Oh je, Herr Carlowitz. Michael Wühle
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Название: Oh je, Herr Carlowitz

Автор: Michael Wühle

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная деловая литература

Серия:

isbn: 9783738075274

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СКАЧАТЬ damit die Gedanken von Carlowitz auf. Ökologisch nachhaltig ist eine Lebensweise, die die natürlichen Lebensgrundlagen nur in dem Maße beansprucht, wie diese sich regenerieren.

       Ökonomische Nachhaltigkeit: Eine Gesellschaft sollte wirtschaftlich nicht über ihre Verhältnisse leben, da dies zwangsläufig zu Einbußen der nachkommenden Generationen führen würde. Allgemein gilt eine Wirtschaftsweise dann als nachhaltig, wenn sie dauerhaft betrieben werden kann.

       Soziale Nachhaltigkeit: Ein Staat oder eine Gesellschaft sollte so organisiert sein, dass sich die sozialen Spannungen in Grenzen halten und Konflikte nicht eskalieren, sondern auf friedlichem und zivilem Wege ausgetragen werden können.

      So, nun habe ich eigentlich alle wesentlichen Dinge aufgeführt, die zur Bestimmung des Begriffs Nachhaltigkeit notwendig sind.

      Zufrieden?

      Nicht wirklich. Ich auch nicht. Nachhaltigkeit ist ein so komplexer Begriff, dass reines Faktenwissen nicht ausreicht. Dummerweise ist der Begriff Nachhaltigkeit nicht, oder nur teilweise selbsterklärend. Mein langjähriger Englischlehrer hat mir gesagt, dass der englische Begriff „Sustainability“ in einem viel höheren Maße für Menschen mit englischer Muttersprache selbsterklärend ist, als für Deutschsprachige dieses etwas hölzerne und schwerfällige Wort Nachhaltigkeit.

      Ich möchte ihnen daher eine kleine Geschichte erzählen, die einen einfachen und besseren Zugang zum eigentlichen Wesen der Nachhaltigkeit ermöglichen soll, als tausend weitere Daten und Fakten.

      Diese Geschichte ist frei erfunden, könnte jedoch so stattgefunden haben. Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit gemacht habe kommen darin genauso vor, wie die damaligen Verhältnisse, die Carlowitz im 18. Jahrhundert wahrscheinlich vorgefunden hat. Ich nehme dabei die Rolle eines Schreibers namens Felix ein (den es meines Wissens im Leben von Carlowitz nicht gegeben hat), der als Studiosus dem ehrwürdigen Hans Carl von Carlowitz bei der Verfassung seiner Sylvicultura oeconomica zur Hand geht und dabei die Gelegenheit hat, alle möglichen gescheiten und dummen Verständnisfragen zu stellen.

      Also, nun geht die Geschichte los. Wir befinden uns in sächsischen Freiberg, anno Domini 1714, im Studierzimmer von Carlowitz, dem zentralen Raum eines ehemaligen Burgturms, den ihm der sächsische Kurfürst geschenkt hat.

      Felix sitzt an einem kleinen Holztisch in dem geräumigen Turmzimmer und klappt gerade das große Buch zu, an dem er auch heute wie an jedem Tag geschrieben hat. Heute sind sie nun endlich nach vielen Wochen und Monaten fertig geworden und Felix ist froh, denn seine Finger haben in letzter Zeit vom vielen Schreiben doch sehr geschmerzt. Er drückt die Schultern zurück und dehnt sich ausgiebig.

      Felix dreht das große Buch um und sieht sich den Titel auf dem Einband an:

      SYLVICULTURA OECONOMICA

      oder

      Hausßwirthliche Nachricht und Naturmäße

      Anweisung

      zur

      Wilden Baum-Zucht

      Felix erinnert sich, dass er allein für diese erste Seite viele Tage arbeiten und oft wieder von vorne anfangen musste. Er musste die Buchstaben mehr malen als schreiben und das war sehr mühsam. Aber jetzt, zumindest für heute ist Schluss, Feierabend.

      Irgendwas stört Felix jedoch. Etwas fehlt ihm noch. Er blickt auf und schaut auf die abendliche Landschaft, die in diesem Frühsommer vom Grün der Bäume nur so strotzt. Es ist ein Grün, das beinahe schon in den Augen weh tut. Die großen Fenster sind zum Teil geöffnet und warme Luft streicht durch den Raum. Der Raum ist angefüllt mit Zeichnungen und Skizzen, die an die Wand genagelt sind, auf Staffeleien stehen, oder einfach unordentlich am Boden liegen. Sie zeigen Bergwerksstollen, Werkzeuge und Maschinen zur Metallgewinnung und viele, viele Zeichnungen von Bäumen. Baumschösslinge wie sie gepflanzt und vor Wildverbiss geschützt werden. Bäume, wie sie gefällt, zersägt und gelagert werden. Darunter auch Traktate über das Aussehen und den Geschmack verschiedener Erden und Listen über die Anzahl gefällter und gepflanzter Bäume. Es ist ein Raum, in dem ganz offensichtlich fleißig gearbeitet wird.

