Thomas More und seine Utopie. Karl Kautsky
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Название: Thomas More und seine Utopie

Автор: Karl Kautsky

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783966511803

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СКАЧАТЬ der Gesellschaft, als stehende Institution, wie es am Ende der römischen Republik und in der Kaiserzeit bestanden.

      Aber zwischen diesem neugeschaffenen und dem antiken Proletariat bestand ein großer Unterschied. Das neue Proletariat fand nicht eine Klasse vor, die noch unter ihm stand, von deren direkter oder indirekter Ausbeutung es hätte leben können, keine Sklaven und keine rechtlosen Provinzialen. Das moderne Proletariat besaß aber zur Zeit seiner Entstehung auch keine Souveränitätsrechte, aus deren Verkauf es hätte Gewinn ziehen können, wie der souveräne Pöbel des alten Rom. Das moderne Proletariat entstand nicht als Bodensatz der herrschenden, ausbeutenden Klassen, es bildete sich aus der Auflösung beherrschter, ausgebeuteter Klassen. Zum erstenmal in der Weltgeschichte sehen wir im fünfzehnten Jahrhundert eine Klasse freier Proletarier erstehen als die unterste Klasse der Gesellschaft, eine Klasse, deren Interessen nicht die Ersetzung der Klassenherrschaft, die sie vorgefunden, durch eine andere, sondern die Aufhebung jeder Klassenherrschaft fordern.

      Von der großen weltgeschichtlichen Rolle, die damit dem Proletariat zugefallen war, hatte freilich – und wie wäre es anders möglich gewesen? – zur Zeit seiner Entstehung niemand eine Ahnung, am allerwenigsten die Proletarier selbst.

      Daß sie die unterste Klasse der Gesellschaft waren, kam ihnen allerdings nur zu deutlich zum Bewußtsein. Nichts nannten sie ihr eigen, als ihre Arbeitskraft, und sie hatten keine Wahl, als sie zu verkaufen oder elend zu verhungern.

      Mit der neuen Ware erstanden auch gleichzeitig die Käufer für sie: die Kriegsherren und die Kaufleute. Sie bedurften ihrer in den Söldnerheeren und den Manufakturen. Die Proletarisierung der Massen durch die oben gekennzeichneten Methoden war ebenso wichtig für die Entwicklung des Kriegswesens wie der Industrie. Aber bei weitem nicht alle freigesetzten Leute fanden in diesen beiden Zweigen menschlicher Tätigkeit ihr Unterkommen. Was die kapitalistischen Manufakturen vornehmlich brauchten, das waren geschickte Arbeiter, und die fanden sie nur spärlich unter den davongejagten Bauern, Kriegsknechten, Mönchen. Wohl begann das Handwerk bereits Proletarier zu liefern – die Zunftmeister klagten schon damals über die Konkurrenz der Kaufleute, welche fremde Waren einführten und die Produkte der heimischen Industrie in Manufakturen außerhalb des Bereichs des Zunftwesens herstellen ließen – aber das Handwerk stand im allgemeinen noch auf festen Füßen. Kein Wunder, daß die Kapitalisten über Arbeitermangel jammerten, indes die Arbeitslosen zu Tausenden herumliefen.

      Die Kriege nahmen bedeutende Menschenmassen in Anspruch; aber das Landvolk war zum großen Teile des Waffenhandwerks entwöhnt, und der Krieg wurde gerade seit dem Ausgang des Mittelalters eine Kunst, die gelernt sein wollte. Nicht jeder konnte Soldat werden; wer es aber wurde, der blieb es, der wurde unfähig zu einem anderen Gewerbe. Die stehenden Heere waren indes im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert noch sehr gering; die Mehrzahl der Soldaten wurde nach Beendigung des Krieges entlassen. Unfähig zu einer friedlichen Arbeit, verwildert und vertiert, setzten die verabschiedeten Kriegsknechte jedermann in Schrecken; niemand wollte etwas mit ihnen zu tun haben. In Not und Verzweiflung entschlossen sie sich leicht, das, was sie unter ihren im großen für andere betrieben, nun im kleinen für sich zu treiben. Sie wurden Räuber. Natürlich suchten sie die Wehrlosesten am meisten heim: die Bauern. Eine Folge der Proletarisierung der Massen, wurden sie ihrerseits wiederum ein Mittel, diese Proletarisierung zu beschleunigen. Dies gilt auch von den damaligen Kriegen.

      In Deutschland nahm die Proletarisierung des Landvolkes seit dem Bauernkrieg große Dimensionen an, indes die Entwicklung der kapitalistischen Industrie und einer Kolonialpolitik durch die Veränderung der Wege des Weltverkehrs gehindert wurde. Das Proletariat fand also die Abzugskanäle der Industrie und der Kolonien nicht vor, die es in anderen Ländern wenigstens zum Teile aufsaugten, und mußte sich gänzlich auf Krieg und Räuberei werfen. Dies erscheint uns als eine wichtige Ursache der Dauer des Dreißigjährigen Krieges. Der Krieg wurde möglich durch die massenhaften Proletarier, welche die Soldtruppen lieferten. Der Krieg selbst erzeugte wieder neues Bauernelend, neue Proletarier und damit auch neue Söldner. Die kämpfenden Parteien fanden also das Reservoir von Soldaten nicht eher erschöpft, als bis der Bauer fast völlig verschwunden war. Dann gab's freilich auch keine Soldaten mehr.

