Название: Sprachen lernen in der Pubertät
Автор: Heiner Böttger
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823300229
isbn:
Vom Nahen zum Fernen – dieses logische didaktische Prinzip zeigt sich auch bei der EntwicklungEntwicklung pubertierender Jugendlicher. Gerade war es noch die Familie, dann plötzlich sind es die gleichaltrigen Freundinnen, Freunde und Kumpel, die die Sicht auf die Dinge bestimmen. Gewohnheiten, Rituale und vertraute Kommunikationsstränge scheinen, insbesondere für die Eltern, zu reißen. Jedoch ist der Rat zu Gelassenheit und Aufrechterhalten des Kontakts ein weiser, denn die Kommunikation zwischen den Jugendlichen und ihren erwachsenen BezugspersonenBezugspersonen ist nicht beendet, sondern hat sich nur qualitativ entwickelt – in Richtung Gleichberechtigung. Dies verändert auch und vor allem allgemein Unterricht, ganz speziell den Fremdsprachenunterricht. In ihm führen demokratische Aufgabenformate zunehmend zu mehr Partizipation, auch wenn das Paradox für den Jugendlichen besteht, nicht alles fremdsprachlich ausdrücken zu können, was muttersprachlich möglich wäre. Dem Wunsch nach fremdsprachlicher Realisierung von Redeintentionen durch gezielte Unterstützung, z.B. Scaffolding, nachzukommen, ist eine der wichtigsten und schwierigsten Lehrkompetenzen.
Ausgewählte Literaturhinweise
BIG-Kreis (2007). Standards für die Lehrerbildung: Empfehlungen des BIG-Kreises in der Stiftung LERNEN. In: Fremdsprachenunterricht in der Grundschule. München: Domino Verlag.
Shell Jugendstudie (2015). www.shell.de/ueber-uns/die-shell-jugendstudie.html.
2.2 Kommunikation im Jugendalter
Bist du‘n Alpha-Kevin oder doch mega bambus? Einwegtussi oder Tinderella? Omni oder Swaggetarier? Egal – du wirst dieses Wörterbuch der Jugendsprache krass feiern. Hier gibt‘s nämlich Enterbrainment, bei dem auch die Fliegenficker steil gehen. (Vogt 2016: 3)
Mit diesem für die meisten wohl zumindest in Teilen kryptischen Text, abgefasst, wie anzunehmen steht, in einer Jugendsprache, wirbt der Langenscheidt-Verlag für sein „Buch zum Jugendwort des Jahres“ (vgl. Vogt & Langenscheidt 2016).
Im Rahmen der Initiative zur Identifizierung des Jugendworts des Jahres werden Menschen – Zielgruppe sind wohl vor allem junge Menschen (man soll sein Alter angeben, wenn man ein Wort vorschlägt) – dazu aufgefordert, Wörter und Wendungen einzureichen, die gerade en vogue sind (www.jugendwort.de). In der Sprache des Werbekurzfilms für die Aktion wird die Aufgabenstellung wie folgt präzisiert: „Hau dein Wort rein, das bei dir und deiner crowd gerade awesome tight ist. […] Hauptsache, es ist gediegen. […] Also, mach die Socken scharf.“ (ebd.). Auf der Homepage der Initiative können Stimmen für die gelisteten Vorschläge abgegeben werden. Daraus geht eine Top Ten-Liste hervor, die dann noch rechtzeitig, bevor das Jahr zu Ende ist, einer Jury zugetragen wird (dem Werbekurzfilm zufolge werden sogar „die 15 fettesten Wörter […] einer Expertenjury hingebrettert“, ebd.). Diese Jury nimmt unter Anwendung von vier Kriterien (sprachliche KreativitätKreativität, Originalität, Verbreitungsgrad sowie ein möglicher Bezug zu gesellschaftlichen und kulturellen Ereignissen) die abschließende Auswahl vor und bestimmt die fünf ersten Plätze. Und so steht jeweils „am Ende des Jahres der Checker der Wörter fest“ (ebd.). Das war 2016 „fly sein“, ein wenig verbreiteter, jedoch nach Ansicht der Jury aufstrebender Ausdruck aus der Hip-Hop-Sprache mit der Bedeutung „besonders abgehen“. 2015 schaffte es „Smombie“ auf Platz 1, was sich wie folgt definiert: „… jemand, der wie gebannt auf sein Smartphone schaut und dadurch wie ein Zombie durch die Gegend läuft“ (ebd.). 2014 lautete das Jugendwort des Jahres „Läuft bei dir“, 2013 „Babo“ („Boss, King, der Beste, der Ranghöchste“, ebd.) und 2012 wurde das Akronym „Yolo/yolo“, das für you only live once steht, auf Platz 1 gesetzt. Das Jugendwort des Jahres ist ein Beispiel dafür, wie Jugendliche Sprache in Besitz nehmen, ihr Bedeutung geben und sie formen – oftmals auf kreative Weise. Kommunikation im Jugendalter bedeutet, in vielen Kontexten die Art selbst zu bestimmen, wie kommuniziert wird, mitunter nämlich in einer Jugendsprache, und sich die Gesprächspartner, mehr als in früherer Kindheit, selbst auszuwählen (vgl. 2.1).
