Oh je, Herr Carlowitz. Michael Wühle
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Название: Oh je, Herr Carlowitz

Автор: Michael Wühle

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная деловая литература

Серия:

isbn: 9783738075274

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СКАЧАТЬ wirst Du mich wirklich wütend erleben!“ Felix war schon fast unter der Tischkante verschwunden und nicht in der Lage, seinem Meister zu sagen, dass er sehr aufmerksam zuhören werde.

      Carlowitz funkelte ihn noch einige Momente an, wohl um zu überprüfen, ob da von Felix Seite noch irgendwelche Widerworte kämen. Als er sicher sein konnte, dass er die volle Aufmerksamkeit des verängstigten Jünglings hatte, begann er mit der Erklärung seiner Begriffe in einer Art und Weise, die Felix vermuten ließen, dass er diese Rede eigentlich für ein anderes Publikum vorbereitet und schon öfters vorgetragen hatte:

      „Wie also ein jeder, außer Felix, in diesem Lande Sachsen weiß, herrscht seit etlichen Jahren eine große Not an Holz. Holz braucht ein jeder Mensch. Aus Holz machen wir Dächer, Werkzeuge, Kutschen, Gebrauchsgegenstände aller Art, wir stützen die Stollen unserer Bergwerke damit und vor allem brauchen wir es, um unsere Öfen zu heizen und unser Erz zu verhütten. Denn das ist der nie versiegende Reichtum unseres Landes. Wir haben Gott sei Dank genügend Gold, Silber, Eisen, Buntmetalle und Mineralien im Fels unserer Berge. Deswegen haben wir immer mehr Holz geschlagen, um zu diesen Schätzen zu gelangen und inzwischen sind unsere meisten Wälder kahl. Neu gepflanzte Bäume brauchen lange Zeit, um zu wachsen und groß zu werden, mindestens so lange bis du ein alter Mann bist, bis man sie fällen und verarbeiten kann. Nur mit Holz für die Stollen und Gänge im Berg, nur mit Holz zum Schmelzen der Erze können wir diese Reichtümer unseres Landes abbauen, deshalb ist Holz ebenfalls der Schatz unseres Landes. Wir müssen unsere Wirtschaft daher so einrichten, dass es keinen Mangel an Holz gebe und dass genutzte Flächen sofort verjüngt werden. Hast Du das bis dahin verstanden, dummer Bub?“

      Felix nickt heftig mit seinem Kopf und sein Meister fährt fort. „Viele meinen nun, den Nachwuchs des Waldes könne und müsse man der gütigen Gottesnatur allein überlassen. Diese Leute ziehen den Sinn von Säen und Pflanzen in Zweifel, zudem sei es profitabler, die Kahlflächen in Äcker und Weiden umzuwandeln.

      Aber die Waldsaat ist nichts wirklich Neues, bereits die alten Römer haben in ihrem mächtigen Weltreich Bäume gesät und gepflanzt. Ohne immerwährenden Holznachschub hätte es kein Imperium Romanum gegeben, soviel steht fest.

      Schon jetzt gibt es bei uns in Sachsen Versorgungsprobleme und das Holz braucht 100 Jahre zum Reifen. Wenn dann aus der Not heraus jüngere Bäume gefällt werden, führt das zur Verwüstung und Zerstörung der reifenden Wälder.

      Aber wie meist im Leben handeln die Menschen erst dann, wenn ihnen das Wasser bis zum Halse steht und da sind wir nun angelangt, denn der Holznachschub ist bei uns nun sehr knapp geworden. Jeder Fürst, jeder Grundbesitzer, Bauer und Hausvater sollte also überall Bäume pflanzen, wo Feldbau nicht ertragreich ist. An Ufern von Bächen und Flüssen, in Gräben, auf Weiden und anderswo. Bäume sind ein Schatz und Kleinod eines Landes und die Wälder sind seine Vorratskammer, die aber gepflegt werden muss. Es braucht Können, Wissen und Fleiß, um Holz richtig anzubauen und zu erhalten, damit es eine dauerhafte, beständige und nachhaltende Nutzung gibt, denn Holz ist unentbehrlich und die Landeswohlfahrt hängt davon ab.

      Auch Importe aus anderen Ländern wie Tyrol, Baiern oder Italia führen nicht weiter, sie wären sehr teuer, nicht wirtschaftlich, nicht nachhaltig. Zudem bedroht der Holzmangel bereits ganz Europa. Es gibt also nur einen Weg und das ist Säen und Pflanzen von Bäumen. Wenn wir den mageren jährlichen Ertrag aus Feldfrüchten bei uns im Erzgebirge mit dem Ertrag vergleichen den wir in 50 Jahren aus Holz erzielen können, dann ist letzterer mit vielen tausend Talern unvergleichlich höher.

