Seefahrt 1956-58 – Asienreisen vor dem Mast – Nautischer Wachoffizier. Klaus Perschke
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      Schon ab Vlissingen, als der belgische Revierlotse an Bord kam, ging es wieder rund an Deck. Auf der Back und achtern wurden die Festmacherleinen an Deck geholt und aufgeschossen. Die vergipsten Ankerklüsen zum Kettenkasten hinein wurden freigemacht, anschließend bei den für Antwerpen zu öffnenden Luken die Ladebäume getoppt und festgesetzt. Das passierte alles noch vor dem Schleusen. Die BAYERNSTEIN war klar zum Löschen. Antwerpen bedeutete wieder erste, zweite, dritte Schicht. Und für diesen Stresshafen mussten auch entsprechend für jede Schicht Decks- und Wachleute eingeteilt werden. Ich wurde der Nachtschicht, also von 22:00 Uhr bis morgens um 06:00 Uhr zugeteilt. Und das waren wieder einige Talerchen mehr, die zu meiner Heuer kamen. Ein Mann ging Fallreepwache und vier Jungens standen dem Wachoffizier zur Seite. Sobald ein Teil des Zwischendecks gelöscht war, wurde das Stauholz (dunnage) zu einer Hieve aufgestapelt und bei passender Gelegenheit an Deck gesetzt. Wenn zwischendurch mal Pause zum Luftholen war, gingen wir ins Kabelgatt, um mit Martin Imbusch Stroppen aus Geiengut für die Reserve zu spleißen, falls die Hafenarbeiter welche benötigten. Zu tun gab es immer etwas, auch wenn es nur Kaffeekochen war.

      Am nächsten Tag teilte mir der Bootsmann beim Mittagessen mit, dass ich in Bremen aussteigen müsse, da es mit einem Teilnehmerplatz auf dem Segelschulschiff DEUTSCHLAND für den Sicherheitslehrgang geklappt hatte. Das hieß, für die Zeit der Rundreise Bremen – Hamburg – Bremen wurde ich für den Crashkursus freigestellt. Mir war das recht. Während der dritten Nachtschicht wurde die Antwerpen-Ladung aus allen Luken gelöscht. Für uns war jetzt wieder Maloche angesagt. Die Ladebäume blieben auf der Reise nach Rotterdam getoppt, alle Luken wurden seeklar gemacht, also seefest geschlossen. Als endlich der Hafenlotse und der Scheldelotse an Bord gekommen waren und auch beide Hafenschlepper stand-by längsseits lagen, wurde das Fallreep eingeholt und „klar vorn und achtern!“ geblasen. Wir nannten solche arbeitsintensiven Nächte „Nacht der langen Messer“. Als die BAYERNSTEIN nach dem Ablegen endlich zur Schleuse bugsiert, eingeschleust, festgemacht war und endlich wieder auf die Westerschelde auslaufen konnten, waren wir alle am Ende unserer Kräfte. Kaffeetrinken hält nicht immer lange wach. Wir waren froh, als draußen auf der Westerschelde das Kommando „Vorschlepper los!“ kam und wir nur noch die Festmacherleinen und Drähte aufzuschießen brauchten. Bis auf die Mitternacht-04-Wache konnten wir uns verpieseln, duschen und anschließend in die Koje kriechen, auch ich. Doch gegen 03:40 Uhr wurde die 04-08-Seewache bereits wieder rausgetrommelt, ob sie wollte oder nicht. Jetzt konnte endlich die 00-04-Seewache unter Deck gehen und Feierabend machen.

      Rotterdam war unser nächster Hafen, ein Katzensprung bis zur Maas, ich schätze mal knapp 100 Seemeilen bis zur Lotsenübernahme vor Hook van Holland. Und dann ging der Spaß von neuem los, „klar vorn und achtern!“ vor der Einfahrt in den Maashaven. Zwei Hafenschlepper hatten uns schon vor der Einfahrt auf den Haken genommen und bugsierten uns langsam von der Maas in das Hafenbecken.

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      Teil des Hafens von Rotterdam mit Maashaven

      Ein schöner Liegeplatz, leider ein bisschen weit ab, um in die City zu kommen. Also unsere Ankunft war am 30. April 1956. Im Maashaven wurde der überwiegende Teil der verbliebenen Ladung gelöscht. Unter anderem gingen die Kautschukballen hier an Land. Auch über die Hälfte der Teekisten wurde hier gelöscht. Die Ballen Zimtstangen mussten noch bis Bremen warten. In Rotterdam hieß es wieder erste, zweite, dritte Schicht. Wieder einmal wurde die Deckscrew gesplittet und auf die einzelnen Schichten aufgeteilt. Und wieder einmal hingen wir am Kaffeekannentropf, denn die Schichten, besonders die Nachtschicht, schlauchten einen mächtig. Aber da mussten wir durch! Auf der anderen Seite, je schneller die Ladung aus den Laderäumen kam, desto früher konnten wir Rotterdam wieder verlassen.