Jugendsprachen sind kein auf Deutschland begrenztes Phänomen, sondern existieren auch in anderen Ländern, vielfach mit vergleichbaren Merkmalen. Jugendsprachen zeichnen sich durch verschiedene Modifikationen, auch jenseits der Wortebene, aus. Einige ursprünglich jugendsprachliche Sprechweisen finden den Weg in die Umgangssprache, was einerseits die Innovationskraft der jungen Generation sichtbar macht, andererseits die Jugend aber auch dazu veranlasst, ihre Sprache, durch die eine „Art Generationsidentität“ (Marossek 2016: 42) hergestellt und zum Ausdruck gebracht werden soll, nach relativ kurzer Zeit schon wieder sprachlichen Renovierungs- und Innovationsmaßnahmen zu unterziehen. Largo/Czernin (2011: 110) sprechen von einem schnellen Wandel und weisen darauf hin, dass von jeder Generation die Jugendsprache „neu geschaffen und emotional aufgeladen werde“. „Keine andere Sprechergruppe hat einen so markanten und zugleich wandlungsfähigen Stil wie die Jugendlichen“ (Marossek 2016: 39). Im Folgenden werden der Zweck und einige Merkmale von Jugendsprachen, die sich übrigens als gruppenspezifische Sprechweisen definieren, dargestellt.
2.2.1 Funktionen und Merkmale von Jugendsprache(n)Jugendsprache(n)
Die Tatsache, dass Jugendliche Sprache nicht nur übernehmen, sondern sie aktiv verändern und zum Teil neu gestalten, zeugt von ihrer KreativitätKreativität (vgl. 3.6), Explorationsfreude, Identitätssuche, sprachlichen Sensibilität und Emotionalität (vgl. 3.3). Jugendsprache dient dazu, sich einerseits abzugrenzen – nicht nur von den Erwachsenen, sondern auch von anderen Sprechergruppen (es gibt nicht die eine Jugendsprache, sondern verschiedene zur selben Zeit) – und andererseits, wie schon angedeutet, Zugehörigkeit zu pflegen und zu zeigen. „Zum Wesen der Jugendsprache gehört es, zu entfremden, zu zitieren und zu verbildlichen“ (Marossek 2016: 39) und in der Tat ist die Wahl der Lexik ein wichtiges Merkmal.1 Neben Wortschöpfungen und Entlehnungen aus anderen Sprachen (zum Englischen vgl. 2.1.3) – in diesem Zusammenhang wird mitunter auch auf KiezdeutschKiezdeutsch, einen neuen deutschen Dialekt (vgl. Wiese 2012: 10),2 als eine Form von Jugendsprache hingewiesen – sind auf Wortebene auch Reduktionen oder Erweiterungen der Bedeutung zu beobachten: „‚Fett‘ heißt dann so viel wie richtig toll, und ‚cremig‘ steht für locker und entspannt“ (Marossek 2016: 40). Für einiges gibt es außerdem auffallend viele synonyme Bezeichnungen, z.B. für Idiot (voll der Honk oder Hunk, Lauch, Alpaka, Hasenhirn, Lappen, Vollzonk, Bodenturner, Alpha-Kevin sowie Opfer, Horst, Schwachmat, Spacko, Spast, Vollspast oder Spasti etc.).3 Des Weiteren zählen die Verwendung von Umschreibungen und bildhaften Ausdrücken zu den Merkmalen von Jugendsprache, ebenso das Übertragen eines Wortes in eine andere Wortart, z.B. kann das Substantiv „Müll“ zu einem Verb, nämlich müllen, konvertiert werden. Der Name von Kanzlerin Merkel wurde zu merkeln (nichts tun, nicht reagieren, keine Entscheidung treffen) und hatte recht gute Chancen, zum Jugendwort des Jahres 2015 gewählt zu werden.4
Ein weiteres Merkmal von Jugendsprache betrifft außer- und übersprachliche Zeichen, d.h. Ausdrucksformen jenseits der Wort- und Satzebene, die einen großen Beitrag zur Kommunikation leisten. Gestische und mimische Mittel nehmen z.B. in den „teilweise ausgefeilten Begrüßungs- und Verabschiedungsritualen“ (Marossek 2016: 41) von Jugendlichen eine bedeutende Rolle ein, begleitet von Begrüßungsformeln, wie z.B. „Hey Kackspast!“, „[Name], du Spast, Alter!“ oder „Heeeyy, lassma gleich Späti gehen. Kommst du?“ als direkte Einladung, sich einer Unternehmung anzuschließen. Einige der Beispiele zeigen, dass auch bestimmte Stilmittel, z.B. Provokation, eine Rolle spielen: „‚Erzählen‘ unter Jugendlichen heißt u.a. sich das Rederecht zu erkämpfen und in einem ‚krassen‘ Beitrag Gruppenstimmung zu machen. Dazu bedarf es sozialer und rhetorischer Strategien, u.a. der Provokation“ (Steckbauer et al. 2014: 148).
2.2.2 СКАЧАТЬ