Название: PLATON - Gesammelte Werke
Автор: Platon
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 4066338120939
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Theodoros: Der Mann, o Sokrates, ist mein Freund, wie du oben sagtest. Darum möchte ich weder, daß Protagoras durch meine Eingeständnisse widerlegt würde, noch auch möchte ich dir gegen meine eigene Meinung zuwider sein. Deshalb nimm dir nur wieder den Theaitetos vor; schien er dir doch auch vorher sehr aufmerksam zu folgen.
Sokrates: Würdest du denn auch, wenn du nach Lakedämon kämest, Theodoros, zu den Fechtschulen, und dort die Andern entblößt sähest, Einige darunter überdies gar nicht vorzügliche Leute, dennoch lieber dich nicht neben ihnen auskleiden und ihnen deine Gestalt zeigen?
Theodoros: Warum meinst du, daß ich das nicht allerdings vorziehn würde, wenn sie es mir nur vergönnten und sich überreden ließen? So wie ich jetzt euch zu überreden hoffe, mich zuschauen zu lassen, und mich, der ich schon ungelenker bin, nicht in den Übungsplatz hineinzuziehen, sondern lieber mit einem jüngeren und vollsaftigern zu ringen.
Sokrates: Wenn es dir so recht ist, Theodoros, ist es mir auch nicht zuwider, wie man zu sagen pflegt. So muß ich denn wieder zu dem weisen Theaitetos gehn.
Sage also, Theaitetos, zuerst was wir jetzt eben durchgegangen sind, ob du dich nicht ebenfalls verwunderst, daß sich auf einmal zeigt, du seist nichts schlechter in der Weisheit als einer unter den Menschen oder auch unter den Göttern? Oder glaubst du, daß das Maß des Protagoras weniger von den Göttern gilt, als von den Menschen?
Theaitetos: Beim Zeus keinesweges, und was du jetzt fragst, verwundert mich freilich sehr. Denn als wir vorher erörterten, weshalb sie wohl sagten, was Jedem erscheine, das sei auch für den, dem es erscheine, fand ich, daß dieses vortrefflich gesagt wäre, nun aber ganz im Gegenteil ist es schnell umgeschlagen.
Sokrates: Du bist eben jung, lieber Sohn, deshalb achtest du schneller auf verfängliche Reden, und gibst ihnen Eingang. Denn Protagoras oder ein Anderer für ihn würde hierauf sagen, Ihr trefflichen Knaben und Greise sitzt hier zusammen und führt verfängliche Reden, indem ihr die Götter mit hineinzieht in die Sache, welche ich gänzlich bei Seite setze im Reden sowohl als im Schreiben, ob sie sind oder nicht sind, und was auf den großen Haufen Eindruck machen würde, wenn er es hörte, dergleichen redet ihr, als wäre es nun etwas schreckliches, wenn jeder Mensch um gar nichts besser wäre in der Weisheit, als irgend ein Tier. Beweise aber und notwendige Schlußfolgen führt ihr gar nicht eine einzige an, sondern begnügt euch mit dem Scheinbaren, welches doch weder Theodoros noch irgend ein anderer Meßkünstler bei seiner Meßkunst anwenden würde, oder er wäre auch gar nichts wert. So überleget nun, du und Theodoros, ob ihr in so wichtigen Dingen solchen Reden Beifall geben wollt, die nur aus Überredungskünsten und Wahrscheinlichkeiten zusammengesetzt sind.
(163) Theaitetos: Daß dieses billig wäre, Sokrates, würdest weder du noch auch wir sagen wollen.
Sokrates: Auf eine andere Weise also, wie es scheint, müssen wir die Sache betrachten, wie du behauptest und Theodoros.
Theaitetos: Allerdings auf eine andere.
Sokrates: Laßt uns denn auf diese Weise sehen, ob wohl Erkenntnis und Wahrnehmung einerlei ist oder verschieden. Denn darauf ging doch unsere ganze Rede aus, und deshalb haben wir so vielerlei Wunderliches aufgerührt. Nicht wahr?
Theaitetos: Allerdings.
Sokrates: Sollen wir also eingestehen, was wir durch Sehen wahrnehmen oder durch Hören, daß wir alles dieses auch zugleich verstehen? Zum Beispiel, Ausländer, deren Sprache wir noch nicht gelernt haben, sollen wir läugnen, daß wir die hören, wenn sie darin sprechen? oder sollen wir sagen, daß wir sie nicht nur hören, sondern auch das verstehen was sie sagen? Eben so, wenn wir Buchstaben noch nicht kennen, doch aber unsere Augen auf sie richten: sollen wir behaupten, daß wir sie nicht sehen, oder daß wir sie auch verstehen, wenn wir sie doch sehen?
Theaitetos: Dasselbige an ihnen, o Sokrates, was wir sehen und hören, werden wir auch zu verstehen behaupten, daß wir nämlich von letzteren die Gestalt und Farbe sehen und auch erkennen, von jenen aber die Höhe und Tiefe hören und auch wissen; daß wir aber was von beiden die Sprachlehrer und Dolmetscher lehren, weder wahrnehmen durch das Sehen und Hören, noch also auch verstehen.
Sokrates: Vortrefflich, Theaitetos! und es wäre nicht recht, dir dieses zu bestreiten, damit dir auch der Mut wachse. Aber betrachte auch dieses Andere, welches herbeikommt, und sieh zu, wie wir es uns abwehren wollen.
Theaitetos: Was denn?
Sokrates: Dieses, wenn Jemand fragte, ob es wohl möglich wäre, daß einer etwas, wovon er einmal Erkenntnis erlangt, und wovon er die Erinnerung noch unverloren bei sich bewahrt, dann wann er sich erinnert, eben das doch nicht erkennte, dessen er sich erinnert. Ich bin aber, wie ich merke, sehr weitläuftig, da ich doch nur fragen wollte, ob Jemand, was er erfahren, indem er sich dessen erinnert, doch nicht weiß.
Theaitetos: Und auf welche Weise, Sokrates? Dies wäre ja ein Wunder, was du da sagst.
Sokrates: Bin ich denn etwa irre? Sieh doch zu! Sagst du nicht, das Sehen sei ein Wahrnehmen und jeder Anblick eine Wahrnehmung?
Theaitetos: So sage ich.
Sokrates: Wer nur etwas gesehn hat, der hat eine Erkenntnis bekommen von dem was er gesehen hat nach unserm jetzigen Satz?
Theaitetos: Ja.
Sokrates: Wie weiter? Gibst du nicht doch auch eine Erinnerung zu?
Theaitetos: O ja.
Sokrates: An nichts oder an etwas?
Theaitetos: An etwas, versteht sich.
Sokrates: Wohl, was einer erfahren und wahrgenommen hat, an etwas davon?
Theaitetos: Woran sonst?
Sokrates: Und was Jemand gesehen hat, dessen erinnert er sich doch bisweilen?
Theaitetos: Gewiß erinnert СКАЧАТЬ