Название: Heilung - Plädoyer für eine integrative Medizin
Автор: Peter Maier
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783752952759
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Sechs Wochen wird die Narbenbildung dauern, zwei Wochen lang hüte ich das Bett und werde von meiner Frau liebevoll gepflegt. Dabei habe ich genügend Zeit, über das ganze Geschehen nachzudenken. Hat denn auch der Leistenbruch etwas mit dem „Besuch“ der Ameisen und ihrer Botschaft vom „Abfallen“ alter seelischer Themen zu tun?
Ich lasse mich überraschen, was während der Raunächte, also in der Zeit von Weihnachten bis Dreikönig, so alles hochkommen wird in mir. Diese Zeit unmittelbar nach der Wintersonnwende erscheint mir geradezu prädestiniert dafür, Gedanken und Gefühle in mir hochsteigen zu lassen, die dem Verstand womöglich als unlogisch, unsinnig oder als irrational erscheinen mögen. Das jedoch empfinde ich als große Chance, vielleicht auch gerade deshalb, weil ich zunächst sehr hilflos daliegen muss. Ich habe viel Zeit zum Nachdenken. Mein ganzes bisheriges Leben läuft wie in einem Film vor meinem inneren Auge ab, vieles kommt mir in den Sinn...
Ich lasse all diesen Gedanken freien Lauf und notiere sie in meinem Tagebuch. Zu den Begriffen „Leistenbruch“ und „Operations-Schnitt“ kommen mir jetzt eine ganze Menge von Assoziationen:
Bruch – Aufbrechen von etwas, Aufbruch (zu etwas Neuem);
Leistenbruch – Leistungsbruch, Bruch mit der Leistung und mit dem Leisten-Müssen;
Bruch mit der bisherigen Lebenseinstellung und mit dem gewohnten Weltbild;
Bruch des bisherigen Lebenskonzeptes, das fast ausschließlich von Beruf und Leistung geprägt war;
Bruch mit dem Alten – mit der Vergangenheit und mit gewohnten Lebensbestimmungen;
Abbrechen und „Abfallen“ von etwas Altem;
Einbruch (des Darms in die Leiste) und Einbruch in mein gewohntes Leben;
Umbruch, Durchbruch (zu etwas Neuem);
Aufschneiden, Einschnitt, Lebens-Einschnitt;
Initiations-Schnitt, Übergangs-Schnitt (zu etwas Neuem), „Cut“ mit dem Bisherigen.
Ein Gedanke setzt sich mir jetzt immer stärker in den Kopf: Da ich mit bald 65 Jahren schon beinahe an das Ende meiner beruflichen Tätigkeit gelangt bin, kann ich mir den „Bruch“ in der Leiste, vielmehr aber den Bruch mit dem bisherigen Leistungs-Lebenskonzept endlich „leisten“. Dieser Gedanke ist für mich nicht nur ein billiges Wortspiel, sondern ich gehe damit immer mehr in Resonanz.
Wovon war denn bisher mein Leben so bestimmt? Und warum hatte die Arbeitsleistung so einen übermäßigen Stellenwert für mich? Ist es jetzt Zeit, dass etwas von dem Alten, Bisherigen von mir „abfällt“? Was könnte das konkret sein? Eine neue gedankliche Welt tut sich mir nun auf. Und schon wieder kommt mir das Ameisen-Thema vom „Abfall“ und vom „Abfallen“ in den Sinn. Ihre Begegnung war eine Vision. Jetzt wird ihre Botschaft durch das, was mir widerfährt, immer mehr eingelöst, also von der Wirklichkeit eingeholt. Ich muss nur verstehen lernen, was auf der Seelenebene alles von mir abfallen soll oder abfallen will. Und da kommen mir Erinnerungen aus der Kindheit mit meinem Vater hoch...
(2) Ein geistiger Kampf wirkt sich körperlich aus
Mein Vater war erst 16 Jahre alt, als mein Großvater 1943 nach langer Krankheit starb. Schon als 15-Jähriger hatte mein Vater den landwirtschaftlichen Betrieb sowie den Viehhandel alleine stemmen müssen. Er war der einzige Ernährer in seiner Familie, die damals aus seiner Mutter, ihm selbst und noch zwei Schwestern bestand. Dazu kamen die Kriegswirren und die immer größere Not auch der Landbevölkerung. Existenzangst war das, was mein Vater am meisten kannte. Darum war es sein Ziel, nach dem Krieg zur Existenzsicherung einen großen Bauernhof aufzubauen und nach und nach eine immer größere landwirtschaftliche Fläche zu erwerben.
