Genderlinguistik. Helga Kotthoff
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Название: Genderlinguistik

Автор: Helga Kotthoff

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823301523

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СКАЧАТЬ target="_blank" rel="nofollow" href="#fb3_img_img_c939537e-c51c-5951-9fb0-3fea084ed2b8.jpg" alt=""/>Hirschauer (1993a) hat etwa dreißig Jahre später mittels einer ethnografischen Studie darüber, wie die Transition sowohl von Frau zu Mann wie von Mann zu Frau vor sich geht, sehr genau beschrieben, was medizinische und psychologische ExpertInnen leisten, um diese durch ihr professionelles Engagement eine soziale Wirklichkeit werden zu lassen. Dabei belegt er mit einer Fülle ethnografischer Daten die allgemeine These, „daß die medizinische Konstruktion der Transsexualität ein immanenter Bestandteil der zeitgenössischen Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit ist“ (ebd., 9). Gerade weil die Trennung der Geschlechter im Alltag immer weniger gelebt werde, erweise sich die „GeschlechtsidentitätGeschlechtsidentität“ als „letzte Bastion des Glaubens an ein wahres Geschlecht“ (1993, 115). Dieser Glaube findet sich nicht nur bei Stimmexperten und Kosmetikerinnen, die beim passing zu Werke gehen.

      2.2.2 Goffmans Sicht auf Arrangements der Geschlechter1

      Nur kurz nach Erscheinen von Garfinkels Studie hat Erving Goffman die Betrachtungsweise von Geschlecht innerhalb der Soziologie und den Kommunikationswissenschaften weiter revolutioniert. Er kritisiert im „Arrangement der Geschlechter“ (1977) die Sozialwissenschaften, welche bis dato die Prozesse der fortlaufenden Geschlechterkonstruktion kaum erforscht hätten. Für viele Wissenschaftler/innen war die Bedeutung des Faktors Geschlecht ein Phänomen, welches im Rahmen von Rolle, Privileg und Benachteilung erfassbar schien. Mit der Untersuchung von „Rollenverhalten“ seien sie, so Goffman, der immensen Bedeutung des geschlossenen Bündels an Glaubensvorstellungen und PraktikenKommunikative Aktivität nicht gerecht geworden, welche geltend gemacht werden, um das gesellschaftliche Arrangement der Geschlechter als natürliches auszugeben und abzusichern.

      Goffman ist hauptsächlich in seinem Buch „Gender Advertisement“ (1976, dt. „Geschlecht und Werbung“ 1981) und in seinem Aufsatz „The Arrangement between the Sexes“ (1977, dt. 1994) auf die Methoden der GeschlechterstilisierungStilisierung (Selbst- und Fremd-S.) eingegangen. Wir verdanken ihm die Betrachtungsweise von Geschlecht als naturalisiertem Ordnungsfaktor von Interaktionen, eine Konzeption, welche weit reichende theoretische und empirisch-forschungspraktische Ausblicke auf Fragen von Geschlechterverhältnissen und Kommunikation eröffnete.

      Seine Genderanalysen fügen sich konsequent in seine Studien zu InteraktionsritualenInteraktionsritual ein. Sein Forschungsprogramm lässt sich als das Studium der direkten und unmittelbaren Interaktion umreißen, wie es Knoblauch im Vorwort zur Herausgabe seiner Schriften zu Gender (1994) herausgearbeitet hat. Im Zusammenhang mit der Erforschung der Interaktionsordnung hat er sich auch Fragen der Darstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit gewidmet; diese Darstellungen implizieren immer auch normative Zuweisungsakte für die gesellschaftlichen Plätze der Individuen. Verschiedentlich ist Goffman dem Vorwurf begegnet, er analysiere nicht die Gesellschaft mit ihren Schichten-, Klassen- und Einkommensstrukturen, sondern Verhalten von Individuen. Dieser Vorwurf könnte potentiell auch die Genderanalysen betreffen. Kaum je ist bei ihm die Rede davon, dass Männer weltweit den Großteil der Produktionsmittel besitzen und Frauen schlechter bezahlt werden und außerdem in der Regel die Familienarbeit auf ihren Schultern lastet. Hier gilt, was er in der „Rahmen Analyse“ süffisant zu Bedenken gab: „Persönlich halte ich die Gesellschaft in jeder Hinsicht für das Primäre und die jeweiligen Beziehungen eines einzelnen für das Sekundäre; die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich nur mit Sekundärem (22ff.).“

      Goffman geht davon aus, dass sich die Verhaltenssymbolik der Geschlechter zu einem gewichtigen Teil an der Mittelschichts-Idealversion des Eltern-Kind-Komplexes orientiere. Zu diesem humanen Grundmuster gehöre das hilflose Kind und der es beschützende Erwachsene. Da Goffman glaubt, dass Männlichkeitsrituale sich eher am Elternstatus orientieren und Weiblichkeitsrituale sich eher am Kindstatus, belasse ich es bei der Redeweise „der Erwachsene“. Wir zählen ein paar Bereiche auf, in denen Rituale des Genderismus Elemente aus dem Eltern-Kind-Komplex in Szene setzen.

