch näherliegende Wünsche schienen sich heute zu erfüllen.

      Sayd liess sich überreden, ein Schüsselchen Bohnensuppe anzunehmen, nachdem er kritisch am Gericht geschnuppert hatte, ja, er liess sich heute sogar soweit herab, sich einen zweiten Teller aufdrängen zu lassen. Als er, mit der eindeutigen beredten Geste in die Tasche greifen wollte, wo sich natürlich kein einziger Piaster herumtrieb, liess er es ausnahmsweise auch geschehen, dass der nette Küchenmeister keine Bezahlung annahm. Aber, aber, mein liebes Freundchen, seit wann bezahlt man Geschenklein?

      Ein gut eingeübtes Ritual, wie es schien.

      Bevor aber Sayd seinen Spaziergang fortsetzen konnte, zog ihn der Koch in die Küche und auf den Ring zeigend, meinte er, dass das eigentlich ein ganz hübsches Ringelchen sei und so, und er wolle nicht neugierig sein, aber das Glitzerding sei wohl etliche Golddinare wert, so unter Brüdern, und so etwas Ähnliches könnte er sich auch an der eigenen Hand vorstellen und ja und so und falls eventuell und unter guten Freunden, falls es zu kaufen wäre.

      Unter dem Siegel der allerhöchsten Verschwiegenheit und mit dem Schwur, dass demjenigen, welcher das Geheimnis eines Freundes verrät, die Zunge im Munde verdorren solle, erfuhr der Koch die Geschichte des Ringes .

      Ja, der gute Sayd wollte sich ja nicht besser machen, als er schon war und so und übrigens sollten es die Leute im Städtchen ums Himmels Willen nicht erfahren, denn sonst dächten sie noch was weiss was, aber, so flüsterte er dem verdutzten Freund ins Ohr, er hätte richtig erkannt, dass das ein Ring des Kalifen wäre, was ja auf den ersten Blick erkennbar sei, ein Geschenk sozusagen, gewissermassen ein brüderliches Andenken, aber bitte, bitte, nicht weitersagen, und im Übrigen unverkäuflich, versteht sich.

      Und so kam es, dass zwar keine einzige der vielen Zungen im Oasenstädtchen verdorrte, aber schon nach einer knappen Stunde wussten alle die Geschichte vom Halbbruder des Kalifen, der da mitten unter ihnen lebte. Wer hätte das gedacht! Nun ja, man hätte sich so etwas vorstellen können, denn vornehm war er schon immer gewesen, dieser Sayd und solche Verwandtschaft war auch einfach erklärbar, denn so hohe Herren wie Sultane und Kalifen liebten ihre Brüder auf ganz besondere Weise, liess doch zum Beispiel der Sultan von Agadez am Tage seines Machtantrittes alle seine Brüder blenden, damit sie ihm die Macht nicht streitig machen konnten. Verbannung, Verwendung als Krokodilfutter oder als Fundament eines neuen Palastes und viele, viele andere unterhaltsamen Grausamkeiten, meist mit tödlichem Ausgang waren, je nach Ideenreichtum des Herrschers an der Tagesordnung. Aber ein Bruder ist und bleibt СКАЧАТЬ