Der Philipperbrief des Paulus. Eve-Marie Becker
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Philipperbrief des Paulus - Eve-Marie Becker страница 11

СКАЧАТЬ – so wie Paulus – als Vorlagen zu solchen Idealporträts. So kommt in dem Gemälde „Der Apostel Paulus im Gefängnis“ von 1627, das sich in der Staatsgalerie Stuttgart befindet, beides zusammen – Rembrandts tiefe Kenntnis von Menschen sowie sein Interesse an biblischen ThemenRembrandt van Rijn2: Und gerade mit diesem Gemälde gelingt es ihm, eine menschliche Gestalt in ein biblisches Thema zu transponieren und – umgekehrt – der wichtigsten Person des frühen Christentums ein individuelles menschliches Profil zu verleihen.

      RembrandtRembrandt van Rijn ist erst 21 Jahre alt und lebt noch in seiner Geburtsstadt Leiden, als er den gealterten Apostel Paulus in einer Gefängniszelle darstellt. Das Gemälde zählt zu Rembrandts Frühwerken, ist also entstanden, bevor dieser nach Amsterdam übersiedelte und hier sehr schnell als Bildnismaler Karriere machte. Doch ist dieses frühe Gemälde bereits charakteristisch für Rembrandts Schaffen insgesamt. Denn auch in späteren Gemälden – wie etwa bei „Petrus und Paulus im Gespräch“ (1628, National Gallery of Victoria, Melbourne) – wird sich Rembrandt mit der Gestalt des Apostels Paulus befassen. Und 1661, als er etwa acht Jahre vor seinem Tod im Alter von 55 Jahren ein Selbstporträt – ein von Rembrandt bevorzugt gewähltes genre, mit dem er gleichsam eine zusammenhängende Selbstbiographie schafftGombrich, Ernst H.3 – malt, stellt er sich hier sogar selbst als Apostel Paulus dar („Selbstporträt als Apostel Paulus“, 1661, Rijksmuseum, Amsterdam). So begleitet der ‚Apostel Paulus‘ als PersonPerson, persona und Motiv das künstlerische Schaffen Rembrandts zeitlebens.

      2. Zur Bildbeschreibung

      2.1. Ikonographie

      In RembrandtsRembrandt van Rijn Gemälde „Der Apostel Paulus im GefängnisGefängnis“ ist Paulus allein zu sehen – es handelt sich um ein Idealporträt. Paulus tritt uns trotz seiner leicht gebückten Körperhaltung als kräftig gewachsene Apostelgestalt entgegen. Hier liegt ein neuzeitlicher Bildtypus vor, der wesentlich dem durch die Apostelgeschichte entworfenen Paulus-Bild entspricht und sich von den frühen Paulus-Darstellungen, die Paulus klein, mit Glatze und gebogener Nase zeigen und die auf dem durch die Acta Pauli konzipierten Paulus-Bild basieren (Act Pl 3,2-3), unterscheidet1.

      Paulus ist sichtlich gealtert und trägt leicht gewelltes weißes Haar sowie einen an die Philosophentradition angelehnten langen Bart. Die Augen des Apostels wirken müde, doch der aufgestützte rechte Arm sowie der fest umgriffene Schreibstift in der linken Hand demonstrieren Entschlossenheit. Der Blick ist diagonal leicht nach unten gerichtet und verläuft parallel zu dem einfallenden Lichtstreifen, der in Hinsicht auf Richtung und Farbe auf eine tiefstehende frühabendliche Sonne schließen lässt. Der Lichtstreifen illuminiert besonders den Kopf und Rumpf, d.h. die Schreibhaltung des Apostels. Im Zentrum des Bildes befindet sich der auf einen Codex gestützte rechte Ellenbogen des Paulus. Die rechte Hand stützt das Kinn und bringt – in paralleler Linienführung zum stehenden Schwert – einen Gestus der Nachdenklichkeit zum Ausdruck. Durch die Bildaufteilung wird der briefschreibende Paulus betont. RembrandtRembrandt van Rijn stellt Paulus also im Typus des sitzenden Evangelisten dar2, der schon in der mittelalterlichen und neuzeitlichen Kunst als ‚sinnender Apostel‘ bei der Abfassung seiner Briefe vorgeprägt ist3 (als zeitliche Parallele zu Rembrandt vgl. auch Jan Lievens [1607-1674], „Der Apostel Paulus“, ca. 1629, Kunsthalle, Bremen). Das rechte Bein des Apostels ist leicht nach außen gedreht, so dass der nackte, auf einem Steinvorsprung neben dem Schuh liegende rechte Fuß stärker in das Augenmerk des Betrachters fällt.