      Vor dem Treppenabgang wölbt sich der gute alte Kachelofen, der in so manchen Wintertagen das Schreiben mit verkrampften und schmerzenden Fingern gerade noch erträglich gemacht hat.

      Neben dem Ofen steht der mit rotem Samt gepolsterte Lehnstuhl seines Meisters Hans Carl von Carlowitz. Wie dieser so dasitzt, in der einen Hand die Pfeife, aus der Tabakqualm zur Decke steigt, in der anderen Hand ein zerfleddertes Buch haltend, wirkt er auf Felix sehr entspannt und wohl gelaunt. Sein Meister ist ein alter Mann mit 68 Lenzen. Die offizielle Perücke hat er über eine Stuhllehne geworfen. Mit seinem runden und gerötetem Gesicht, dem kurzen grauen Haar und der edlen aber abgenutzten Kleidung wirkt er eher wie ein Universitätsprofessor als wie ein mächtiger Beamter Sachsens.

      Felix denkt daran, dass sein Meister, der hoch geachtete Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz, zuweilen recht jähzornig sein kann und es vielleicht besser wäre nichts zu sagen. Doch er weiß nun, was ihn die ganze Zeit so stört und seine Gedanken nicht zur Ruhe kommen lässt und so fasst er sich ein Herz und spricht seinen Meister an. „Meister, darf ich Euch etwas fragen?“ Carlowitz reagiert nicht und Felix wiederholt seine Frage deutlich lauter. „Kannst Du mich denn nicht einen Augenblick ungestört lesen lassen?“ antwortet diesmal der Gefragte.

      (Carlowitz hatte mit dem Alter immer stärker zu nuscheln begonnen und so musste sich Felix immer sehr beim Zuhören anstrengen und oft auch raten, was sein Meister denn gerade gesagt hat. Diesmal war die Antwort jedoch laut und verständlich, wenn auch nicht besonders ermutigend. Felix machte trotzdem weiter.)

      „Meister, ich habe Euer Werk wie von Euch diktiert niedergeschrieben, aber mir ist vieles nicht klar und manches verstehe ich überhaupt nicht“. „Das wundert mich nicht“ grummelte Carlowitz „denn dass Du nicht der Gescheiteste bist, weiß ich schon lange. Aber sei´s drum, heute bin ich mal großzügig. Was willst Du wissen, aber fasse Dich kurz und rede laut und deutlich“.

      Felix schob nervös das vor ihm liegende Buch auf der Tischplatte hin und her, schlug es dann auf und blätterte eine Weile ziellos darin herum. Schließlich hatte er sich so weit gefasst, dass er seine erste Frage stellen konnte. „Ihr schreibt in Eurem Werk, dass es eine große Holznot gäbe. Dass die Bergwerke kein Holz mehr für neue Stollen haben, dass die Schmelzöfen kein Holz mehr haben, um das Erz zu Eisen zu schmelzen, Ihr sagt, dass wir nachhaltig mit dem Sach umgehen müssen. Was meint Ihr damit? Wenn es bei uns kein Holz mehr gibt, dann können wir es doch bei den Baiern oder Tyrolern kaufen?“

      Carlowitz schaute seinen jungen Schreiber mit einer Miene an, als müsste er einer Katze erklären, wozu Mausefallen da sind. Er rollte seine Augen und blickte zur steinernen Decke empor: „Lieber Herrgott, mit welchem Trottel hast Du mich armen Sünder da geschlagen!“ rief er aus. An Felix gewandt sagte er. „Hast Du denn die ganze Zeit nicht aufgepasst? Tagelang, wochenlang habe ich Dir alle Einzelheiten diktiert. Schreibst Du nur blöde ab, oder denkst Du auch mal mit?“ Dabei schlug er mit seiner Faust auf die Stuhllehne, dass es nur so krachte.

      Sein Meister sprang mit einer raschen Bewegung, die Felix ihm nicht zugetraut hätte, von seinem Lehnstuhl auf. Er lief im Sturmschritt auf den Tisch zu, an dem Felix saß und sich vergeblich bemühte, in seinem Stuhl zu verkriechen. Vor dem Tisch blieb Carlowitz stehen, legte die Hände auf seine Hüften, wohl damit sie nicht etwas Drastisches anstellen können, funkelte Felix wütend an und begann dann auf ihn einzureden.

      „Einmal, ein einziges Mal werde ich versuchen, Deinem dummen Schädel einzubläuen, СКАЧАТЬ