Blühende Zeiten - 1989 etc.. Stefan Koenig
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Название: Blühende Zeiten - 1989 etc.

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Zeitreise-Roman

isbn: 9783752925869

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СКАЧАТЬ so.“

      Ich blieb ruhig, schließlich wusste ich die besten Argumente auf meiner Seite. „Ich hatte es so verstanden, dass Frau Söhnlein die Finanzierungsgrundlagen prüft, jedoch nicht die arbeitsmarktliche Erfordernis und die dazu notwendigen qualitativen Standards. Dafür ist doch der Fachvermittlungsdienst zuständig, oder irre ich mich?“

      Das brachte mein Gegenüber völlig aus der Fassung. Denn ich wagte es, die Kompetenzen seines Hause so aufzuzählen, wie sie eigentlich sein sollten. Er sprang aus dem Sessel auf und sagte mit sich fast überschlagender Stimme: „Nein, hier hat Frau Söhnlein das letzte Wort. Basta! Keine Diskussion mehr.“

      Er war rot angelaufen, und ich sah seine Halsschlagader pochen. Mir war schlagartig klar, was Lewin gemeint hatte, als er mich vor ihm gewarnt hatte: „Vorsicht! Choleriker!“

      „Sie haben Recht, Herr Braun“, sagte ich in beruhigendem Tonfall, „vielleicht findet sich ja später eine Lösung; man muss nichts übers Knie brechen.“

      Braun stürzte zur Tür, ich glaubte eine Schnappatmung zu vernehmen, dann blieb er wie angewurzelt stehen und sagte: „Außerdem würde ich mir gerne die Lernbedingungen in diesem Haus anschauen!“

      In diesem Haus! Eine distanziertere Bemerkung hätte er sich nicht einfallen lassen können. Der Mann war uns feindlich gesinnt, das war mir klar. Ich dachte an einen Spruch, den ich mal bei meinem Vater gehört hatte: Umarme deinen Feind, dann kann er dich nicht mit seinen Händen erwürgen.

      „Es ist aber gerade Unterricht. Haben Sie noch etwas Zeit bis zur ersten Pause? Das wäre in fünfzehn Minuten?“

      „Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich terminlich stark gebunden bin. Es gibt mehr als nur die GTU in meinem Arbeitsamtsbezirk, glauben Sie mir!“

      „Nun, dann lassen Sie uns am Rest einer Unterrichtsstunde teilnehmen.“ Ich ging voran und klopfte an die Tür des großen Seminarraumes, in dem Dr. Lutz Schimmelreith, der Leiter für alle GTU-Kurse, gerade zum Thema Abwassertechnik dozierte. Ich stellte Herrn Braun kurz vor, ebenso sein Anliegen.

      „Herr Braun möchte gerne einmal einen Unterrichtsraum und unsere Unterrichtsform gesehen, beziehungsweise erlebt haben“, sagte ich, sah zu Lutz, den ich jetzt siezte: „Lassen Sie sich bitte nicht stören, der Unterricht kann gerne weitergehen.“

      Viele Teilnehmer schauten etwas verwundert, was man ihnen nicht verübeln konnte, und auch Lutz sah mich mit erstauntem Blick an. Ich vertraute darauf, dass er die Situation intuitiv verstand. Und so war es auch. Er fuhr souverän in seinem Lehrstoff fort, während Braun unvermittelt einen Zollstock aus seiner Jacketttasche holte und die Raumhöhe maß. Dann ging er die Raumlänge messenden Schritten ab; es folgte auf der Rückseite die Raumbreite; er zählte lautlos die Anzahl der Seminarteilnehmer und ging sodann zur Tür, um mir halblaut und doch etwas zu schroff mitzuteilen, dass er für seinen Teil fertig sei. Ich wandte mich an die Teilnehmer und Lutz, entschuldigte noch einmal die Störung und verabschiedete mich. Braun sagte kein Wort zum Abschied.

      Auf dem Flur holte er einen altmodischen Taschenrechner hervor und tippte seine Zahlen hinein. Dann sah er mich triumphierend an und sagte: „Die erforderlichen Raumkubikmeter pro Teilnehmer sind unterschritten. Sie können diesen Raum nicht mehr nutzen. Wir geben Ihnen drei Monate Zeit, eine Änderung der Verhältnisse anzugehen. Weiteres teile ich Ihnen schriftlich mit.“

      „Sagen Sie mir bitte vorab, wo das Problem konkret liegt. Die Teilnehmer haben genügend Platz, sogar mehr als man in den öffentlichen Unterrichtsräumen einer Volkshochschule bereit hält. Die Belüftung ist durch­gehend und ausreichend möglich, wie es der TÜV fordert, und es wird stets auf Luftzufuhr geachtet.“

      „Es liegt an der Deckenhöhe. Sie ist rund 5 cm zu niedrig. Erforderlich sind 270 cm, sie beträgt jedoch nur 265,5 cm.“

      „Das wird doch mindestens ausgeglichen durch die übergroße Raumbreite, Herr Braun. Wäre das nicht gegenzurechnen?“

      „Nein, da kann ich Ihnen leider nicht folgen. Also, Sie hören dann von mir! Auf Wiedersehen!“ – und weg war er. Als ich ihn so triumphal weglaufen sah, fiel mir spontan der Name eines Brüder-Grimm-Märchens ein: »Rumpelstilzchen«.

