Название: In Amerika
Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783753136028
isbn:
Unterliegen? Der Süden konnte nicht unterliegen, wie die Herren meinten; und wo sie schon so oft die nördlichen Armeen geschlagen und sogar die Hauptstadt der Union, Washington, ein paar Mal ernstlich bedroht hatten, hofften sie auch diesmal wieder auf einen Umschlag zu ihren Gunsten, der dann, weil so und so oft eingetreten, die Ausdauer des Feindes brechen und den Krieg dadurch beenden sollte: dass man ihre Rechte anerkannte und sie selber als souveräne Macht betrachtete12.
In der oberen Piazza des Hauses, im Schatten duftender Blütenbüsche, schaukelten die Damen in ihrer Hängematte, und drunten in dem Baumwollfelde, auf das die Sonne ihre sengenden Strahlen niedersandte, keuchten eben so zarte Wesen wie sie, nur mit schwarzer oder gelber Haut, von Reihe zu Reihe, und die Peitsche des Negeraufsehers oder Negertreibers, wie er ganz richtig genannt wurde, zog breite Striemen über ihre Schultern, wenn sie einen Moment ermattet in ihrer endlosen Arbeit einhielten.
Da hob sich eine Staubwolke in der Allee, die zwischen den Feldern, an dem Haus vorüber, in die Stadt führte, und lautes Lachen und Pferdegestampfe wurde von dort her gehört. Scheu aber blickten die Sklaven von ihrer Arbeit auf, denn sie wussten nur zu gut, was der Lärm bedeute; sie wussten, weshalb die „Herren“ heute Morgen ausgeritten waren und den bösen Buckra13 mit seinen schrecklichen Hunden zu ihrer Begleitung genommen hatten. Der „Farbige“ (denn die Neger nennen sich untereinander nur coloured people oder farbige Menschen), der am letzten Sonntag zu ihnen gepredigt und ihnen nur „gute Worte“ gesagt hatte, war von irgendeinem Verräter unter ihnen bei den Weißen verklagt worden und dann nur durch rasche Flucht jener Verhaftung entgangen. Was aber half dem Unglücklichen Flucht, wo sie die furchtbaren Hunde auf seine Fährte hetzen konnten. Menschliche Kräfte reichten da nicht aus, um den flüchtigen Verfolgern zu entgehen, und schon das Lachen, das aus der Staubwolke tönte, verkündete nur zu deutlich den gelungenen Fang.
Aber bald sollten sie sich auch mit eigenen Augen von der entsetzlichen Tatsache überzeugen, denn selbst der „Negertreiber“ war neugierig geworden und nach der Fenz14 zu geeilt, während die Sklaven sämtlich ihre Arbeiten einstellten und nach der nicht fernen Straße hinüberstarrten. Und dort kam der kleine Zug, voran ihr eigener Herr, Mr. Taylgrove, mit seinem Nachbar, dem wegen seiner Grausamkeit gegen seine Sklaven berüchtigten Urguard; neben diesem aber lief mit bloßen Kopf und triefender Stirn, die Arme auf den Rücken geschnürt, die Kleider nur in Fetzen an seinem Leib hängend, der unglückliche Gefangene – dann kamen die übrigen „Herren“, die sich der Jagd wie einem Vergnügen angeschlossen, unter ihnen auch der Doktor von Belleville, eine lange, hagere Gestalt mit einem bösen Gesicht und zum Überfluss auch einem schielenden Auge. Hinter diesen erst und ein Stück zurück kam der Yankee Sherard mit seinen beiden Bluthunden, diese aber fest an der Leine, so dass sie nicht selbst jetzt noch über die ihnen entzogene Beute herfielen. Sie hatten ihre Schuldigkeit getan, ihrem Herrn an dem Morgen etwa fünfunddreißig Dollar Silber, wie vorher ausbedungen, verdient, und ein Menschenleben war jetzt der Willkür dieser übermütigen Baumwoll-Barone verfallen.
Eine typische Fenz aus roh behauenen Stangen
Taylgrove sah allerdings, dass seine Neger feierten, und zu jeder anderen Zeit würde er es streng gerügt haben; unter diesen Umständen aber war es ihm vollkommen recht, denn sie gerade sollten sehen, wie die Weißen in allem, was ihr „Eigentum“ betraf, keinen Spaß verstanden und irgendeinem auch nur gemachten Versuch, sie in dessen Besitz zu stören, die Strafe auf dem Fuße folgen ließen.
