Название: Allah ist unsichtbar
Автор: Martina Dr. Schäfer
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 9783745082845
isbn:
3.2 Das corpus dionysiacum
McGINN[61] listet die Reihenfolge der Werke von Dionysius Areopagites folgendermassen auf:
– De divinis nominibus (als DN zitiert)
– Mystische Theologie (als MT zitiert)
– De caelesti hierarchia (als CH zitiert)
– De ecclesiastica hierarchia (als EH zitiert)
In der Reihenfolge meiner Gliederung halte ich mich allerdings eher an Beate R. SUCHLA, welche die MT auf DN und CH folgen lässt. Dieses scheint mir auch vom Literarischen her logischer. Wie auch die Formulierung «vermutlich»[62] zeigt, scheint die angenommene Abfolge bei McGINN nicht gesichert oder logisch zu sein,[63] a.a. O. schreibt McGINN: «DN handelt hauptsächlich vom Hervorgang, EH und CH befassen sich mit unteren Stufen der Rückkehr. MT schliesst die Darstellung der Rückkehr ab…»[64]
Die erste Herausgabe des CD wurde von Johannes von Skythopolis um 540 veranlasst und umfasste die genannten vier Abhandlungen (Traktate) sowie zehn Briefe. Es folgte eine kommentierte Herausgabe durch Maximus Confessor ca. 100 Jahre später, Übersetzungen z.B. ins Syrische, Kirchenslawische und Arabische, 827 dann ins Lateinische durch Hilduin den Abt des Klosters St. Denis bei Paris, um 855 durch den grossen Gelehrten Scotus Eriugena[65] sowie die professionell redigierte und verbesserte Version durch einen päpstlichen Bibliothekar Anastasius Bibliothecarius um 870.[66]
3.2.1 De divinis nominibus
In «De divinis nominibus» (DN) geht es, wie der Titel bereits sagt, um die Namen Gottes. Geht man die 13 Kapitel von DN einmal auf der Suche nach den Namen Gottes (eigentlich: göttliche Namen!) durch, so ergibt sich folgende Liste:[67]
im IV. Kapitel:
– das Gute
– das Licht
– die Macht
– der/das Anmutige
– die Schönheit
– die Liebenswürdigkeit
– die Liebe
im V. Kapitel:
– Sein
– Leben
– Weisheit
im VI. Kapitel:
– ewiges Leben
im VIII. Kapitel:
– Kraft
– Gerechtigkeit
– Heil
– Erlösung
im IX. Kapitel:
– der Grosse
– der Kleine
– Ebenderselbe
– der Andere
– der Ähnliche
– der Unähnliche
– der feste Stand
– die Bewegung
– der Gleiche
– der Unveränderliche
– der Unvergängliche
im X. Kapitel:
– der Allmächtige
– der Alte der Tage
im XI. Kapitel:
– Friede
im XII. Kapitel:
– Heiliger der Heiligen
– König der Könige
– König für immer und ewig
– Herr der Herren
– Gott der Götter
im XIII. Kapitel:
– der Vollkommene
– der Eine
Die Reihenfolge dieser Namen ist nicht willkürlich gewählt, sondern stellt eine Art aufsteigender Systematik dar, die gewissermassen vom «Guten», das ausstrahlt gekrönt wird und zum «Einen» als Ziel und Kulminationspunkt (wieder) hinstrebt.
Wie Licht strahlt sich «das Gute» in seiner Schöpfung aus. Die treibende Kraft, die «Motivation Gottes» hierzu ist der Eros, die Liebe, welche eben diese «Schöpfung» liebenswert macht, «schön».
Zwar ist das Wesen Gottes eben nicht beschreibbar (ich komme im Abschnitt 3.2.3 zur MT noch einmal näher und ausführlicher darauf zurück), aber dieses beschriebene Wirken auf Welt und Schöpfung hin kann benannt werden, insofern es sich quasi um die Spuren «des Guten» in der Welt handelt.[68]
Da dieses bereits in der Bibel geschah, kann es auch Thema der Abhandlung zu den göttlichen Namen sein.
Der umgekehrte Weg des apophatischen/negativen Sprechens über das Wesen Gottes ist dann das Thema des Traktates MT.[69]
Dionysius Areopagites Erläuterungen, wann welche der beiden Sprechweisen über Gott zum Tragen kommen sollte, sind vor dem Hintergrund der christlichen Trinitätsvorstellung von Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist zu verstehen.[70]
Dionysius Areopagites führt zu diesem Zweck die Kategorien «geeinte» und «geschiedene» Namen Gottes ein[71]: Wird Gott als Einheit gedacht, gelten die geeinten Namen, insofern sie sich auf die «gesamte Gottheit», respektive auf die ausstrahlende Ursache von Allem beziehen. Die «geschiedenen Namen beziehen sich auf die 3 göttlichen Realitäten Vater-Sohn-Heiliger Geist. Sie sind nicht umkehrbar und jeweils nicht für alle drei, sondern nur für einen Aspekt gültig.[72]
Dieser qualitative Sprung im theologisch-philosophischen Denken der Spätantike, den Dionysius Areopagites hier vollzieht, erinnert mich sehr an jenen geistigen Sprung Einsteins zu Beginn des 20. Jahrhunderts, «Welle» und «Teilchen» in der Atomphysik gleichzeitig, als Aspekte eines Prozesses, sehen zu können.
Während bei Proklos die zweite Hypostase – als das zuerst Verströmte – geschieden von der Ersten (dem «Guten») ist, gelingt es Dionysius Areopagites gewissermassen die drei ersten Hypostasen (Hervorbringungen, Ausströmungen) in
Einem, СКАЧАТЬ