Название: Der Reichtagbrandprozess
Автор: Walter Brendel
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783966512060
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Dr. Wolff beklagt, dass es ihm nicht gelungen sei, ein Exemplar der sieben Kopien des Polizeiprotokolls aufzutreiben. Sie seien von den Nazis "systematisch vernichtet" worden. Überhaupt wundert er sich über den "erstaunlichen Quellenmangel", der ihm viel zu schaffen gemacht habe: "Es ist mir nicht gelungen, ein amtliches Stenogramm der Anklage des Oberreichsanwalts und der Reichsgerichtsverhandlung aufzutreiben oder auch nur festzustellen, wer von den maßgebenden Juristen des Prozesses noch am Leben ist."
Forschungsbeauftragter Dr. Wolff kann nicht sehr eingehend geforscht haben; denn es existieren nicht nur die Protokolle der Kriminalpolizei, auch Anklageschrift und Urteil liegen im vollständigen Text vor. Zudem leben noch viele der am Verfahren beteiligten Kriminalbeamten und Juristen. Zwar zeigen sich zumal die ehemaligen Reichsgerichtsräte, die das Grauen der russischen Internierungshaft überlebt haben, nicht allzu begierig, über den Reichstagsbrand zu sprechen; ihre Anschriften sind aber durch die Justizverwaltung der Bundesrepublik ohne Schwierigkeit zu beschaffen.
Obwohl Dr. Wolff also an die entscheidenden Quellen gar nicht herangekommen ist, betrachtete er es "als erwiesen", dass van der Lubbe nur ein harmloser Strohmann war und dass in Wahrheit die SA mit Zustimmung Hitlers den Reichstag angesteckt habe.
Dr. Wolffs mit Bundesgeldern erstellter Forschungsbericht wurde bald zur wichtigsten Unterlage zahlreicher "Dokumentarberichte", die in den letzten Jahren in der deutschen und ausländischen Presse erschienen. Da auch die Autoren dieser Berichte nicht an die Originaldokumente herankamen, übernahmen sie nur zu gern neben anderen Legenden auch die These von den verschwundenen Polizeiprotokollen. Schrieben die Gemeinschaftsautoren Heydecker/Leeb in der "Münchner Illustrierten" Nr. 51/1957: "Alle acht Exemplare dieses inhaltsschweren Dokuments sind aber auf mysteriöse Weise verschwunden und nie wieder zum Vorschein gekommen."
Der Journalist Peter Brandes - auch bekannt unter dem Namen Curt Rieß - ging sogar noch einen Schritt weiter. In der Überzeugung, dass keine der Protokollkopien mehr existiert, erweckte er den Anschein, das Stenogramm der ersten Abhörung zu kennen, und phantasierte munter drauflos. Nach seinem "atemberaubenden Tatsachenbericht" im "Stern" vom 23. November 1957 soll van der Lubbe in der Brandnacht erklärt haben: "Als ich in den, großen Saal kam ... den Saal mit den vielen Stühlen und Bänken ..., mit der Holzverkleidung... Der Saal brannte schon, als ich hereinkam...
"Den habe ich nicht angezündet! Den nicht! Er brannte schon, als ich hereinkam." Brandes fügt hinzu: "Und davon wird sich van der Lubbe niemals abbringen lassen ...
"Mit vor Müdigkeit zitternder Hand unterschreibt er (Lubbe). Um allen Irrtümern vor-zubeugen: Er unterschreibt nichts, was er nicht gesagt hat. Das von der Berliner Polizei verfasste Protokoll ist vollkommen in Ordnung..."
Die Legende des Illustriertenschreibers Rieß wird nicht nur durch das Polizeiprotokoll selbst entlarvt, das Rieß nie zu Gesicht bekommen hat; sie ist bereits durch die Ver-handlungsprotokolle des Leipziger Reichsgerichts widerlegt. Vor Gericht haben nämlich die Kriminalkommissare Heisig und Dr. Zirpins wiederholt unter Eid versichert, weder die Vernehmung van der Lubbes noch die Ermittlungen im Reichstagsgebäude hätten irgendwelche Anzeichen dafür erbracht, dass außer van der Lubbe noch andere Mittäter an der Brandstiftung beteiligt gewesen seien. Und beide Kriminalisten haben ihre Angaben nach dem Krieg wiederholt bestätigt.
Das Polizeiprotokoll der Vernehmung van der Lubbes, das nachstehend - zum ersten Mal - auszugsweise veröffentlicht wird, widerlegt zudem die Behauptung der Pariser Braunbuch-Autoren, die Nazis hätten allen Grund gehabt, dieses Dokument zu fürchten.
STRAFSACHE VAN DER LUBBE BAND: HAUPTAKTEN I.
Berlin, am 28. 2. 33
"Vorgeführt erscheint Marinus van der Lubbe und sagt aus:
Zur Person: Ich bin in 's Hertogenbosch und dann in Leiden in die Volksschule gegangen, und dann habe ich Maurer gelernt. 1928 bin ich Geselle geworden. Seitdem habe ich mit kurzen Unterbrechungen keine Stellung gehabt. 1929 erlitt ich einen Unfall und beziehe seit dieser Zeit eine Unfallrente von 7 Gulden 44 Cents pro Woche . . .