Jetzt näherte sich der Zug dem Hause, auf dessen Balkon die Damen schon aufmerksam geworden. Sie waren aufgestanden und an die Rampe des Balkons getreten, und es gab kaum einen lieblicheren Anblick als diese drei reizenden Frauengestalten, wie sie dort, von Blütenbüschen und geschwungenen Ranken umgeben, herausschauten.
„Habt Ihr ihn?“, rief Mrs. Taylgrove ihrem Manne entgegen, wie sie ihn nur in Hörweite wusste.
„Ei gewiss!“, lautete der fröhliche Ruf zurück. „Die Hunde waren vortrefflich!“
„Bravo, bravo!“, riefen die beiden jungen Damen und klatschten vor Freuden in die Hände. „Und was geschieht mit ihm, Mama?“
„Was mit ihm geschieht?“, sagte die Dame verwundert, als ob darüber auch gar kein Zweifel mehr obwalten könne. „Nun, versteht sich, wird er gehangen. In jetziger Zeit müssen abschreckende Beispiele gegeben werden oder die Herren Nigger wachsen uns über den Kopf.“
„Ach, wenn wir das nur auch mit ansehen könnten“, rief Lucie, die Älteste der Töchter, „darf ich mir mein Pferd satteln lassen, Mama?“
„Dann gehe ich mit!“, rief Jenny, die Jüngste.
„Wir wissen ja noch gar nicht, wann und wo das geschieht, Kinder“, sagte aber die Mutter, „jedenfalls stecken sie den Menschen jetzt erst ins Gefängnis, sie hätten ihn sonst gar nicht mit herein gebracht und bis dahin kommt dann auch der Vater nach Hause. Hören wir nachher etwas Bestimmtes, so lasse ich anspannen und wir fahren alle zusammen.“
Die Damen folgten dem Zug mit den Augen, so lange sie den unglücklichen Mulatten in Sicht behalten konnten.
Indessen hatte der herbeigerufene Vice-Sheriff von Belleville, ein heruntergekommener Franzose, der früher ebenfalls Sklaven gehalten, dann aber Bankrott machte und durch den Trunk so tief sank, dass er zuletzt froh war, diesen Posten als quasi Gefängniswärter zu bekommen, den gebundenen Gefangenen übernommen und in seine Zelle abgeführt, und die Reiter zügelten natürlich vor dem Hotel ihre Pferde an, um dort einmal einen frischen Trunk – Claret mit Eis15 – zu tun und dabei nachher das Schicksal des Unglücklichen, oder doch wenigstens die Form, zu beraten; denn was mit ihm überhaupt geschehen müsse, darüber herrschte nicht die geringste Meinungsverschiedenheit unter ihnen. Es verstand sich von selbst, dass er gehangen wurde, aber es war trotzdem nötig, ein gewisses Verfahren dabei zu beachten, dass sich die Betreffenden nicht später den Vorwurf verübten Mordes zuzogen. Lag doch eigentlich noch nicht einmal eine Anklage gegen den Gefangenen, sondern nur eine Denunziation, noch dazu eines Negers, vor, und gerade deshalb war es nötig, die weiße Bevölkerung des Ortes zu dem Urteil heranzuziehen.
Einer Unregelmäßigkeit gegen die Gesetze machte man sich bei alle dem schuldig, denn das eigentliche Gericht saß jetzt nicht, und dem regelmäßigen Gang der Geschäfte nach hätte der Gefangene für die gesetzlichen Assisen16 aufgehoben werden müssen, aber wer kümmerte sich um die genaue Befolgung solcher Vorschriften im Krieg. Jetzt herrschte ein Ausnahmezustand, und dass sich die Pflanzer, überdies gereizt und erbittert, eine solche Gelegenheit nicht entgehen ließen, verstand sich doch von selbst.
Das Hotel de Belleville hatte früher das Sternenbanner im Schild gehabt und sich lange Jahre wohl darunter befunden. Gleich aber nach Ausbruch der Revolution, und nachdem die Rebellen bei der Einnahme von Fort Sumter17 die „Sterne und Streifen“ in den Staub geworfen und ihre eigene Flagge gehisst hatten, fand es der Wirt für unumgänglich nötig, auch sein Schild zu wechseln und vertauschte es natürlich mit der neugewählten Flagge der Sezessionisten.
Es war überhaupt das Verkehrteste СКАЧАТЬ