      Und wir verließen Rotterdam am 2. Mai des schönen Jahres 1956. Nachdem wir ausklariert waren, die wartenden Hafenschlepper vorn und achtern befestigt und die Leinen nach Lotsenanweisung los- und eingeholt hatten, wurden wir wieder aus dem Maashaven auf die Maas bugsiert, und ab ging die Reise. 300 Seemeilen waren es von Rotterdam bis nach Bremen, mindestens 200 Seemeilen Zwangswege bis zur Lotsenübernahme auf der Außenweser, also 12 Stunden, bis der Weserlotse an Bord übernommen wurde. Und der 2. Ingenieur Schulz kachelte wieder seine beiden Hauptmaschinen. Die BAYERNSTEIN roch schon den Stallgeruch und wurde noch schneller. Und auch Bootsmann Tietjen kachelte uns: Deckwaschen war angesagt, auf dem Vorschiff eine Gang, von der Brücke abwärts eine zweite Gang und auf dem Achterschiff eine dritte Gang. Und alles, was nicht brauchbar war, flog über die Kante. Kaputtes Stauholz, zusammengefegter Dreck, leere Bierkisten, die Foulbrassen wurden ausgekippt und ausgewaschen. Das Schiff sollte sauber aussehen, wenn wir ankommen, war sein Motto.

      Der Bootsmann hatte mich kurz vor der Lotsenübernahme auf der Außenweser zu sich kommen lassen und mir mitgeteilt, dass ich nach dem Festmachen in Bremen sofort meine Sachen packen solle, um von Bord zu gehen. Ich sollte mich spätestens noch am gleichen Tag auf der DEUTSCHLAND einfinden. Mein Sturmgepäck sollte nur eine saubere Arbeitsgarnitur, feste Arbeitsschuhe, eine Ausgehgarnitur und Unterwäsche zum Wechseln enthalten. Alles andere sollte ich an Bord in meiner Kammer in meinem Schrank einschließen. Ich hatte kapiert. In einem NDL-Schreiben war dem Kursleiter auf der DEUTSCHLAND mitgeteilt worden, dass ich während der Rundreise Bremen – Hamburg – Bremen den Sicherheitslehrgang mitmachen sollte, um anschließend wieder in Bremen auf der BAYERNSTEIN zusteigen zu können. Aber noch waren wir nicht in Bremen. Auf 04-08-Seewache konnte ich noch nicht packen. Erst als wir in Bremerhaven Lotsenwechsel und ich anschließend Freiwache hatte, konnte ich auf die Schnelle alles in meinen Zampel stopfen. Der Obermax hatte bereits in Rotterdam ein Arbeitspäckchen durch die Waschmaschine mit scharfem Wasser gejagt, getrocknet und sogar gebügelt. Einen Pullover hatte ich auch noch zu meinen Sachen gepackt. Zwei Paar Schuhe, einmal für den Landgang, einmal Arbeitsschuhe, dazugetan, auch Kamm, Zahnbürste, Zahnpasta sowie Seife, weiterhin mein Seefahrtbuch. Ich war mit mir zufrieden und legte mich noch eine Runde zum Pennen in die Koje. Gegen 22:00 Uhr hieß es wieder: „Reise, Reise, all hands an Deck, klar vörn un achtern!“ Schnell noch eine Tasse Kaffee hinter die Binde gekippt, und schon ging es nach vorn auf die Back. Wie Schäferhunde umkreisten uns die Hafenschlepper, kamen von achtern dicht unter den Steven. Der Backborddraht wurde langsam zu Wasser gefiert, der Decksmann schnappte sich das Drahtauge, und wir fierten nach, bis er es auf den gewaltigen Schlepphaken übergehängt und gesichert hatte. Jetzt gaben wir oben auf der Back vom Poller aus dem Draht noch soviel Lose, bis der Schlepperkapitän „stopp“ grölte, und wir belegten die restlichen Buchten auf dem Poller. Der Schlepper törnte ein, auf dem Poller zutschte der Schleppdraht noch ein, zwei Mal, der Draht war bombenfest vertäut. Und jetzt musste jeder aus den Kinken gehen, als der Schlepper voll in Action ging. Das berühmte Drehen im Wendebecken stand zuerst auf dem Programm, danach zog uns der Achterschlepper bis querab zum Liegeplatz, wo wir mittels Schmeißleinen die ersten Festmacher an Land gaben. Eine halbe Stunde später war das Schiff fest, vorne drei und eins, achtern drei und eins, und das Fallreep wurde an den Kai gefiert. Bremen hatte uns am 3. Mai 1956 wieder. Die BAYERNSTEIN war heimgekehrt. Das war das Ende meiner ersten Reise nach Ostasien.

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