Название: Vom Werden eines Diakons - Rückblicke - Teil 3
Автор: Jürgen Ruszkowski
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783738067415
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Diakon August Füßinger – von mir gezeichnet
Als Taktiker war er bereit, „alle mögliche Unbill zu schlucken“. Fü: „Wenn andere im Himmel Bescheid wissen, dann weiß ich auf der Erde Bescheid.“ Füßinger warnte vor einem voreiligen Abrücken von den Deutschen Christen, denn es sei „für die Kirche entscheidend, ob Hitler auf ihrer Seite steht“, eine Haltung, die er auch innerhalb der deutschen Diakonenschaft vertrat.“ Im Auftrag der Schulleitung machte Bruder Füßinger die Diakonenschüler darauf aufmerksam, dass sie nur zur Wohlfahrtspflegerprüfung zugelassen werden können, wenn sie einer Gliederung der NSDAP angehören. Er riet den Brüdern, daran die staatliche Prüfung nicht scheitern zu lassen und versorgte etliche Brüder mit einer Bescheinigung über ihr Mitwirken bei der NSV. Dabei wählten die wenigsten Brüder aufgrund einer Überzeugung eine bestimmte Organisation; die meisten von ihnen versuchten, mit dem geringsten Aufwand den größten Erfolg für ihren Berufsweg zu erzielen. Nachdem das eigene Jungvolk-Fähnlein (Nr.282) unter der Führung des angestellten Fähnleinführers Kakerbeck und die SA-Schar der Brüder unter Leitung von Bruder Wilhelm Koch nicht ausreichten, die Begehrlichkeiten der NS-Funktionäre bezüglich Jugendführung durch das Rauhe Haus zu bremsen, wurde 1937 ein neues Arbeitsgebiet eröffnet. August Füßinger hatte an der Gründung des Altenheimes im Goldenen Boden unter Leitung von Schwester Else Burrow maßgeblichen Anteil. Dieses Arbeitsgebiet war für den auf die Jugend konzentrierten NS-Staat uninteressant. Aber die private Wichernschule, in die viele Eltern, die bezüglich der NSDAP skeptisch waren, ihre Kinder schickten, blieb den Nazis ein störender Faktor. Von außen, aber auch teilweise von innen (z. B. durch den damaligen Schulleiter und fanatischen Nazi Ackermann) wurde die Verstaatlichung der Schule betrieben und 1940 vollzogen. Füßinger hatte alle Punkte eines Mietvertrages sehr intensiv und zu Gunsten des Rauhen Hauses verhandelt. Dann sollte das Rauhe Haus zu einer SS-Heimschule gemacht werden. Wegen des für den Staat ungünstigen Mietvertrages für die Schule musste zunächst Füßinger ausgeschaltet werden. 1941 wurde er per Seitenwagenmotorrad zur Musterung abgeholt. In seiner Akte beim WBK wurde er als vorbestraft geführt, was zwangsläufig Infanterie und Russlandeinsatz zur Folge gehabt hätte. Aber er fand einen Gesprächspartner, der die üblen Absichten durchschaute, den unehrenhaften Vermerk löschte und ihn für die Marineinfanterie einzog. Dadurch blieb er in Schleswig-Holstein und betrieb unter Nutzung der Erfahrungen aus seinen Lehr- und Berufsjahren beim Norddeutschen Lloyd ein Stromaggregat für die Scheinwerfer der Flugzeugabwehr. An freien Tagen und im Urlaub stand er dem Rauhen Haus zur Verfügung, um zu retten, was noch zu retten war. Jetzt befand er sich unter dem Schutz der Marine und war im Gegensatz zu früher vor weiteren Gestapoverhören einigermaßen sicher.
Nach der anfänglichen Begeisterung der deutschen Diakonenschaft für die nationalsozialistische Bewegung, die insbesondere auf dem Hamburger Diakonentag anlässlich des 100jährigen Jubiläums des Rauhen Hauses 1933 ihren Höhepunkt fand und noch große Hoffnungen - auch für das volksmissionarische Anliegen der Diakone – in die „neue Zeit“ setzte, wollte man später gegenüber dem Machtanspruch der Nazis im Rahmen der „Entkonfessionalisierung“ durch allerlei Anpassungstricks versuchen, der Umklammerung und später der Verstaatlichung des Rauhen Hauses zu entgehen.