       Das Kind ist bewegungsmäßig instabil. Es wird vom Erwachsenen gestützt. Weibliche Kleidung (Stöckelschuhe, enge und komplizierte Röcke) ritualisiert Instabilität.

       Der Erwachsene erklärt dem Kind die Welt; er belehrt und das Kind nimmt die Belehrungen an. In unserer Berufswelt gelangen Frauen seltener in die Positionen und Institutionen, welche die Welt erklären.

       Das Kind darf sich emotional freier ausdrücken als der beherrschte Erwachsene. Es darf weinen, herumalbern und euphorische Bewegtheit ausdrücken. Starke Gefühlsbewegungen gelten bei uns als unmännlich, aber durchaus als weiblich.

       Der Erwachsene muss immer bereit sein zur Selbstverteidigung, Frauen und Kinder nicht. Männer bewaffnen sich auch in Bedrohungssituationen mehr als Frauen.

      2.2.3 Geschlecht als reflexiv institutionalisiert

      An der Dramatisierung (Relevanzzuspitzung) der sexuierten Sozialordnung in alltäglichen Begegnungen sind viele Verhaltensdimensionen beteiligt, z.B. kann ich mich mehr oder weniger genderisiert kleiden oder mich mehr oder weniger im Sinne kultureller Stereotype verhalten. Ich kann als Frau eine hohe StimmeStimme mit starker Behauchung für mich einspielen oder auch nicht (Kap. 3).

      Ähnlich wie die EthnomethodologieEthnomethodologie geht Goffman davon aus, dass der Zugang zu gesellschaftlichen Positionen, Rängen und Funktionen kein ausschließlich exogener Faktor der Kommunikation ist, sondern endogen in der sozialen Begegnung mitproduziert wird. Ich bin also im Bezug auf meine Rolle gesellschaftlich nicht ausschließlich durch äußere Faktoren festgelegt, sondern produziere sie selbst im Austausch mit. Daher rührt das starke Interesse der sozialkonstruktivistischen Richtungen an Interaktionen.

      

Rekonstruktion der Genderrelevanz: Hier lässt sich nachzeichnen, dass beispielsweise eine junge Frau in einem Prüfungsgespräch kaum zu Wort kam, weil der ältere, männliche Professor die Themen selbst ausformulierte. Wenn wir nur diesen einen interaktionalen Kontext analysieren, können wir die Struktur des Gesprächs beschreiben, wissen aber nicht, ob hier tatsächlich Genderkategorien die institutionellen Kategorien überschrieben haben. Wusste die junge Frau nichts, so dass der Professor selbst reden musste? Tritt der Professor gegenüber männlichen und weiblichen Studierenden unterschiedlich auf? Wenn wir sagen, dass Gender aus einem Bündel an Typisierungen besteht, müssen wir diese personen- und situationenübergreifend nachweisen.

      In „Das Arrangement der Geschlechter“ erläutert Goffman Geschlecht als eine Angelegenheit institutioneller Reflexivität. Das heißt, dass das soziale Geschlecht so institutionalisiert wird, dass es genau die Merkmale des Männlichen und Weiblichen entwickelt, welche angeblich die differente Institutionalisierung begründen. Sein durchgängiges Argument lautet, dass die körperlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern als solche keine große Bedeutung haben für die Fähigkeiten, die wir für die Bewältigung der meisten Aufgaben im Alltag brauchen. Warum also, lautet dann die Frage, lassen Gesellschaften irrelevante Unterschiede sozial so bedeutsam werden, dass sich die ganze Arbeitsteilung darauf aufbaut? Diese Institutionalisierung von zwei Geschlechtern schließt immer auch normative Zuweisungsakte für die gesellschaftlichen Plätze der Individuen ein. Unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten zu gesellschaftlichen Positionen sind darin eingeschlossen. Wenn beispielsweise weibliche Wesen als zart gelten, kann die Kleidung dies unterstreichen (was sie bis heute in vielen Kulturen tut). Man erlaubt weiblichen Kindern kein lautes Herumbrüllen, weil es nicht zu den Annahmen passt, die man sich bereits gebildet hat. Zur Zartheit passt Turnen besser als Fußball. Solche Prozesse der Verstetigung nennt Goffman „Institutionalisierung“.

      2.2.4 Rückbindungen ans СКАЧАТЬ