Sprachen lernen in der Pubertät. Heiner Böttger
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Название: Sprachen lernen in der Pubertät

Автор: Heiner Böttger

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823300229

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СКАЧАТЬ Gruppen bleibt positiv, einzig die dominante Rolle der Eltern bzw. der Familie ändert sich. Sie wünschen sich Unabhängigkeit und viele Kontakte, wollen aber auch den sicheren Hafen der Familie und Freunde nicht missen.Dies sind die neuen Prioritäten (vgl. Abb. 10).

      Abb. 10

      Werte Jugendlicher

      2.1.1 Eltern und Erziehungsberechtigte

      Noch in der Kindheit die absoluten Orientierungsfixpunkte, ab Beginn der PubertätPubertät scheinbar und zunehmend „entthront“ – so ändert sich, zugespitzt ausgedrückt, die Rolle der Eltern und Erziehungsberechtigten. Während der ersten Lebensjahre standen die Eltern uneingeschränkt im Mittelpunkt, im Kindergartenalter sowie in der Grundschule nahmen der Einfluss und die Vorbildwirkung der Erzieherinnen und Lehrkräfte deutlich zu, ohne die Leitposition zu stark zu beeinflussen. Am Ende richten Kinder ihre AufmerksamkeitAufmerksamkeit auf Gleichaltrige und ihre eigene Stellung innerhalb dieser Gruppe. Die Eltern werden bewusst zu Gunsten des Einflusses der AltersgenossenAltersgenossen in den Hintergrund geschoben.

      Als Vorbilder in Bezug auf kommunikative Mittel, wie Wortwahl, Register, Stil etc., werden Eltern ebenfalls durch peers ersetzt, die diese Rolle übernehmen. Paradox, aber zutreffend: Pubertierende Jugendliche erwarten nicht, dass Eltern sich nun auf das Sprachniveau der gleichaltrigen Freunde begeben, dies wird in der Regel eher als peinlich empfunden (vgl. 2.2.2).

      Als Kommunikationspartner sind Eltern dennoch weiter wichtig, nur die Inhalte der Gespräche ändern sich. Auf Ablehnung stoßen – eine Parallele zur mangelnden jugendlichen Akzeptanz von unterrichtlichem Befehlston – eindringliche Bitten, Aufforderungen, verbale Einbahnstraßen ohne partnerschaftliche Replikmöglichkeit. Dies erkennen Eltern nicht immer und fühlen sich persönlich in der ehemals so engen Beziehung herabgesetzt. Dies und die Enttäuschung, dass die gewohnte familiäre Idylle mit den klaren Hierarchien sich nun ändert, führt schnell zu Auseinandersetzungen, die ausufern können: Streitigkeiten, verbale Provokationen, Grenzüberschreitungen, letztlich Wut und Tränen bei allen Beteiligten, das ist ein Teufelskreis hauptsächlich von Fehlkommunikation, den es zu unterbrechen gilt.

      Die eigene Einstellung, die verantwortliche Haltung den Kindern gegenüber und das eigene, auch verbale Verhalten neu zu überprüfen, fällt verständlicherweise schwer. Dabei geraten Eltern häufig in typische kommunikative Verhaltensmuster, die diesen Prozess zusätzlich belasten:

      1 Überstarke Bindung wirkt kontraproduktiv. Die scheinbare Ablösung der eigenen Kinder durch übertriebene, sich mit den Problemen der Kinder identifizierende „Wir“-Formulierungen zu kompensieren und sich damit auf die gleiche Stufe zu begeben, verunsichert die Jugendlichen. Starke Kontrolle und Einschränkungen der Unabhängigkeitsbestrebungen sind ebenfalls ungünstig, um Kommunikation und Kontakt aufrechtzuerhalten.

      2 Elterliche unterschwellige Projektionen eigener Wünsche sind schwer zu entdecken. Jugendliche jedoch spüren sie schnell, denn unter dem Deckmäntelchen von liberalem Loslassen wird übergroßes Interesse durch ständiges Nachfragen und unterschwellige Botschaften transportiert. Schuld und schlechtes Gewissen sind das Resultat, deren ursächliche EntwicklungEntwicklung Jugendliche zurückverfolgen können. Eine unbeschwerte Kommunikation mit den Eltern ist dann kaum möglich.

      3 Überfordernd wirken letztlich Desinteresse, Gleichgültigkeit und zu früh und zu viel übertragene Selbstständigkeit. Der gesuchte Rat als willkommener partnerschaftlicher Kommunikationsanlass entfällt hierbei.

