Название: Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln
Автор: Martina Dr. Schäfer
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783745017182
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Bild 6: Stumme Karte 3
Insofern bilden die Karten auf Seite 36 des Merkheftes den Höhepunkt einer Argumentationskette, deren Beginn wir bereits in der, auf den ersten Blick eigentlich untendenziösen Aufzählung zerstörter Hünengräber auf Seite 3 finden: Diese sind nämlich die stolzen Zeichen nordischer Bauernkultur (BUTTLER 1937, 3) und als solche, nach Buttlers Chronologie oder jener des Reichsministeriums etwa 3000 bis 2000 vor unserer Zeitrechnung errichtet (BUTTLER 1937, 3). Gegen 1000 vor unserer Zeitrechnung ist das der germanische Lebensraum (BUTTLER 1937, 36).
Die Wallburgen dienen dann auf Seite 4 des Merkheftchens dazu, von den Kämpfen zu zeugen, die sich im Laufe der Vorzeit auf dem Boden unserer Heimat abgespielt haben, bis dieser endgültig dem deutschen Volk g e s i c h e r t (Hervorhebung durch d. Verf.in) war. (BUTTLER 1937, 4) Mindestens eine der abgebildeten Wallanlagen liegt, wie kann es anders sein, bei Frankfurt an der Oder.
Ehrwürdige Reste (BUTTLER 1937, 7) sind von unseren Vorfahren (BUTTLER 1937, 6, 8, 14, 16 u. a. a. O.) errichtet worden, die uns zu Erben unserer grossen völkischen Vergangenheit (BUTTLER 1937, 8) machen. Die Inflation der Pronomen «uns», «wir», «ich», «unsere Vorfahren» im Merkheft bestärkt und suggeriert diese Verbundenheit mit dem gegenwärtigen «Volkskörper» sowie jenem unserer Vorfahren durch das ganze Heft hindurch.
Natürlich sind nicht nur die grossen Bodendenkmäler wichtig, die Geräte oder Metallgegenstände: Ehe die anderen Fundgattungen aufgeführt werden, steht an erster Stelle, auf Seite 11, der Befund der Körpergräber, die Knochen deren Bergung nicht nur wegen der kulturgeschichtlich wichtigen Totenbeigaben notwendig ist sondern weil unsere R a s s e n k u n d e auf vor- und frühgeschichtliches Schädelmaterial angewiesen ist. (BUTTLER 1937, 11)
Man muss schliesslich erkennen können, wer dazu gehört und wer nicht. Dazu gehört auf jeden Fall der Fachmann (BUTTLER 1937, 15 u.a.a.O.), dessen inflationäres Vorkommen ein weiteres Kennzeichen in diesem Text ist. Er weiss, wie man sich richtig verhält, er ist der Vertreter der Behörde, des Ministeriums, des Reiches, sein wissenschaftlicher Schatten garantiert, dass alles, was in diesem Heft zu finden ist korrekt verfasst und zur Bewahrung der archäologischen Altertümer durchgeführt wurde. Er ist im hierarchischem, dem «Führerprinzip» (MASER 2001,85) unterworfenen Gesellschaftsgefüge der Deutschen der «kleine Führer», die nicht zu hinterfragende Autorität.
Nicht zur Gruppe «unserer Vorfahren» gehören die Römer: In Süd- und Westdeutschland, wo etwa 400 Jahre lang die Römer geherrscht haben, findet man in erstaunlicher Dichte die Spuren jener Fremdherrschaft im Boden. ... Diese Reste sind die letzten Zeugen einer im Mittelmeer erwachsenen Stadtkultur, die dem Norden fremd war und später dem Ansturm der jugendstarken Germanen wieder erlag. (BUTTLER 1937, 22)
Das Aussehen des jugendstarken Germanen findet sich dann einige Seiten später auf einem Bild. (BUTTLER 1937, 25)
Leider erfährt man nicht, wie denn eine «jugendstarke Germanin» nun aussehen würde. Abbildungen prähistorischer Frauen fehlen im «Merkheft zum Schutz der Bodenaltertümer», trotzdem es innerhalb der nationalsozialistischen Vorgeschichtler durchaus Diskussionen um deren Art und Weise mit Abbildungen von Frauen in einigen Publikationen gegeben hatte. (KOSSINNA 1911, WILKE 1929, WIRTH 1938, WOLFF, 1929, 319 ff., RÖDER 1996, 132, SCHÄFER 2001, 51ff.)