Hingabe an den Vater
Von Kindheit an bewunderte ich meinen Vater, ich eiferte ihm nach, wollte werden wie er. Er war damals mein Held. Aber ich teilte auch seine Ängste – vor Diebstahl, vor der starken Konkurrenz im Viehhandel und vor einem erneuten Hofbrand, der die ganze Existenz vernichtet hätte wie schon einmal 1956. Da ich der Erstgeborene bin, war ich als Hoferbe vorgesehen und ich identifizierte mich total mit dieser Rolle. Ich konnte mir damals gar nichts anderes vorstellen.
Als sensibler Junge spürte ich die permanenten Existenzängste meines Vaters, je älter ich wurde um so deutlicher. Daher beschloss ich 1964 in einem Anfall von kindlichem Größenwahn, meinem Vater zu helfen und ihm auf „ewig“ zu dienen – mit all meiner Kraft, meiner Leidenschaft, meiner Energie und mit meiner Liebe zum Vater. Dieser Beschluss war mir todernst, er wurde zu einem heiligen Gelübde für mich, von dem jedoch nur ich allein etwas wusste. In meiner kindlichen Naivität war ich überzeugt, dass Schicksal und Wohl meines Vaters, sowie des ganzen Bauernhofs von mir und von dieser meiner Entscheidung abhängen würden. Jeden Tag half ich im Stall, das Vieh zu versorgen, das morgens und abends gefüttert werden musste; alle Schulferien verbrachte ich aus demselben Grund ausschließlich auf dem Bauernhof.
Daher war es für mich ein Schock, als mich eines Tages im Frühjahr 1965 der Lehrer in der fünften Volksschulklasse ganz unvermittelt fragte, ob ich denn jetzt nicht auf eine höhere Schule gehen wolle. Das nächste Gymnasium lag 31 Kilometer entfernt. Da ich diese Frage nicht beantworten konnte, schickte mich der Lehrer kurzerhand während des Unterrichts nach Hause, um meinen Vater zu konsultieren. Dieser gab zu, dass er kürzlich so beiläufig mit meinem Lehrer über mich und meinen beruflichen Werdegang gesprochen hatte. Davon wusste ich aber nichts. Mein Vater hatte nämlich plötzlich meinen um vier Jahre jüngeren Bruder zum Hoferben bestimmt. Ich bekam einen großen Schreck, sah ich doch meine zukünftige Rolle als Hoferbe gefährdet, mit der ich mich seit langem leidenschaftlich identifiziert hatte.
Nachdem ich alle Berufsvorschläge des Vaters – Metzger, Maurer, Bäcker, Zimmermann – vehement abgelehnt hatte, beschloss mein Vater, mich gegen meinen Willen aufs Gymnasium zu schicken. Dies bedeutete jeden Tag 62 Kilometer Fahrstrecke – 31 Kilometer hin und 31 Kilometer wieder zurück. Damit war meine Kindheit zu Ende, denn ich musste die gewohnte, vertraute und geliebte Umgebung des Bauernhofes verlassen.
Fatale Verstrickung mit dem Vater
Als mich mein Vater zu Beginn der siebten Klasse wegen schwacher schulischer Leistungen kritisierte, beschloss ich in einem einzigen Moment, es ihm so richtig zu zeigen und ihm ein für alle Mal das Kritiker-Maul zu stopfen. Ab jetzt lernte ich Tag und Nacht für die Schule – sieben Jahre lang. Auch dieser zweite Beschluss, aus Kränkung und Wut getroffen, war mir todernst und betraf wieder meinen Vater. Erneut wusste nur ich allein von diesem geheimen Gelübde. Zugleich half ich weiterhin mit, das Vieh im Stall zu versorgen und alle meine Ferien mit Arbeit auf dem Hof und den Feldern zu verbringen. Mein Leben bestand also nur aus Arbeiten auf dem Bauernhof und Lernen fürs Gymnasium. Ein „natürliches“ Leben als Jugendlicher gab es nicht mehr für mich.
Ich schaffte ein gutes Abitur und beschloss, Gymnasiallehrer zu werden. Auf diese Weise konnte ich weiterhin „Landwirt“ sein – wenn auch auf einer geistigen Ebene. Denn als Lehrer säe ich ständig geistiges Wissen und Werte in die Köpfe und Herzen meiner Schüler. Die beiden Beschlüsse (Gelübde) aus der Kindheit gerieten natürlich immer mehr in Vergessenheit. Den Hof bewirtschaftet mittlerweile seit über zwanzig Jahren mein jüngster Bruder Vieh-los und im Nebenerwerb, und ich habe mir längst eine eigene Existenz aufgebaut – fern meiner ursprünglichen Heimat.
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