      *

      Mit Lutz, dem Kursleiter, verstand ich mich sehr gut. Schon beim Bewerbungsgespräch vor drei Jahren hatte mich seine natürlich-sympathische Ausstrahlung beeindruckt. Er erschien aufgeschlossen und fachlich durch und durch kompetent. Dieser Eindruck hatte sich nicht nur erhalten, sondern verstärkt. Zwar bedauerte ich, dass er in absehbarer Zeit nur noch für sein Jungunternehmen, das Umweltinstitut Offenbach, und nicht mehr für die GTU arbeiten würde, aber ich hatte volles Verständnis für diesen Schritt, schließlich hatte auch ich diesen Weg in die Selbständigkeit getan und bisher nicht bereut. Wir pflegten eine fast schon freundschaftliche Kollegialität, hatten uns gegenseitig bereits mehrmals samt unseren Familien eingeladen und erzählten uns auch in den Mittagspausen private Dinge.

      Als Herr Braun gegangen war, unterrichtete ich Frau Wenzel und Lutz über die merkwürdige, fast beängstigende Begegnung mit diesem Beamten.

      „Was kann denn groß passieren, wenn es bloß um eine angeblich mangelnde Raumhöhe von 4,5 cm geht? Da müssten wir erst einmal überprüfen, wo und wer das vorschreibt“, sagte Lutz in einem so zuversichtlichen Ton, dass ich innerlich aufatmete. Mich hatte die Begegnung doch recht nervös gemacht, obwohl ich sonst nicht zur Panik neigte. Doch Brauns Verhalten, sein erbarmungsloser Blick, sein Nicht-im-Geringsten-einlenken-wollen, hatten mich verunsichert.

      „Wenn das jedoch tatsächlich ein Punkt wäre, mit dem uns das Gespann Braun-Söhnlein dauerhaft ärgern könnte, müsste man wahrscheinlich über die Grenzen hinaus denken …“, sagte Frau Wenzel.

      „Über die Grenzen hinaus denken?“ Ich sah sie fragend an.

      Sie blickte nachdenklich zu Lutz, zu mir, dann wieder zu Lutz, bis ihr Blick zum Fenster schweifte. Endlich sagte sie: „Vielleicht sollten wir umziehen. Die Kurse sind so erfolgreich, die Bewerberlage so blendend und stabil, die Finanzen ausreichend und die Miete hier recht teuer. Erweiterte Raumkapazitäten könnten uns nicht schaden.“ Sie setzte ein gewinnendes Lächeln auf, legte eine Kunstpause ein und sah mich dann auffordernd an. „Ich denk‘ an jenes Haus von diesem Herrn Nabel-Schoen, das Sie einmal als Betriebsstätte in Betracht gezogen hatten. Würden wir dort nicht besser dastehen und hätten wesentlich mehr Räume – übrigens auch für mehr Kurse? Und endlich separate Büroräume für die Dozenten, die sich nicht mehr zu zweit oder zu dritt ein Büro teilen müssten? Vielleicht ist die Friesstraße noch zu haben. Ich bin vor einem halben Jahr zufällig dort vorbeigekommen und es machte mir einen leerstehenden Eindruck.“

      „Das ist gewiss eine Option, aber warten wir erst einmal das Schreiben des Herrn Braun ab“, wandte Lutz ein.

      Ich stimmte ihm zu und bat Frau Wenzel, dennoch schon einmal ausfindig zu machen, ob der Leerstand in der Friesstraße definitiv sei.

      Lutz und ich gingen anschließend zum Italiener zum Mittagessen. Hier schüttete er mir sein Herz aus, eine private Angelegenheit, es ging um seinen Adoptivsohn Kai, siebzehn Jahre alt. Seit seinem zwölften Lebensjahr war er auffällig, trank seit geraumer Zeit heimlich Alkohol, rauchte Shit und nahm LSD. Kurzum: Kai war ein Problemkind und fühlte sich zurückgesetzt gegenüber dem leiblichen Sohn von Lutz. Es gab am laufenden Band Zoff zwischen den beiden Jugendlichen, die altersmäßig nur ein Jahr auseinander lagen.

      Kai, so schilderte es Lutz völlig verzweifelt, den Tränen nahe, war dabei, die gesamte Familie zu zerstören.

      „Ich СКАЧАТЬ