Название: Hugo Wietholz – ein Diakon des Rauhen Hauses – Autobiographie
Автор: Jürgen Ruszkowski
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783847686811
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Bei meiner Arbeit in der Fruchtallee, im Zinshaus meines Meisters, wohnte eine Familie, die dieser Gruppe anhing. Ich versuchte mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Was da gegen die Bibel und Gottes Wort hervorgebracht wurde, war unglaublich. Es war überhaupt nicht an sie heran zu kommen. Man spürte, diese Leute hatten so etwas, wie ein Brett vor dem Kopf. Der Stadtmissionar Dr. Witte rief zu einer Versammlung bei Sagebiel auf, um mit den Ludendorffern zu diskutieren. Der Saal in der Nähe des Gänsemarkts war brechend voll. Auch ich saß auf der Empore und schaute auf die große Versammlung. Pastor Dr. Witte versuchte, ihre Angriffe auf die Bibel zu widerlegen, aber immer wieder kamen Redner von der Gegenseite und brachten Texte aus der Bibel, ganz aus dem Zusammenhang gerissen. Man konnte mit Engelszungen reden, es half nichts, hier war eine Sperre, die man nicht beiseite bringen konnte.
Eigenartig aber war, ich war oft froh, konnte abends in die Stille des Borsteler Waldes flüchten und in meiner Bibel lesen, um die Orientierung nicht zu verlieren. Später habe ich erkannt, wie wichtig es für das innere Wachsen des Glaubens war, denn was war noch alles in der Zukunft verborgen?! Nur einer, der alles in Händen hält, kann uns bewahren. So etwas von Bewahrung erlebte ich mehrere Male.
Im Betrieb hatten wir ein Fahrrad, das für weite Entfernungen zur Kundschaft gebraucht wurde. Eines Tages bekam ich den Auftrag, etwas aus der Innenstadt zu besorgen. So fuhr ich mit dem Rad durch die Bankstraße, geriet mit dem Vorderrad in die Straßenbahnschiene und schlug hart aufs Pflaster. Da die Bankstraße eine Durchfahrtstraße zum Gemüsemarkt war, gab es hier sehr lebhaften Verkehr. Die Leute blieben stehen, als ich das verbeulte Rad aus den Schienen zog. In dem Augenblick kam mein Vater, der damals bei seinem Vater in der Bankstraße arbeitete, die Straße entlang und sah seinen Sohn inmitten einer Menschenansammlung stehen. Zum Glück hatte ich keine nennenswerten Verletzungen, und so war auch mein Vater froh und gab mir einen Wink, schnellstens mit dem ramponierten Rad zu verschwinden. Mein Meister sagte auch nicht viel, auch er war froh, dass es noch so gut abgegangen war. Das Rad wurde dann in unserer Werkstatt repariert.
Mit Fahrrädern hatte ich überhaupt so einiges am Hut. Als ich genug Taschengeld gespart hatte, kaufte ich mir ein gebrauchtes Rad. Daran hatte ich nicht viel Freude, denn es gab dauernd Reparaturen. Einmal hatte der Meister den Gesellen und mich mit einer Karre voll Zement zu seinem Haus in der Fruchtallee geschickt. Mein Altgeselle konnte auch Wände verputzen und ich lernte es von ihm. Wir hatten dort aber auch einiges im Garten zu tun, und dabei entdeckte ich unter der Veranda, ein altes, rostiges Opelrad. Ich fragte den Eigentümer, ob ich es haben dürfte. Nach einer zustimmenden Antwort zog ich glücklich damit nach Hause. Nach einiger Zeit hatte ich es auf Vordermann gebracht. Jetzt konnte ich zur Arbeit radeln, das war doch eine große Erleichterung.
An einem Sonntagmittag kam ich auf den Gedanken, mit dem Rad nach Kiel zu fahren, um dort das Meer zu sehen. Spät kam ich da an, musste aber gleich den Heimweg wieder antreten, damit ich wenigstens bis Mitternacht wieder zu Hause sein würde. Als ich Quickborn erreicht hatte, ging nichts mehr, mein Hintern hatte Hornhaut, nun mussten mal die Füße dran glauben. Kaputt und zerschunden erreichte ich mein Ziel und bin halb tot ins Bett gefallen. Meine Eltern haben nur den Kopf geschüttelt: Was ist das nur für ein verrückter Jung. Der nächste Arbeitstag ist mir recht schwer gefallen, vor Müdigkeit wäre ich fast von der Trittleiter gefallen.
Wenn wir mal einen Auftrag für das Cafe Lehfeld am Schulweg bekamen, freuten wir uns, denn vielleicht fiel ja mal ein Stück Kuchen für uns ab. Groß war die Enttäuschung, als der Chef in der Backstube uns nicht von der Seite wich, so konnte uns kein Geselle etwas zustecken. Einmal wurde uns diese Aufpasserei zu dumm. Als es Mittag wurde, gab mir der Geselle etwas Geld, um in einer naheliegenden Bäckerei einige Brötchen zu holen. Die verzehrten wir nun vor den Augen des alten Geizkragens.
Wie ganz anders war der Chef in einer Schokoladenfabrik. Nach getaner Arbeit, bekam man ein Paket mit Bruchschokolade. Zu dieser Arbeitsstelle bin ich besonders gern gegangen, denn Süßigkeiten hatten es mir schon immer angetan. Wenn es das Taschengeld erlaubte, habe ich mir später sonnabends eine Tafel Schokolade gegönnt.