      Die Not zwang die nicht in den Waffen geübten Arbeitslosen zur Ausbeutung des Mitleids oder der Vertrauensseligkeit besser Situierter. Die Landstreicherei und Gaunerei wurden eine Landplage, Räuber und Diebe machten alle Straßen unsicher.

      Vergebens suchte man durch eine furchtbar grausame Blutgesetzgebung die Landstreicherei zu unterdrücken. Arbeitsgelegenheit wurde dadurch nicht geschaffen, die Proletarisierung des Landvolkes dadurch nicht gehindert. Alle Versuche, die Kleinbauern vor den Grundherren zu schützen, erwiesen sich als vergeblich. Das Massenelend und die Massenverwilderung wuchsen trotz aller Gesetze und Erlasse, trotz Galgen und Rad.

      3. Leibeigenschaft und Warenproduktion.

      Das Schicksal der Bauern, die auf ihren Höfen belassen wurden, war nicht viel besser als das ihrer freigesetzten Brüder. In manchen Gegenden, namentlich Englands, verschwand der Bauer völlig, um durch kapitalistische Pächter ersetzt zu werden, die mit Taglöhnern wirtschafteten, an denen von jener Zeit an kein Mangel war.

      Wo die Bauern nicht durch Taglöhner ersetzt wurden, mußten jene es sich gefallen lassen, auf das Niveau der letzteren herabgedrückt zu werden. Im Mittelalter hatte der Feudalherr seiner Bauern bedurft. Je mehr Bauern, desto mehr Macht. Als die Städte mächtig genug wurden, entlaufene Bauern gegen ihre Herren zu schützen, als auch die Kreuzzüge eine Menge Volks außer Landes führten, das des harten Druckes der Leibeigenschaft überdrüssig geworden, und eine allgemeine Bevölkerungsabnahme auf dem Lande eintrat, da mußten die Feudalherren günstige Bedingungen gewähren, um ihre Leute zurückzuhalten und neue anzuziehen. Daher die Verbesserung der Lage der Bauern im dreizehnten Jahrhundert. Vom vierzehnten Jahrhundert an wird der Bauer in steigendem Maße für den Feudalherrn überflüssig, und damit verschlechtert sich seine Lage wieder zusehends. Wenn man ihn nicht verjagt, so deswegen, um den Taglöhner zu ersparen. Die Ländereien des Bauernhofes werden beschnitten, damit das Gebiet der Gutsherrschaft vergrößert werden kann, oft bleibt dem Bauer nichts als eine Hütte und etwas Gartenland. Die Frondienste der Bauern wurden natürlich nicht entsprechend beschnitten. Im Gegenteil, sie wurden ins Ungemessene verlängert. Die Produktion für den Selbstgebrauch hat eine gewisse Grenze, das Bedürfnis der zu Versorgenden, auch dort, wo sie auf der Zwangsarbeit beruht. Der Warenproduktion mit Zwangsarbeit ist dagegen dieselbe maßlose Profitwut eigen wie dem Kapitalismus: Geld kann man nie genug haben. Es fehlt ihr aber die eine Schranke des Kapitalismus, die diesem mitunter fühlbar wird, die Widerstandskraft des freien Arbeiters.

      Die Warenproduktion mit Zwangsarbeit ist daher die scheußlichste Form der Ausbeutung. Die orientalische patriarchalische Sklaverei erscheint als eine Idylle gegenüber der Sklaverei, wie sie in den Zucker- und Baumwollplantagen der Südstaaten der Union noch vor wenigen Jahrzehnten herrschte. Und so war auch die Leibeigenschaft der Feudalzeit unvergleichlich milder als die, welche aus der Entwicklung der Warenproduktion erwuchs. (Vergleiche Marx, Kapital, 1. Band, S. 219 [Fabrikant und Bojar].)

      Die kapitalistische Produktionsweise in den Städten förderte mitunter die Leibeigenschaft. Der Kapitalismus bedurfte zu seiner Entwicklung massenhafter Zufuhr von Rohstoffen, wie sie damals mitunter nur der landwirtschaftliche Großbetrieb mit Leibeigenen leisten konnte. Die Leibeigenschaft in Europa war in der Tat zu gewissen Zeiten ebenso eine Lebensbedingung für die kapitalistische Produktionsweise, wie später die Sklaverei in Amerika.

      Noch 1847 konnte Marx schreiben: »Die direkte Sklaverei ist der Angelpunkt der bürgerlichen Industrie, ebenso wie die Maschinen usw. Ohne Sklaverei keine Baumwolle, ohne Baumwolle keine moderne Industrie. Nur die Sklaverei hat den Kolonien ihren Wert gegeben; die Kolonien haben den Welthandel geschaffen; und der Welthandel ist die Bedingung der Großindustrie.« (Marx, Das Elend der Philosophie, Stuttgart 1885. S. 103.) – Noch vor wenigen Jahrzehnten, während des Sezessionskrieges, erklärten die englischen Kapitalisten die Sklaverei der Südstaaten СКАЧАТЬ