      Patentrezepte für eine gelungene Kommunikation zwischen Eltern und pubertierenden Jugendlichen gibt es nicht. Wesentliche Aspekte gelungener Ansätze sind jedoch partnerschaftlich ausgerichtete Gespräche, inhaltlich relevante Diskussionen auf Augenhöhe ohne „Verlierer“, sichere, souveräne Gelassenheit und Aushalten von Provokationen, permanentes, verlässliches und nachhaltiges Ernstnehmen der Anliegen der großen Kinder sowie elterliches Bewusstsein des Dilemmas der Jugendlichen zwischen Kontaktwunsch und Abgrenzung.

      2.1.2 Lehrkräfte

      Schule und PubertätPubertät scheinen auf den ersten Blick nicht recht zueinander passen zu wollen. Vorgegebene, systematische Progressionen der Curricula trotz aller IndividualitätIndividualität, Leistungsdenken und überbordende vermittelnde methodische Verfahren haben allen Reformbemühungen widerstanden. Die Stellvertreterinnen und Stellvertreter der Institution Schule, die Lehrkräfte, müssen, oft auch gegen ihre erklärte Überzeugung, diese in der Sekundarstufe aller Schularten noch nicht altersgerechte Ausrichtung von Lernmanagement an der Unterrichtsfront möglichst glaubhaft erhalten.

      Das hierarchische Prinzip sowie mangelnde Individualisierungsmöglichkeiten stehen jedoch in Widerspruch zu neurobiologischen und auch modernen pädagogischen und didaktischen Erkenntnissen. Auch wenn diese universitär vermittelt wurden und als Lehrkompetenzen quasi vorliegen, stehen strukturelle und organisatorische Belange bei Lehrkräften häufig im Vordergrund und lassen unterrichtliches Handeln nicht zu.

      Jugendliche, die sich ausdrücken wollen, müssen zuhören, und selbst wenn sie das nicht können, müssen sie so tun als ob. Die disziplinarischen Mittel, die Notengebung an der Spitze, reichen nicht immer aus, um die extrinsische MotivationMotivation zu gewährleisten. Das Ergebnis sind enttäuschende, frustrierende und verärgernde Kommunikationen, die alle Beteiligten nicht wollen.

      Die Lösung liegt trotz aller Einschränkungen bei den Lehrkräften selbst. Ihnen stehen umfassende professionelle Kompetenzen zur Verfügung (vgl. Böttger/BIG-Kreis 2007). Sie besitzen deshalb äußerst relevante

      1 Reflexionskompetenzen, um verbale Entgleisungen nicht persönlich zu nehmen, zugewandt und freundlich zu bleiben, Vorwürfen ernsthaft zu begegnen, Ratschläge nur gefragt zu erteilen, gezielt Gesprächstechniken einzusetzen sowie individuell Zutrauen und Vertrauen zu signalisieren.

      2 didaktische Kompetenzen für einen offenen, fordernden und fördernden Unterricht (siehe Kap. 5), mit Raum und Zeit für KreativitätKreativität, Experimente und Strategien.

      Die genannten Punkte beziehen sich auch und zuvorderst auf jede Fremdsprachenlehrkraft. Gerade beim sprachlichen Paradoxon, dem Unterschied in den kognitiven muttersprachlichen Fähigkeiten und dem sich entwickelnden Wissen auf der einen Seite sowie der noch reduzierten fremdsprachlichen PerformanzPerformanz auf der anderen, wird dies deutlich: Großzügigkeit, Fehlertoleranz, Vermittlung von Erfolgserlebnissen und Achtsamkeit sind didaktische Aspekte eines altersgerechten Fremdsprachenunterrichts. Verantwortlich zu kommunizieren, vor allem die Kompetenzunterschiede in der Fremdsprache nicht als Machtmittel zu missbrauchen, sind unverzichtbare Gelingensbedingungen.

      2.1.3 Peergroup

      In erster Linie ist eine peergroup eine in der Regel mehr oder weniger große Gruppe von Gleichaltrigen und Gleichgesinnten, in der sich wiederum „beste Freundinnen und Freunde“ sowie „Kumpel“ finden, mit denen Cliquen oder Banden gebildet werden. In der Regel bedeutet peer auch eine Art Gleichstellung, jedoch sind klare Hierarchien mit Anführern keine Seltenheit. Die peergroup wird weiter definiert durch die räumliche Nähe ihrer Mitglieder, durch ähnliche Interessenslagen, abgrenzende äußerliche Zeichen sowie durch einen eigenen Sprachstil (vgl. 2.2).

      Mit Blick auf die altersbezogene Sprachproduktion ist wegen des Strebens nach Selbstbewusstsein bei Pubertierenden das gezielte Verwenden besonders lässiger, „cooler“ Jugendsprache zu beobachten. Bei deutschsprachigen Jugendlichen ist dies z.B. der Ersatz deutscher Begriffe durch englische Ausdrücke (vgl. Böttger 20162).

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