Die Darstellung des germanischen Kriegers im Merkheft ist insbesondere deshalb als tendenziös im Sinne der nationalsozialistischen Führerideologie zu interpretieren, als er den Arm zum «Hitlergruss» hebt und somit eine scheinbare Kontinuität zwischen den damaligen «jugendstarken Germanen» sowie den gegenwärtigen Nationalsozialisten suggeriert wird. Das Bild des Germanen mit der erhobenen flachen Hand hat hier die gleiche Funktion, wie die Herschreibung des Symbols «Hakenkreuz» auf prähistorischer Keramik. Auch Slaven, die im 6. Jahrhundert in germanisches Land einbrachen (BUTTLER 1937, 35) gehören nicht zur eigenen, prähistorischen «Ingroup». Dass es sich um «unser» Land handelte, beweist anscheinend die Summe der Bodenfunde, die Werner Buttler in drei stummen Kartenabbildungen von Schlesien dokumentiert: 9 im Jahr 1896, 52 1926 und 147 im Jahr1937. (BUTTLER 1937, 35) Auch die Fundmeldungen aus der Bevölkerung, glaubt man der abgebildeten Statistik, haben sich in dem Zeitraum zwischen 1926 und 1934 mehr wie verdreifacht. (BUTTLER 1937, 35)
Die manipulative Botschaft bringt so den Beweis, Was bei guter Denkmalpflege herauskommt: Nämlich dass polnische und tschechische Gebiete schon immer «unser» Land war, woraus sich auch für die Gegenwart territoriale Ansprüche ableiten lassen. Die Karten suggerieren die Notwendigkeit, falls «die Fremdherrschaft» noch fort dauern sollte, abermals nach den munteren, «jugendstarken Germanen» zu rufen, damit der drängelnde Ameisenhaufen der Kartenpünktchen ein Ventil zur Eroberung «neuen Lebensraumes im Osten» (häufig verwendeter Begriff der Nationalsozialisten) erhält. Zwischen der Dissertation von Werner Buttler und diesem populärwissenschaftlichen Text liegt etwas mehr als ein halbes Jahrzehnt. Die Texte gehören zwei verschiedenen Textkategorien wissenschaftlichen Schreibens an: Dissertation und populärwissenschaftliche Information.
Werner Buttler verfasste auch ein vorgeschichtliches Schulbuch. Es wäre interessant, im Rahmen einer Fragestellung nach den Inhalten der Ur- und Frühgeschichte in Schul-, Kinderund Jugendbüchern aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, dieses Buch näher zu untersuchen. (siehe auch: HASSMANN 1998)
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten hatte 1933 stattgefunden und Hitler vereinigte seit August 1934 die Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers in seiner Person. Kurz zuvor war die SS als selbstständige Organisation gegründet worden, die Wehrmacht wurde auf Hitler vereidigt, eine allgemeine Wehrpflicht 1935 eingeführt und am 15.9.1935 die antisemitischen «Nürnberger Gesetze» erlassen. März 1938 marschierten deutsche Truppen in Österreich ein und die Vorbereitungen zum Krieg waren auf politischer und wirtschaftlicher Ebene voll im Gange.
Die beiden besprochenen Arbeiten Werner Buttlers bilden die innere Entwicklung eines jungen Wissenschaftlers von seinem dreiundzwanzigsten bis zu seinem dreissigsten Lebensjahr während einer Diktatur ab.
Folge ich jedoch der Charakterisierung seiner Person und seiner Stellung zwischen «SS-Ahnenerbe» – Anhängern und jenen des «Amtes Rosenberg», wie BOLLMUS (1970) sie darstellt, so sehe ich nicht innere Entwicklung sondern das Phänomen einer Abspaltung zwischen einerseits wirklich wissenschaftlicher Redlichkeit und Begabung und andererseits ideologietreuer, regimenaher Schreiberei, die den Machtinteressen einer rassistischen Diktatur diente.
Werner Buttler war zu diesem Zeitpunkt ein junger Familienvater mit drei Kindern. Es lässt sich kaum nachvollziehen, ob und in welcher Weise Leute wie er unter Druck gesetzt wurden, um dem Regime die notwendige geistige Unterstützung zu gewährleisten. Natürlich gab es viele Menschen, die trotz Allem, solchem Druck nicht nachgaben. Vielleicht, das legt BOLLMUS (1970) Darstellung nahe, vermeinte Werner Buttler auch, eine richtige Strategie zu fahren. Eine Haltung, die Werner Buttler mit einer ganzen Reihe anderer Vorgeschichtler teilte.
Trotzdem muss bemerkt sein, dass populärwissenschaftliches Schreiben die grössere Öffentlichkeit hat und somit auch eine stärkere Funktion politischer Manipulation und Beeinflussung wie wissenschaftliches. Hierin entspricht das bilderreiche und sehr verständlich geschriebene Merkheft den späteren Bildmedien, deren manipulative Einflussnahme ja heutzutage hinreichend bekannt ist.
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