Sinclair Lewis: Die großen Romane . Sinclair Lewis
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sinclair Lewis: Die großen Romane - Sinclair Lewis страница 70

Название: Sinclair Lewis: Die großen Romane

Автор: Sinclair Lewis

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4066338121196

isbn:

СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Sie hielt sich mit aller Energie davon zurück, Kennicott zu klagen. Aber die Augen taten ihr weh; sie war nicht mehr das Mädchen in Breeches und Flanellhemd, das vor fünf Jahren über einem Lagerfeuer im Coloradogebirge gekocht hatte. Ihr ganzes Streben ging dahin, um neun ins Bett zu kommen; ihre größte Gefühlsanstrengung war der Ärger darüber, daß sie um halb sieben aufstehen mußte, um Hugh zu versorgen. Wenn sie aus dem Bett stieg, hatte sie Rückenschmerzen. Sie äußerte zynische Ansichten über die Freuden eines einfachen arbeitsamen Lebens. Sie begriff, warum Arbeiter und Arbeiterfrauen ihren freundlichen Arbeitgebern nicht dankbar sind.

      Am späteren Vormittag, wenn sie für Augenblicke ihre Schmerzen im Rücken nicht spürte, freute sie sich über die Wirklichkeit der Arbeit. Aber sie hatte keinen Wunsch, die wortreichen kleinen Zeitungsaufsätze zum Lobe der Arbeit zu lesen, die täglich von glattstirnigen Journalistenpropheten geschrieben werden.

      Bei der Hausreinigung kam sie in die Mädchenkammer hinauf. Es war ein im Sommer durchglühtes, im Winter eiskaltes Loch mit einem kleinen Fenster im schrägen Dach. Sie sah, daß sie, während sie sich für eine besonders gute Herrin hielt, ihre Freundinnen Bea und Oscarina in einem Schweinestall hatte leben lassen. Sie beklagte sich bei Kennicott. »Was ist denn los damit?« brummte er, während sie auf der halsbrecherischen Stiege standen, die von der Küche hinaufführte. »Vielleicht ist's kein Hotelsalon, aber schließlich ist es doch viel besser als alles, woran diese Dienstmädchen gewöhnt sind, und was sie zu Hause für schön halten. Es kommt mir dumm vor, Geld auszugeben für etwas, was die doch nicht zu schätzen wissen.«

      Doch an diesem Abend sagte er langsam mit der Gleichgültigkeit eines Mannes, der überraschend und köstlich sein will: »Carrie, ich weiß nicht, ob wir nicht dran denken sollten, jetzt bald mit dem Bau eines neuen Hauses anzufangen. Wie würde dir das gefallen?«

      »W–wieso –«

      »Ich bin jetzt so weit, daß ich meine, wir können uns eins leisten – ein blendendes noch dazu! Ich werd' dem Nest zeigen, wie'n richtiges Haus aussieht! Sam und Harry sollen mal die Augen aufreißen! Die Leute sollen mal was zu sehen kriegen!«

      »Ja«, sagte sie.

      Täglich kam er wieder auf das neue Haus zu sprechen, aber vom Wann und Wie redete er nicht sehr deutlich. Zuerst glaubte sie ihm. Wenn sie begeistert ihre Ideen auspackte, antwortete er: »Hm, ja, darüber müßt' man nachdenken. Weißt du, wo ich meine Pfeife hingetan hab'?« Wenn sie ihn drängte, wich er ihr aus: »Ich weiß nicht; mir scheint, die Häuser, von denen du redest, sind überholt.«

      Es stellte sich heraus, daß er nichts anderes wollte als ein Haus genau wie das Sam Clarks, das aussah wie jedes dritte neue Haus in jeder Präriestadt im Land.

      Eines Abends, als Carola verschlafen für ein Häuschen in einem Rosengarten sprach, kamen Onkel Whittier und Tante Bessie dazu.

      Tante Bessie arbeitete mit ihren Lippen, als wären sie Gummibänder. »Ja natürlich! Ich weiß, was mit jungen Leuten wie mit dir los ist, Carrie; du möchtest Türme und Erkerfenster und Klaviere und weiß der Himmel, was alles, haben, aber die Hauptsache ist, daß man Wandschränke und eine gute Heizung und einen praktischen Platz zum Wäscheaufhängen kriegt, und alles andere ist Nebensache.«

      Carola erreichte ihr Zimmer, bevor sie wild wurde. Sie blieb einen Augenblick oben, puderte sich die Nase, zupfte ihren Kragen zurecht und marschierte kalt hinunter. Die drei Älteren nahmen keine Notiz von ihr. Sie waren vom neuen Haus auf wohltuenden allgemeinen Klatsch gekommen.