Im März 1931 bin ich nach Berlin gelaufen von Leiden aus und hier in Berlin etwa 1
Woche geblieben. Ich wohnte damals im Männerheim Alexandrinenstraße. Dann ging ich wieder zu Fuß nach Holland zurück; für den Hin- und Rückweg brauchte ich
je etwa 6 Wochen . . . Im September 1931 ging ich wieder von Leiden los: Bayern,
Österreich, Jugoslawien und über Ungarn fuhr ich mit dem Zuge nach Hause . . .
Im Januar 1932 bin ich zum zweiten Mal nach Budapest gelaufen, das hat wieder einen Monat gedauert. Ich ging wieder über Bayern nach Österreich. Auf dem Rückwege habe ich Tschechien durchquert...
1933 blieb ich im Januar zuhause und ging erst in den letzten Tagen wieder auf Wanderschaft. Ich ging von Leiden nach Cleve, Düsseldorf, Essen, Bochum, Dortmund, Braunschweig, Magdeburg bis Berlin. Ich bin hier an einem Sonnabend angekommen.
Es war dies der 18. Februar 1933. Ich kam in den Nachmittagsstunden über Potsdam und konnte kurz vor Berlin ein Lastauto benutzen, mit welchem ich bis Schöneberg fuhr. Der Weg von Leiden bis Berlin betrug etwa 800 km. Die erste Nacht von Sonnabend zu Sonntag schlief ich in der Alexandrinenstraße. Die Adresse ist mir von früher her bekannt gewesen ...
Am Sonntag war ich vormittags auf einem SPD-Konzert auf dem Bülowplatz, das aber von der Polizei aufgelöst worden ist. Dann ging ich mittags in den Lustgarten. Hier sah ich den Aufmarsch des Reichsbanners.
Abends ging ich in das Asyl in der Fröbelstraße schlafen.
Am Montag musste ich früh für das Asyl Schnee schippen. Ich war gegen 13 Uhr fertig und schrieb dann Briefe nach Holland. Nachdem ich noch etwas spazieren gegangen war, ging ich zeitig schlafen, und zwar wieder in der Fröbelstraße.
Am Mittwoch bin ich etwa gegen 11 Uhr vom Asyl weggegangen und habe mich nach der Gleimstraße begeben, wo ich in der Volksküche vom Wohlfahrtsamt Essen bekam.
Ich ging dann noch einige Zeit im Wedding spazieren und ging dann nach der Alexandrinenstraße im Männerheim schlafen.
Ich will jetzt den Dienstag nachtragen: Bis 12 Uhr war ich im Wohlfahrtsamt, wo ich
eine Esskarte für Mittwoch bekam. Dort habe ich lange warten müssen, weil da sehr
viel Leute waren, so dass die Sache sehr lange dauerte. Nachmittags ging ich in der
Gegend des Alexanderplatzes spazieren und um drei Uhr in ein Kino, wo ich den Film 'Der Rebell' sah. Ab 17 Uhr bin ich noch etwas gelaufen und dann ins Fröbel-
Asyl zurückgegangen.
Am Donnerstag bin ich um 9 Uhr früh losgegangen und habe mich nach Neukölln
gewandt. Vor dem Wohlfahrtsamt habe ich mich mit den Erwerbslosen unterhalten
und auch eine Erwerbslosenzeitung gekauft. Abends ging ich, dann in das Männerheim Alexandrinenstraße zurück.
Meinen Unterhalt habe ich teils von eignem Gelde bestritten, das mir mein Freund
Jacobus Vink, Leiden, Heringsgracht hierher postlagernd beim Postamt in der Königstraße gesandt hat. Es waren zweimal 5,- RM, die am Dienstag und am Freitag kamen.
Im Übrigen habe ich im Asyl kostenlos gewohnt und auch das Essen sonst frei gehabt.
Am Freitag bin ich den ganzen Tag unterwegs gewesen, und zwar habe ich besucht:
Das Zentrum, Alexanderplatz, Schönhauser-Allee, Gleimstraße und zurück in der Gegend von Alexanderplatz bis zur Alexandrinenstraße, Diesmal habe ich kein Mittag gegessen, dafür bekam ich Abendbrot in dem Männerheim.
Zur Tat: Am Sonnabend ging ich um 10 Uhr aus dem Männerheim fort und wandte
mich dem Zentrum zu, wo ich auch das Schloss gesehen habe. Vom Alexanderplatz
ging ich direkt nach Süden und kam auf den Hermannplatz. Hier war ich etwa gegen
17 Uhr. Auf dem Wege zum Hermannplatz kam mir der Gedanke, das Wohlfahrtsamt
anzuzünden. Ich kaufte zu diesem Zweck für 30 Pfg. 4 Pakete Kohlenanzünder. Das
Wohlfahrtsamt liegt am Mittelweg. Ich habe eine Hecke überklettern müssen und bin
hinten herum gegangen, bis ich etwa in Kopfhöhe ein Eckfenster sah, in das ich dann ein brennendes Paket hineinwarf. Ob das Paket einen Brand entfacht hat, weiß ich nicht, da ich sofort auf demselben Wege, wie ich hingekommen war, geflüchtet bin ...
Mit der Untergrundbahn
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