Название: Gesammelte Werke
Автор: Sinclair Lewis
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4066338121103
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»Schmeißen Sie ihn raus. Nehmen Sie mich. Ach, es ist nicht das Geld. Das müssen Sie wissen, meine Liebe. In zehn Jahren, mit achtunddreißig, kann ich Verkaufsdirektor bei der Pequot sein – wahrscheinlich Zehntausend im Jahr – und vielleicht einmal Generaldirektor mit dreißig Mille. Ich seh' mich nicht nach einer Stellung um. Aber – Ach, ich bin verrückt nach Ihnen! Außer meiner Mutter sind Sie der einzige Mensch, den ich in meinem ganzen Leben verehrt hab'. Ich liebe Sie! Hören Sie mich? Verdammt noch einmal – ja – verdammt noch einmal, hab' ich gesagt – ich bete Sie an! O Sharon, Sharon, Sharon! Wie ich allen Leuten erzählt hab', daß Sie mich bekehrt haben, hab' ich nicht bloß in den Wind geredet, weil Sie mich wirklich bekehrt haben. Wollen Sie mich Ihnen dienen lassen? Und wollen Sie mich vielleicht heiraten?«
»Nein. Ich glaub', ich werd' nie heiraten – richtig heiraten. Vielleicht werd' ich Cecil rausschmeißen – der arme nette Kerl – und Sie nehmen. Ich will mal sehen. Auf jeden Fall – lassen Sie mich nachdenken.«
Sie schüttelte seinen Arm ab und saß überlegend da, das Kinn in der Hand. Er saß zu ihren Füßen – geistig sowohl wie körperlich.
Sie machte ihn glücklich:
»Im September hab' ich nur vier Wochen lang Meetings, in Vincennes. Den ganzen Oktober werd' ich Ferien machen, vor meiner Winterarbeit, (da werden Sie mich gar nicht wiedererkennen – ich bin einfach blendend, ich spreche drinnen, in großen Sälen!) und nach Haus fahren, zum alten Falconer-Familiensitz in Virginien. Pappy und Mam sind jetzt tot, und er gehört mir. Eine alte Plantage. Möchten Sie dorthin zu mir kommen, wir sind dann nur zu zweit, auf vierzehn Tage im Oktober?«
»Ob ich möchte? Mein Gott!«
»Können Sie sich frei machen?«
»Und wenn's mich meine Stellung kostet!«
»Dann – ich werd' Ihnen telegraphieren, sobald ich dort bin, wann Sie kommen sollen: Hanning Hall, Broughton, Virginia. So, und jetzt glaub' ich, werden wir schlafen gehen, mein Lieber. Angenehme Träume.«
»Darf ich Sie nicht zu Bett bringen?«
»Nein, mein Lieber. Ich könnte vergessen, daß ich Schwester Falconer bin! Gute Nacht!«
Ihr Kuß war wie das Vorüberfliegen einer Schwalbe, und gehorsam ging er hinaus, voll Verwunderung darüber, daß Elmer Gantry mit einemmal so lieben konnte, daß er nicht darauf bestand, zu lieben.
2
In New York hatte er sich einen Anzug aus irischem Homespun und eine Lederkappe gekauft. Er sah etwas dick aus, aber angenehm ländlich, als er, romantisch gestimmt, aus dem Fenster seines Pullmanwagens auf die Felder Virginiens hinaussah. »Ole Virginny – ole Virginny« summte er selig vor sich hin. Zäune, Negerhütten, feurige Pferde auf steinigen Weiden, Sehnsucht danach, den Landadel zu sehen, der solche Pferde ritt, und immer die blauen Berge. Es war eine ältere Welt als sein dürres Kansas, älter als das Mizpah-Seminar, und er verspürte den Wunsch, ein Glied des sagenhaften Geschlechts zu sein, dem Sharon angehörte. Dann, als die Meilen, die ihn noch von Broughton trennten, sich allmählich hinter ihn legten, vergaß er in den Gedanken an sie das Land mit seinen warmen Farben.
Er besann sich darauf, daß sie Aristokratin war, um so mehr hier in der Gesellschaft der ihr befreundeten ersten Familien Virginiens. Er war ängstlicher als sonst … und stolzer als sonst auf seine Eroberung.
Einen Augenblick lang, auf dem Bahnhof, dachte er, sie wäre ihn nicht abholen gekommen. Dann sah er ein Mädchen neben einem alten Landeinspänner stehen.
