Название: Allah ist unsichtbar
Автор: Martina Dr. Schäfer
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 9783745082845
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Aus den Kapiteln 2–4 konnte ich Inhalte und Strukturelemente herausdestillieren, passende Elemente für einen interreligiösen Dialog auf Basis apophatischer Einstellungen, die mir als Grundlage für die weitere Arbeit dienten.
Kapitel 5 befasst sich also, wie bereits gesagt, mit Methoden und Instrumenten interkultureller und interreligiöser Kommunikation und einer daraus resultierenden Auswahl aus den Inhalten und Strukturelementen der vorherigen Kapitel, da ich natürlich, aus Gründen des Umfangs einer solchen Masterarbeit, nicht sämtliche Aspekte besprechen konnte.
Kapitel 6 befasst sich dann mit einigen dieser Themen und wie sie für den interreligiösen Dialog zwischen Islam und Christentum nutzbar wären.
Im 7. Kapitel weite ich in abschliessender Weise noch einmal den Blick über das engere Thema meiner Arbeit hinaus und propagiere die «apophatische» Empfehlung für eine allgemeine, gesellschaftlich-kommunale Ebene der Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften: Lieber gemeinsam zu feiern statt zu reden und für die individuelle Ebene der interreligiösen Begegnung eine «doppelte religiöse Staatsbürgerschaft».
1 Apophatische und kataphatische Theologie – Begriffsbestimmung
1.1 Apophatische Theologie
Apophasie bedeutet, dass «Gott» oder «das Eine» des Platonismus letztlich nicht zu erkennen oder zu begreifen ist. Woraus folgt, dass «Gott» eben auch nicht beschreibbar, nicht darzustellen ist.[1]
Eine Erkenntnis, welche die zahllosen Abbildungsverbote im Laufe der Geschichte monotheistischer Religionen konsequent umsetzten.
Gleich zu Anfang wage ich aber auch, zu behaupten, dass apophatische Theologie per definitionem das Wesen von Mystik und Spiritualität ausmacht – ganz im Sinne McGINNs, der in seinem ersten Band der Geschichte der «Mystik im Abendland» schreibt: «Negative bzw. apophatische Theologie wird historisch wie systematisch den Hauptteil unserer Geschichte der Spiritualität ausmachen.»[2]
Wie ich weiter unten ausführlicher darstellen werde, treten gedankliche Vorläufer für die Idee des Apophatischen, das heisst, ein Bewusstsein der letztlichen Unbeschreibbarkeit von Transzendenz, bereits in der griechischen Philosophie etwa ab dem 4. Jahrhundert v.d.Z. auf.
Sie ist ausserdem, meiner Meinung nach, der logische Schritt, welcher sich aus der Entwicklung von polytheistischen Religionssystemen zu monotheistischen ergibt.[3]
Apophatische Theologie ist, zum Dritten, die klösterliche Schwester der weltlichen apophatischen Philosophie des Neuplatonismus oder, wenn man so will, die sakrale Variante, ein spiritueller Ausweg aus den rationalistischen Höhenflügen, welche ansonsten zum Agnostischen oder gar Atheistischen führen würden – was ja nun mal nicht Jedermanns oder Jederfraus Sache ist.
Ebenso wie umgekehrt: Philosophie als Rettung aus einem entweder kindlich-naiv, beschreibenden oder sogar allzu abstrakt ab geschwebten Gottesbild. [4]
Spiritualität oder Mystik (ich erlaube mir, der Einfachheit halber diese beiden Begriffe, wie McGINN in seiner Einleitung[5] synonym zu verwenden[6]) ist dann in einem solchen Zusammenhang eigentlich der Versuch, sich dem Unnennbaren und Unbeschreibbaren doch irgendwie und irgendwann annähern zu können, wenn nicht sogar, sich mit diesem «Einen», mit «Gott» vereinen zu können. Mystik zu betreiben bedeutet also, Wege zu begehen, «Lebenswege»[7], Stufen, «Himmelsleitern»[8] zu ersteigen oder weitere Bemühungen des Erreichens dieses Unnennbaren, sich mit dieser sakralen Unbegreiflichkeit zu verbinden.