      RembrandtRembrandt van Rijn van Rijn, Paulus im GefängnisGefängnis (1627). Staatsgalerie Stuttgart. Foto: anagoria. https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:1627_Rembrandt_Paulus_im_Gef%C3%A4ngnis_Staatsgalerie_Stuttgart_anagoria.JPG

      2.2. Attribute

      Das wichtigste, wenngleich auch auf der linken Seite im Schatten befindliche Attribut ist das vertikal stehende Schwert, das besonders seit dem 13. Jh. für Paulusdarstellungen obligatorisch wird1. Es findet sich aber schon auf dem sog. Bassus-SarkophagBassus-Sarkophag (359 n.Chr.) und symbolisiert in der Frühzeit der Paulus-Ikonographie den Märtyrertod des Apostels: Da Paulus sich nach der Darstellung der Apostelgeschichte (Apg 22,2805Apg22,28) auf das römische Bürgerrecht berufen konnte, wurde er vermutlich durch das Schwert hingerichtet, also enthauptet. Die frühesten Hinweise auf den Tod des Paulus in 1 Clem 51 Clem5,3ff.1 Clem5,3ff. allerdings geben keinerlei Aufschluss über die Art des paulinischen Martyriums. In späterer Zeit scheint das Schwert auch allegorisch gedeutet und auf die Schärfe der theologischen Verkündigung des Paulus (z.B. 1 Kor 1-2071 Kor01-2) bezogen worden zu sein2. Auch in dem „Selbstporträt als Apostel Paulus“ (ca. 1661) verweist RembrandtRembrandt van Rijn – wenn auch nur in Andeutung – auf das Schwert als Attribut.

      In der protestantischen Tradition tritt zu dem Attribut des Schwertes vielfach das Buch hinzu3: In RembrandtsRembrandt van Rijn Darstellung, wo mehrere geöffnete und geschlossene Codices sowie einzelne Manuskriptseiten rechts von der Apostelgestalt auf der Schlafstätte aufliegen, berühren sich die Attribute Schwert und Buch sogar direkt, so dass die allegorische Deutung des Schwertes ausgearbeitet zu sein scheint. Der ausgezogene rechte Schuh und der auf einem Steinvorsprung ruhende rechte Fuß erinnern an die bei seiner Berufung in Ex 3,502Ex03,5 an Mose ergangene Aufforderung, sich ohne Schuhe Gott zu nähern: „Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land.“ Auch darüber hinaus schafft Rembrandt eine Paulus-Mose-Typologie: Denn obwohl das Gemälde keinerlei Inschriften oder Anspielungen auf bestimmte Bibelverse oder Zitate aus den Paulus-Briefen enthält, verweist der einfallende Lichtstreifen doch implizit auf 2 Kor 3,18082 Kor03,18, d.h. auf einen Vers, der kunstgeschichtlich gerne und oft mit der Paulus-Ikonographie verbunden wird4: „Nun aber schauen wir alle mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel, und wir werden verklärt in sein Bild von einer Herrlichkeit zur andern von dem Herrn, der der Geist ist.“ Genau dieser Vers aber findet sich im 2 Kor am Ende jenes Abschnittes, in welchem Paulus den apostolischen Dienst mit dem Dienst des Mose vergleicht.

      3. Der biblische Hintergrund

      In RembrandtsRembrandt van Rijn Gemälde „Der Apostel Paulus im GefängnisGefängnis“ sind zwei wesentliche neutestamentliche Motive verarbeitet und miteinander verbunden, nämlich erstens die GefangenschaftGefangener, Gefangenschaft des Paulus und zweitens der briefeschreibende Paulus – ein Motiv, auf dessen Basis Rembrandt den Paulus als Evangelisten stilisiert.

      Die GefangenschaftGefangener, Gefangenschaft des Paulus ist in den neutestamentlichen Schriften literarisch gut dokumentiert: Fünf der insgesamt dreizehn unter dem Namen des Paulus überlieferten Briefe sind offenbar in der Situation einer Gefangenschaft entstanden (Phil, Phlm, Kol, Eph; 2 Tim). Diese Briefe werden daher als sog. GefangenschaftsbriefeGefangenschaftsbrief(e) bezeichnet. Nach modernem Forschungsstand sind allerdings nur zwei dieser Briefe (Phil, Phlm) authentisch, d.h. tatsächlich von Paulus in seiner Gefangenschaft abgefasst. Unklar bleibt, um welche Gefangenschaft des Paulus es sich hier jeweils historisch handelt oder welche Gefangenschaft in den drei pseudepigraphenPseudepigraphie, pseudepigraph Briefen literarisch fiktiv entworfen ist: Den sog. Peristasenkatalogen (z.B. 2 Kor 11,23ff.082 Kor11,23ff.), in denen Paulus seine Leiden als Apostel aufzählt, ist jedenfalls zu entnehmen, dass Paulus mehrfach und in verschiedenen Zusammenhängen in Gefangenschaft geriet. Nehmen wir die Zeugnisse der Apostelgeschichte hinzu, so müssen wir davon ausgehen, dass Paulus an unterschiedlichen Orten, nämlich offenbar in EphesusEphesus (vgl. 2 Kor 1,3-11082 Kor01,3-11), in PhilippiPhilippi (vgl. Apg 1605Apg16,2305Apg16,23ff.05Apg16,23ff.), in CaesareaCaesarea (Apg 23-2605Apg23-26) und erst zuletzt in RomRom (Apg 2805Apg28) in Gefangenschaft war.

      Auch über Paulus hinaus ist die GefangenschaftGefangener, Gefangenschaft von wichtigen СКАЧАТЬ