Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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wie er es vernahm, schauderte ihm, und sprach: Nur
einmal noch muß ich mein Uhrwerk sehen, möcht
etwan noch was daran bessern, denn ich's später nicht
mehr vermag, wenn ich nicht sehend bin. Das wurde
ihm vergönnt, und dann stieg der Meister zu seinem
künstlichen Bau hinauf und trat hinein und schaffte
was darin, eine kurze Weile. Und hernach haben sie
auf dem Rathaus den Meister des Augenlichts beraubt.
Aber siehe – da stockte mit einem Male das
Uhrwerk. Christus und der Tod und die Alter der
Menschen wandelten nicht mehr, das Glockenspiel
verstummte, der Hahn krähte nicht, die Uhrglocken
tönten nicht, der Zeigerdrache zeigte nicht, die Götter
fuhren nicht mehr – alles stand. Bald aber nach der
grausamen Tat wurden Meister Habrechts geblendete
Augen aufgetan zum ewigen Licht – und vergebens
sendete der Rat nach Künstlern umher, die das Uhrwerk
wieder in Gang bringen sollten. Viele kamen,
viele probten und pösselten daran und darin herum,
keiner bracht's in Gang, von alter Zeit zu neuer Zeit,
immer wieder – sie verdarben mehr, als sie gut machten,
und so steht im Münster das Uhrwerk heute noch,
wunderbar anzuschauen, aber ungangbar, und die Zeiger
zeigen noch Tag und Stunde, an denen so grauenhafte
undankvolle Untreue an dem kunstreichen Meister
verübt ward.
38. Straßburger Schießen und Zürcher Brei
Im Zeughaus zu Straßburg wird ein eherner Topf gezeigt,
den sandte einstmals die Stadt Zürch voll Brei
dahin, den sie in Zürch gekocht und der noch warm in
Straßburg ankam, das begab sich also. Die Straßburger
hielten großes Freischießen und luden dazu ein
alle Nachbarstädte am Rhein, in der Rheinpfalz, im
Elsaß und in der Schweiz, die kamen auch durch Gesandte
zahlreich und nahmen teil am Feste; am weitesten
hatten freilich die Schützen von Zürch, drei Tagereisen.
Da war zu Zürch ein wackerer Kumpan, der
hieß Hans im Weerd, und sann ein lustig Stücklein
aus. Wir wollen gen Straßburg zu Wasser fahren, da
brechen wir kein Rad und fällt uns kein Roß, und
wollen das tun, so Gott will, in einem Tag, und einen
heißen Brei, den wir allhier gekocht, den Straßburgern
mitbringen. Dieser Rat fand großen Beifall, alles
ward vorgerichtet und gerüstet, der Brei wurde in
einer Nacht gekocht, kam in einen warmen Topf von
Erz, und der Topf wurde in heißen Sand gestellt, und
nun ging es schnell zu Schiff, als die Sterne noch
glänzten. Vom Schiffe wehten lustig die Wimpel mit
Zürchs Farben, weiß und blau, und munter flog es
über der Limmat rasche Wellen rasch dahin. Von der
Limmat lenkten die fröhlichen Schweizerschützen in
die Aar, vorüber an mancher fährlichen Stelle, und
aus der Aar in den Rhein, am Höllenhaken kühn vorbei
durch Strudel und Klippen. Da das glückhafte
Schifflein gen Rheinfelden kam, wohin schon Kunde
von seiner Fahrt gelangt, ward zur Mauer herab ein
Korb voll edlen Weines zum Morgentrunk herabgelassen
und unverweilt eingenommen. Als die Basler
Glocke elf schlug, war es erst um zehn Uhr, und das
glückhafte Schiff mit seinen Zürchern nahte schon der
Brücke. Da schallte von aufgestellter Mannschaft und
drängendem Volk herzlichfroher Bundesgruß entgegen,
und die Geschütze krachten, aber wie ein Pfeil
schoß das Schiff, getrieben von den Ruderschlägen
stets sich ablösender kräftiger Ruderer, immer rheinabwärts,
und vorn im Schiff am Steuer stand lugenden
und sorgenden Blickes der Hans im Weerd, und mitten
im Schiff saß Kasper Thomann, der Zürcher erwählter
Obmann und Sprecher beim Schützenfeste.
So ging es weiter und immer weiter, an Neuenburg
vorbei, an Breisach vorbei, durch die hundert Inseln
und Werder und Riede im Rhein. Wohl sank der
Abend nieder, wohl tauchte hinter der Vogesen blauer
Bergkette das glühende Rad der Sonne unter, aber
was leuchtete dort weit, weit her über die unermeßliche
Stromtalfläche, eine rote Feuersäule? Im Sonnenscheidekuß
flammte Unser Frauen-Münsters Turmriese,
und der Jubel der Schiffer grüßte das leuchtende
ferne Ziel. Aber immer noch liegen Stunden zwischen
dem Ziele und dem Schiffe – der Tag schwindet, die
Nacht bricht an, hell und rund steht der Mond am
Abendhimmel, das Münster taucht empor, wie ein
Geisterschiff, von der Schützenmatte her dringt
dumpfer Lärm des Volksgewimmels; jetzt beginnen
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