Gott ist das nicht Erkennbare, niemals vollständig zu Erfassende, woraus dann folgt, dass Gott auch nicht beschreibbar ist, nicht auszudrücken.
McGINN unterscheidet nun noch, ob das für alle Menschen gilt oder nur für bestimmte, nur zu einer gewissen Zeit oder jederzeit, usf.,[9] was ich hier aber einmal dahin gestellt lasse.
Wenn Gott also nicht beschreibbar ist, denn jede Beschreibung würde dieses besondere zu Beschreibende Unendliche wieder einschränken, nicht definierbar, kann ich mich ergo einer Erkenntnis über Gott nur annähern, indem ich ausdrücke, was Gott n i c h t ist. Die mögliche Annäherung geschieht durch die Negation von Eigenschaften, weshalb man in Verbindung mit der Apophasie auch von Negativer Theologie spricht.
Auch diese Negation muss sich allerdings in sich selber wieder durch ihr Gegenteil auflösen, sonst wäre eine Negativbeschreibung (quasi durch die Hintertüre des Ausschlussverfahrens) doch wieder eine positive.
Also beispielsweise: «Gott ist weder Mann» – notwendig muss nun folgen: «noch Frau noch Kind». Sonst wäre er ja das Ausgeschlossene.
Oder auch: «Gott ist nicht in der Welt» – das würde den Begriff wieder beschränken, also muss es zwingend weiter heissen: «und auch nicht ausserhalb».
«Gott ist weder endlich noch unendlich, übermächtig noch ohnmächtig, weder Geist noch Materie, … usw.».[10]
Das bedeutet weiterhin, dass paradoxe Sprachspielereien, poetische Übersteigerungen oder eben das Verstummen zum sprachlichen Repertoire der Apophasie dazu gehören und übrigens Musik für apophatische AutorInnen ebenfalls ihre besondere Bedeutung hat.
Apophatisches Sprechen ist per definitionem Auflösung von Sprache und vom Misstrauen gegen ihre Ausdrucksfähigkeit getragen.
Apophatisches Sprechen ist ergo auch ein sehr modernes Sprechen – modern im Sinne der literarischen Strömung des Expressionismus, dessen Zweifel an der Sprache dann im Extrem zum Silbenstottern oder Dadaismus führte. Oder in einer anderen Expressionismusrichtung zu eruptiven Ausdrücken reiner Gefühle und Leidenschaften in Wort, Bild und teilweise auch in der Musik.
1.2 Kataphatische Theologie
Das Gegenteil der apophatischen, der negativen Theologie ist sodann die kataphatische oder positive Theologie. Diese erscheint auf den ersten Blick dem Denken einfacher, denn mit ihrer Hilfe wird versucht, sich durch das Anhäufen von Beschreibungen, Zuschreibungen, substantivierten Tätigkeiten, etc. einem Verständnis dessen, was Gott sein könnte, anzunähern.
Allerdings ist dieses Projekt natürlich von vorne herein mehr oder minder ebenso zum Scheitern verurteilt wie die negative Theologie, denn das Transzendente zeichnet sich ja nun gerade durch das Überschreiten, das Jenseitig-von-Allem-Sein, aus. Eine fast mathematische Frage wäre dann, ob denn eine unendliche Aufzählung positiver Beschreibungen oder negativer Paradoxien Gott darstellen könnte?
Ein Gedanke, der sich beispielsweise im Islam durch die Aufzählung der 99 Namen Allahs ausdrückt. Wobei die Zahl «99» symbolisch gemeint ist und für die eigentliche Unendlichkeit beschreibbarer Möglichkeiten steht: Es könnten auch 999 Namen sein oder 9999 – eine vollständige Beschreibung Gottes kann nie erreicht werden.
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