Название: Wilde Welt
Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783753135984
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Und setzt er sich einmal - im Nu bin da."
Da nahm Don Diego die neben ihn hingelegte Guitarre, und während keiner der anderen Gauchos es wagte, dem übermüthigen Soldaten entgegen zu treten, begann er mit leiser, aber wunderbar ergreifender und zum Herzen sprechender Stimme, die aber gegen das Erde des Verses mächtig anschwoll:
„Es war ein Vogel, so wunderschön.
Ich habe noch keinen so weiter gesehn.
Der kam von Osten, weit über das Meer,
Er brachte den Oelzweig im Schnabel her.
Sein Kleid war silbern, mit himmlischem Schein,
Er sang so lieblich - frei sollt Ihr sein!
Er brach die Ketten - des Spaniers Joch,
Er hieß „libertad" - und heißt so noch!"
,,Bravo - bravo!" jubelten die Gaucho's dem Sänger zu; der Alte mit dem greisen Bart aber griff wild in seine Saiten und sang mit voller, tönender Stimme:
„Und frei war das Volk und frei war das Land,
Das alle Stämme wie Brüder verband.
Ein Jubelschrei ging vor der Botschaft her,
Vom Atlantischen hin bis zum Stillen Meer."
Wieder griff Don Diego einige Accorde, und während ihm Alles still und schweigend lauschte und Josefens Auge besonders in wachsender Spannung an seinen Worten hing, begann der Fremde wieder, kaum die Saiten berührend:
„Da kam ein Jäger mit wildem Troß,
Der traf den Vogel mit seinem Geschoß,
Verschwunden war da der Farben Gluth,
Der Vogel zuckte jetzt roth im Blut!"9
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Die Anspielung war zu deutlich, und der argentinische Officier, dem das Blut in die Schläfe schoß, entgegnete zornig, dem Fremden ohne Weiteres in sein Lied fallend:
„Du hast ihn bezeichnet den Feigen, Gesell,
Lavalia hieß er - doch mächtig und schnell
Erschien auch der Retter in dieser Noth
Und traf jenen feigen Verräther zum Tod.
Don Manuel Rosas war es - in Lust
Jauchzt ihm entgegen jedwede Brust,
Sein Schrei aber: Nieder der Schurken Troß
Mueran los Unitarios,
Und hoch auf den Händen, vom Volk gestellt,
Trug es den hohen, den göttlichen Held-
Trug es der Pampas würdigen Sohn,
Mit dem Rufe: Viva la federacion!"
Noch hatten sich die Insassen des Zimmers nicht entscheiden können, ob sie, schon aus alter Gewohnheit, in den Landesruf mit einstimmen sollten, als Diego, von seinem Sitz emporspringend, und wild dazu seine Saiten schlagend, einfiel:
„Viva la confederacion!
Den Schrei geb' ich mit, den Verräthern zum Hohn.
Viva das Volk und des Volkes Hort,
Die freie Wahl und das freie Wort -
Zu Boden mit Jedem, der wieder versucht,
Das Gut uns zu rauben der frech und verrucht
Den Gaucho auf's Neue mit Ketten bedeckt,
Die Freiheit entehrt und den Namen befleckt.
Und wie er auch heiße, und wer er auch sei.
Zu Boden mit ihm, denn der Boden sei frei!"
Es wäre unmöglich, den Tumult zu schildern - den diese wenigen Reime in der Versammlung hervorriefen.
„Viva la libertad!" donnerte der alte Gaucho mit dröhnender Stimme, „viva la libertad!“ tobten alle anwesenden Gauchos im Jubelruf mit ein, und nur der argentinische Officier stand schweigend, zürnend dazwischen. „Viva la libertad!" war auch Rosas' Schlagwort, aber er fühlte recht gut, daß die Männer hier die Freiheit nicht meinten, die ihnen der Dictator gebracht, und daß ein gefährlicher, rebel-/23/lischer Geist in den Burschen stecke. Wie aber war dem zu begegnen?
Noch dauerte die Aufregung, die das letzte Lied hervorgerufen, als eins der Mädchen, das durch Zufall den Blick auf das Fenster geworfen, laut und erschreckt ausrief:
„l,os indios! Gott sei uns gnädig."
Rasch drehte Don Diego den Kopf dorthin; aber er sah nur noch, wie, einem Schatten gleich, ein dunkler Schein vom Fenster glitt.
„Dort, dort war es!" wiederholte das Mädchen, den zitternden Arm der Gegend zustreckend, wo sie die Ursache ihres Schreckens gesehen haben wollte. Als ihr Aller Augen aber dahin folgten, ließ sich nichts weiter erkennen, und ein Theil der Gäste drängte jetzt der Thür zu, um die Straße draußen zu untersuchen.
IV.
Nur der argentinische Officier war noch zurückgeblieben und wandte sich, während sich Don Diego wieder auf seinen Stuhl niederließ und sein Glas füllte, an das junge Mädchen, um genauer zu erfahren, was sie so erschreckt habe.
Beatriz, des Wirthes Tochter, konnte ihm aber nichts weiter sagen, als daß sie einen dunkeln Kopf mit glühenden Augen am Fenster gesehen und im ersten Augenblick geglaubt habe, es sei ein Indianer. Die Bewohner der Pampas dachten in damaliger Zeit ja fast an nichts weiter, als an jene wilden Horden.
Nun war es schon außerordentlich unwahrscheinlich, daß sich ein einzelner Wilder hier in das von Soldaten gefüllte Städtchen gewagt haben sollte. Außerdem befanden sich aber unter dem argentinischen Militär eine Menge Mulatten und Neger, und jedenfalls hatte einer von diesen - wenn überhaupt Jemand - in das Fenster hereingesehen. Nichtsdestoweniger erforderte es die Pflicht des Officiers, nachzuschauen, und es gefiel ihm nur nicht, den ihm überhaupt verdächtigen /24/ Fremden mit den Mädchen allein zu lassen. - Aber was konnte er auch in den wenigen Minuten thun? Er war jetzt Commandirender in Cruzalta, und daß ihm der Fremde da nicht lästig werden sollte, dessen war er gewiß. - Was brauchte ein Officier der Argentinischen Republik oder vielmehr des allmächtigen Rosas auch große Umstände zu machen!
Er verließ das Zimmer, und Don Diego saß noch immer ruhig auf seinem Stuhl, nahm die Guitarre wieder und spielte leise und wie in Gedanken ein kleines spanisches Lied. Wieder und wieder schweifte sein Blick nach dem schönen fremden Mädchen hinüber, das sich jetzt mit den Freundinnen in die entfernteste Ecke des Zimmers zurückgezogen hatte, und nur Auge und Ohr für dieselben zu haben schien.
Der Wirth, der mit den Uebriqen vor die Thür getreten war, kam jetzt zurück, und sich neben Diego niedersetzend, sagte er lachend:
„Du СКАЧАТЬ