Nun muss mal wieder die Rede vom CVJM sein. Unsere Eppendorfer Gruppe war sehr stark geworden. So kam der Plan auf, doch in Eppendorf eine Zweigabteilung zu gründen. Bis der Plan aber ausgereift war und sich ein Leiter fand, ging noch viel Wasser die Elbe runter. Für ein Ferienlager in Sarow am Müggelsee wurde geworben, und bald war eine Gruppe zusammen, die am Lager teilnehmen wollte. Es war eine Bibelfreizeit mit vielen anderen jungen Leuten. Nicht viel ist davon bei mir haften geblieben, nur ein neues Erweckungslied, das damals aufkam. Später wurde mit der Gruppe Berlin besucht. Wir fuhren mit einem Doppeldeckerbus und hatten von oben eine herrliche Aussicht. Natürlich wurde das CVJM-Haus in der Wilhelmstraße besucht, in dem der Rittmeister Rothkirch so segensreich gewirkt hatte.
Nach den kurzen Ferientagen gab es im Beruf allerlei zu tun. Jetzt war ich im 3. Lehrjahr, und der Meister konnte mich schon allein zur Kundschaft schicken. Ein neuer Lehrling war eingetreten. Das war ein Windbeutel, der seine Ausbildung nicht ernst nahm, was sich dann nach 4 Jahren zeigte. Wenn ich ihm eine Arbeit in die Hand gab, war die so mies ausgeführt, dass man es noch einmal machen musste. Ich sagte ihm, wenn er sich keine Mühe gebe, könne ich ihn nicht zur Kundschaft mitnehmen.
In der Schule wurde tüchtig auf die Gesellenprüfung hin gearbeitet. Unser Lehrer Meyer hatte immer einen besonderen Ausspruch: „Junge Leute, wir müssen die Prüfungshürde nehmen.“ Für die Prüfung gab es bestimmte Verordnungen. In der Schule wurde die Prüfung über vier Stunden abgehalten. In der Innungswerkstatt mussten dann unter Aufsicht eines Prüfungslehrers aus Abflussrohr und Wasserleitung besondere Sanitärteile hergestellt werden. Die Lötstellen auf dem Bleimaterial mussten besonders sauber gelötet sein. Und dann kam das Gesellenstück, das auch ansprechend sein sollte. Ich entschied mich für einen Dokumentenkasten aus Weißblech. Diese Arbeit durfte in der Werkstatt meines Meisters hergestellt werden. Manchmal werkte ich bis spät in den Abend an diesem Stück. Der Kasten musste ohne Fehler und Kratzer erstehen, damit er vor der Prüfungskommission bestehen konnte. In der Innungswerkstatt wurden meine Sanitärteile aus Blei, ein Abflussbogen mit T-Stück und eine Wasserleitungsabzweigung, gut zensiert.
Dann kam der theoretische Teil der Prüfung. Bevor die Hefte mit den Prüfungsaufgaben verteilt wurden, sagte ein Lehrer: „Jetzt wird sich die Spreu vom Weizen scheiden.“ Nach der Prüfung zeigte sich, dass gerade seine Favoriten, die Meistersöhne, schlecht abgeschnitten hatten. In dieser Klasse war überhaupt nur ein Schüler mit dem ich guten Kontakt hatte, und der war auch der christlichen Botschaft gegenüber nicht ablehnend.
Einmal hatten wir eine Auseinandersetzung mit einem anderen Schüler. Wir gingen zusammen durch die Michaelisstraße. Er wollte nicht einsehen, dass die Welt vergänglich ist und der Mensch mehr braucht, als das, was er sieht. Ich weiß noch heute, dass von mir der Einwand kam: „Und wenn dies alles einmal in Schutt und Asche fällt?“ Ich ahnte nicht, dass es 1943 die Michaelisstraße nicht mehr geben würde, die Bomben sorgten dafür.
Als die Prüfungen abgeschlossen waren und das Gesellenstück bei der Innung hinterlegt war, hörten wir, die Prüfung sei bestanden. Die Auslieferung der Gesellenstücke würde noch vor dem 1. April 1927 geschehen.
Doch für mich kam erst der 15. März 1927. Vater war krank, er wollte aber doch zur Arbeit gehen. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er aus dem Bett kam und in der Küche versuchte, seine Arbeitshose anzuziehen, was ihm aber nicht gelang. Mutter machte sich große Sorgen und schickte mich zu unserem Hausarzt Dr. Meyer, der seine Praxis in der Eppendorferlandstraße hatte, er solle schnell kommen.
Von dort ging ich weiter zur Arbeit. Ich bekam den Auftrag, in der Bornstraße das Treppenlicht nachzusehen. Wie ich feststellte, hatte es einen Kurzschluss durch eine Glühbirne gegeben. In der 2. Etage ließ ich mir von einem Nachbarn eine Trittleiter geben und schraubte die Glaskuppel ab. Ich stellte sie fest auf die oberste Sprosse der Leiter und schraubte eine neue Glühbirne ein. Ohne die Glaskuppel berührt zu haben, fiel sie СКАЧАТЬ