      Unsere Grundbesitzer und Betriebe haben das Können um Holz richtig zu verarbeiten und unser allergnädigster Landesfürst wird schon dafür sorgen, dass sie mit dem nötigen Fleiß bei der Sach sind. Das Wissen, wie die Waldsaat geht und wie Bäume nachhaltig gepflanzt, gepflegt und genutzt werden, dieses Wissen haben wir nun aufgeschrieben. Es steht jetzt allen zur Verfügung, die Baumzucht betreiben und Wälder nachhaltig nutzen wollen.“

      Carlowitz holt tief Luft und sieht seinen Lehrling aufmerksam an. „Hast du jetzt verstanden, warum wir uns hier plagen und woran wir arbeiten?“ Es ist klar, dass der Meister jetzt eine Antwort von Felix will. Entgegen zu vielen anderen ähnlichen Situationen in der Vergangenheit hat Felix aber diesmal keine Angst vor der Antwort, denn nun versteht er die Zusammenhänge.

      „Ja Meister, ich hab´s kapiert. Nur wenn wir jetzt genügend Bäume pflanzen, dann haben auch unsere Kinder genügend Holz zum Bauen, Heizen und Erzabbau und sie müssen es wiederum unseren Enkeln lernen, damit es immer so weitergeht. Dann haben wir einen immerwährenden, nie versiegenden Quell für Reichtum und Wohlstand. Und auch wir haben zu Lebzeiten einen Lohn vom Pflanzen und Sähen. Wir können einen Teil der jährlich ausschlagenden Stöcke der jungen Bäume ernten, die immer wieder nachwachsen und haben so unseren Nutzen.“

      Da ging ein sanftes Lächeln über das Gesicht von Carlowitz und er sah sehr zufrieden aus. Er hatte aus den Worten seines Lehrlings Felix das Echo seiner Worte gehört und das Verständnis von Felix bemerkt. Er wusste nun, dass hier, an diesem Tag und an dieser Stelle etwas Nachhaltiges passiert war. Er hatte die Saat seiner Wissenschaft in seinem jungen Lehrling aufgehen sehen und war sich in diesem Moment sicher, dass diese Saat ihre Früchte tragen würde. „Gut, gut“, murmelte er, „ich glaub, du hast es jetzt verstanden“ und ging deutlicher entspannter als zuvor zu seinem Lehnstuhl zurück, zündete seine Pfeife neu an und vertiefte sich wieder in die Lektüre seines Buchs.

      Felix ist auch hochzufrieden mit allem, was er heute erfahren, was er heute gelernt hat. Nun ist aber wirklich Feierabend. Gähnend und mit sich im Reinen steht er auf, denkt an die Schenke unten im Dorf, an die guten Würste, das gute Bier und die hübsche Wirtstochter, die er so gerne ansieht. Er geht flotten Schrittes die Turmtreppe herunter und denkt nicht mehr an seinen Meister, oder an die Forstwirtschaft, sondern an den schönen Abend mit seinen kleinen Vergnügungen.

      Das war sie nun, meine fiktive Geschichte über Carlowitz und seinen taffen Studiosus. Hat sie ihnen gefallen? Ich hoffe doch!

      Durch meine Recherchen über Carl von Carlowitz, seine Zeit und deren Herausforderungen habe ich wieder eine Menge über Nachhaltigkeit gelernt. Ich meine damit nicht das Faktenwissen, sondern die emotionale Komponente, die ich mit meiner kleinen Geschichte versuche einzufangen. Dieser emotionale Zugang zur Nachhaltigkeit, die unseren englischsprachigen Freunden anscheinend schon muttersprachlich in die Wiege gelegt wird, dieses Gefühl brauchen wir, um Nachhaltigkeit wirklich leben und umsetzen zu können.

      Es ist das Gefühl, das wir haben, wenn wir unsere Hand auf die Borke eines alten Baums legen. Sie wissen was ich meine.

      Oh je, Herr Carlowitz möchte man fast sagen, wenn wir uns in seine Zeit und seine Probleme hinein versetzten. Er hatte eine gigantische Aufgabe vor sich, die langfristige Strategien verlangte und die vor allem in die Köpfe der Menschen gepflanzt werden musste.

      Gut, damit sind wir nun auch emotional im Thema angekommen. Wir erkennen und akzeptieren, dass unsere Gefühle, unsere Emotionen der unverzichtbare Kitt ist, der die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit zu einem Objekt, zu einer Einheit verschmilzt, das ein sehr mächtiges Potenzial in sich trägt. Auch Carlowitz wäre mit seinem revolutionären neuen Konzept einer „Wilden Baumzucht“ nicht weit gekommen, wenn er seine Mitmenschen nicht gewonnen hätte. Allein der Befehl seines Landesfürsten hätte sicherlich nicht gereicht. Daher sollten wir uns nun der Frage zuwenden, warum Nachhaltigkeit gerade im Zeitalter der globalen Erwärmung und der damit verbundenen Emotionen zu einem unverzichtbaren Werkzeug bei der Abfederung der Folgen wird.

      Bevor wir diese Frage gemeinsam beantworten können, müssen wir uns noch vor Augen führen, dass Menschen am einfachsten auf einen neuen Weg mitgenommen werden können, wenn wir das Ziel und das Ergebnis am Ende dieses Wegs visualisieren können. Wenn wir ein Bild dessen, was wir wollen anschaulich darstellen, dann folgen uns auch die Menschen.

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