      Nachdem Carola eine Weile zugehört hatte, lächelte sie ihnen einschmeichelnd zu. »Ihr seid doch nicht böse, wenn ich hinaufgehe, schlafen? Ich bin ziemlich müde – ich hab' heute oben alles rein gemacht.«

      Sie zog sich zurück. Sie war überzeugt, daß man sie beredete und ihr auf schmierige Weise vergab. Sie blieb wach, bis sie an einem entfernten Bettknarren hörte, daß Kennicott schlafen gegangen war. Dann fühlte sie sich sicher.

      Nach zehn Tagen war das Haus vergessen.

      Vierundzwanzigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      1

      »Carrie ist schon richtig. Sie tut sich 'n bißchen, aber das wird sich schon mal geben. Wenn's nur etwas schneller damit ginge! Sie kann eben durchaus nicht verstehen, daß ein Mensch, der in einer Kleinstadt wie hier doktert, auf alle die gescheiten Sachen verzichten muß und keine Zeit dazu haben kann, in Konzerte zu gehen und seine Stiefel zu putzen. (Was noch lange nicht heißen soll, daß ein solcher Mensch nicht ebenso viel in den geistigen und künstlerischen Sachen leisten könnte, wie andere Leute, wenn er Zeit dazu hätte!)« Dr. Will Kennicott saß an einem Spätsommernachmittag in seinem Büro und grübelte in einem freien Augenblick.

      »Weiß Gott, sie riskiert aber allerhand. Man sollte meinen, daß sie nach und nach einsehen lernt, daß ich kein geschleckter Salonaffe bin. Sie sagt, wir wollen sie ›ummodeln‹. Na, sie will immer mich ummodeln; ich bin ein ganz anständiger Dr. med., und sie will einen verdammten Dichter mit Sozialistenkrawatte aus mir machen! Sie würde 'nen schönen Anfall kriegen, wenn sie wüßte, wieviel Frauen recht gern zum lieben Will kommen und ihn trösten würden, wenn er ihnen nur die Gelegenheit dazu gäbe! 's gibt noch immer 'n paar Weiber, die an dem alten Mann was finden! Es ist mir ja recht, daß ich mit allen Weibergeschichten Schluß gemacht hab', seitdem ich verheiratet bin, aber –

      Carrie glaubt, sie versteht mächtig viel von den Gedanken der anderen Leute. Na, wenn die mal draufkäme, wie wenig sie davon weiß, wie man sich amüsieren kann, wenn man seiner Frau nicht treu ist. Aber ich bin's. Hübsch ist sie – Herrgott, ja. Aber kalt. Sie weiß ganz einfach nicht, was Leidenschaft ist. Sie hat ganz einfach gar keine Ahnung, was es für einen Mann, der Blut in den Adern hat, heißt, immer so zu tun, als ob er zufrieden damit war', bloß geduldet zu werden. Mit der Zeit geht's mir schon schrecklich auf die Nerven, wenn ich mir immer wie 'n Verbrecher vorkommen muß, wo ich ganz einfach normal bin. Sie tut ja so, als ob ihr nicht mal was dran liegen würde, wenn ich sie küsse. Na –

      Ich werd' mich wohl durchfressen können, genau so wie ich mir während der Schulzeit selber mein Geld verdient und mir dann selber meine Praxis geschaffen hab'. Aber ich weiß nicht, wie lang ich's aushalten werd', in meinem eigenen Haus ein Fremder zu sein.«

      Frau Dave Dyer kam herein, und er richtete sich auf. Sie ließ sich in einen Sessel fallen und stöhnte vor Hitze. Er lachte: »Nanu, Maud, das ist schön. Wo ist die Subskriptionsliste? Wofür soll ich diesmal ausgeräubert werden?«

      »Ich hab' keine Subskriptionsliste, Will. Ich muß mit Ihnen als Arzt sprechen.«

      »Und Ihre Christian Science? Haben Sie die aufgegeben? Was kommt jetzt? Neudenken oder Spiritismus?«

      »Nein, ich hab' sie nicht aufgegeben!«

      »Na, das sieht mir aber aus wie ein Verrat am Glauben, daß Sie zu einem Doktor gehen!«

      »Nein, das ist es nicht. Mein Glaube ist bloß noch nicht stark genug. Na, lassen wir das! Und außerdem können Sie einen ein bißchen trösten, Will. Ich meine als Mann, nicht als Doktor. Sie sind so stark und ruhig.«

      Er saß auf der Kante seines Schreibtischs, in Hemdsärmeln, die Weste war offen, seine dicke goldene Uhrkette spannte sich quer СКАЧАТЬ