Sie war jung, wirklich ein Mädchen, in tief ausgeschnittener Matrosenbluse, plissiertem weißem Rock, weißen Schuhen. Ihre rote Wollmütze war flott, mit einem ländlichen Lächeln winkte sie ihm zu. Und dieses Mädchen war Schwester Falconer.
»Herrgott, Sie sind zum Anbeten!« murmelte er ihr zu, während er seinen Koffer fallen ließ; zart und weich war sie in seinen Armen, als er sie küßte.
»Nicht mehr«, flüsterte sie. »Sie gelten als mein Vetter, und sogar sehr nette Vettern küssen nicht mit so viel Verständnis!«
Während der Wagen über die Hügel holperte, während das Geschirr knarrte und das weiße Pferd schnaubte, hielt er ihre Hand leicht, in schmetterlinghafter Begeisterung.
Beim Anblick von Hanning Hall schrie er leise auf, als sie zwischen dunklen Kiefern hindurch, über schäbige Grasflecken, zu dem glatten, abschüssigen Rasenplatz kamen. Es war wie aus einem Geschichtenbuch; ein Ziegelgebäude, nicht sehr groß, mit schlanken weißen Säulen, weißer Kuppel und kleinscheibigen Dachfenstern; drüben, hinter dem Rasen stolzierte ein Pfau in der Sonne umher. Aus einem Geschichtenbuch waren auch die zwei alten Neger, die sich auf der Veranda verbeugten und die Stufen hinuntereilten – der Hausmeister mit dem weißen Schnurrbart, der seinen Mund fast ganz umschloß, in grünem Schwalbenschwanzrock, und die Alte in grünem Kattun, mit einem ungeheueren Grinsen und einem theatralischem Knix.
»Die haben immer für mich gesorgt, seitdem ich ein ganz kleines Baby war«, flüsterte Sharon. »Ich hab' sie lieb – ich hab' dieses liebe alte Fleckchen gern. Deshalb –« Sie zauderte, dann trotzig: »Deshalb hab' ich Sie hergebracht!«
Der Hausmeister trug seinen Koffer hinauf und packte aus, während Elmer, gerührt, sanft glücklich, in dem alten Schlafzimmer umherging. Die Wände waren eine Reihe verblaßter Landschaftsbilder: Herrenhäuser hinter Ulmenalleen. Ein großes Himmelbett stand in der einen Ecke; die Seitenwände und der Sims des Kamins waren weiß glasiert; und auf den großen, von Generationen vergessener Füße polierten Eichendielen des Fußbodens lagen Teppiche aus den Tagen der Krinoline.
»Herrgott, bin ich glücklich! Ich hab' heim gefunden!« seufzte Elmer.
Als der Hausmeister gegangen war, sprang Elmer zum Fenster und sagte noch einmal: »Herrgott!« Im Wagen hatte er nicht gemerkt, daß sie so hoch gestiegen waren. Hinter gewellten Wiesen und Gehölzen schimmerte der Shenandoah-Fluß in der Nachmittagssonne.
»Shen-an-doah!« sang er leise.
Plötzlich kniete er am Fenster, und zum ersten Mal, seit er Jim Lefferts, dem Fußball und der fröhlichen Zotenreißerei entsagt hatte, war seine Seele frei von allem Niedrigen, das sie besudelt hatte – vom Rednerehrgeiz, den Gefühlsübertreibungen, den dürren Redensarten langweiliger Propheten, von Dogmen und falscher Frömmigkeit. Der gewundene, golden schimmernde Fluß zog ihn an sich, der Himmel hob ihn empor, und mit ausgestreckten Armen betete er um Erlösung vom Gebet.
»Ich hab' sie gefunden. Sharon. Ach, ich werd' diese Evangelistenphrasendrescherei aufgeben. Schwachköpfe mit scheinheiligen Possen einfangen! Nein, bei Gott, ich will ehrlich sein! Ich werd' sie unter den Arm nehmen, hinausgehen und kämpfen. Geschäft. Siegen. Was Großes aufbauen. Und lachen, nicht heucheln und Kirchenmitgliedern die Hand drücken! Ich werd's tun!«
Und damit war seine Rebellion auch zu Ende.
Ein Nebel von Kompromissen verbarg ihm die Vision vom schönen Fluß … Wie konnte er sich von den Evangelistenkomödien fernhalten, wenn er Sharon haben wollte? Und Sharon zu haben, war der einzige Lebenszweck. Sie liebte ihre Meetings, sie würde nie von ihnen lassen, und ihn würde sie beherrschen. Und – er war begeistert von seiner eigenen Rhetorik.
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