Wegen seiner Funktion bei der NSV saß er nach dem Zusammenbruch 1945 zwei Jahre bis 1947 bei der britischen Besatzungsmacht im Internierungslager. Im anschließenden Entnazifizierungsverfahren 1947 erhielt er Berufsverbot. Zu dieser Zeit wurde der erste Abschnitt des Goldenen Bodens wieder aufgebaut. Damit August Füßinger dem Rauhen Haus trotz des Verbotes wieder zur Verfügung stehen konnte, hatte ihn der ausführende Bauunternehmer Hammers bis zur Aufhebung des Berufsverbotes angestellt. Bruder Gottfried Scheer, der später mit dem Herausgeber dieses Buches zusammen in Dortmund als Geschäftsführer bei der Inneren Mission arbeitete, stand Fü lange Jahre ablehnend gegenüber und verurteilte besonders sein Verhalten während der NS-Zeit, bis er eines Tages ein Gespräch mit ihm unter vier Augen hatte und von Fü Details erfuhr, die ihn in seiner Meinung gegenüber Füßinger völlig umschwenken ließen. Fortan redete er nur noch in Hochachtung über diesen Mann.
Füßinger arbeitet unentwegt vom frühen Morgen bis tief in die Nacht hinein. Er fährt grundsätzlich erst immer spät abends zum Katten- oder Brüderhof, den Zweiganstalten im Norden Hamburgs, weil dann kaum noch Verkehr herrscht und in der Anstalt keine großen Probleme mehr zu befürchten sind. Neben ihm sitzt dann meistens seine Frau, die ihn knufft, wenn das Auto wegen seiner Übermüdung ins Schlingern kommt. Auf den hinteren Sitzen fahren ein oder zwei Ausbildungsbrüder mit, die den VW-Bus auf den Höfen zu ent- und beladen haben.
Es ist erstaunlich, was da alles hin- und her transportiert wird: Milchpulver und Käse aus amerikanischen Spenden zu den Höfen und Fleisch ect. von den Höfen ins Rauhe Haus zurück. Gegen Mitternacht kommt man dann auf dem Kattendorfer Hof oder dem Brüderhof bei Harksheide, mitten im Moor, an. Anschließend folgt in der Nacht die Rückfahrt.
Fü redet nicht mehr, als er für unbedingt nötig hält und verabscheut unnötiges Geschwätz. Er bemüht sich, den Diakonenschülern eine „präzise Ausdrucksweise“ beizubringen und ihnen „leere Phrasen“ abzugewöhnen. Fü ist in der Brüderschaft sehr umstritten. Wegen seiner spröden und konservativen Art und oft wunderlichen Ansichten und Entschlüsse mögen ihn viele seiner Mitmenschen nicht. Sein Gerechtigkeitssinn und sein diakonischer Opfergeist bringen ihm aber auch viel Freundschaft und Anerkennung ein. Etliche ältere Brüder verehren ihn. Akademikern gegenüber ist er sehr skeptisch. Sie müssen ihm ihre Lebenstüchtigkeit in der Praxis erst unter Beweis stellen, bevor er ihre Leistung gelten lässt. – Fü hält viel von Physiognomie und Graphologie. Er schwört bei der Einschätzung ihm bisher unbekannter Menschen auf Lichtbild und Schriftprobe. Eltern, die ihre Söhne dem Rauhen Haus zur Erziehung anvertrauen wollen und sich um einen Platz bewerben, müssen ihm von diesen auch immer Bild und Schriftprobe vorlegen. – Fü ist durch und durch Sicherheitsfanatiker. Als ich ihn später einmal von Soest aus mit dem Auto mitnehme, ermahnt er mich immer wieder, ja nicht so schnell zu fahren, er habe ständig Angst vor einem Unfall. Er selber „schleicht“ als Autofahrer immer und hält den Verkehr hinter sich auf. – Ich kenne ihn nur mit Nickelbrille und in schwarzem Anzug mit schwarzer Krawatte. Füßinger spricht immer etwas näselnd. Einige seiner Zitate mögen ihn mit seinen eigenen Worten charakterisieren: „Samariter sein wollen mit Rat und Tat: das ist unser Lebenselexier.“ – „Wahrheit ist die beste Taktik.“ – „Leere Töpfe klappern am meisten.“ – „Es menschelt überall.“ – „Der erste Griff ist der nach einem verbotenen Apfel, der zweite ist der Griff in die Kirchenkasse.“ - „Die Weisheit hat nichts mit Großmächtigkeit zu tun.“ – „Die Demokratie endet an den Mauern des Rauhen Hauses.“ – „Zwischen einem Bruder und einer Haustochter steht am besten immer ein breiter Tisch.“ – „Wer gut verheiratet ist, der hat ein natürlich gutes Ansehen.“ – „Die Ehe ist die Verknüpfung des Herzhaften mit dem Maßvollen.“ – „Die Vernunftehe richtiger Prägung ist eine Neigungsehe mit sozialer Durchführbarkeit.“ – „Komplikationen in der Ehe kann man nicht zurechtreden, sondern nur zurechtschweigen.“ – „Man soll der Frau immer das letzte Wort, dem Mann aber die letzte Entscheidung lassen.“ – „Der Schrei nach dem Kinde wird bei der Frau nicht verstummen.“ – „Nach dem zweiten Kind hört die Gemütlichkeit auf.“ – Über die Frauen behauptet er: „Sie sagen nicht, was sie denken, und denken СКАЧАТЬ