Internationale Beziehungen. Anja Jetschke
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Название: Internationale Beziehungen

Автор: Anja Jetschke

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия: bachelor-wissen

isbn: 9783823300038

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СКАЧАТЬ forderte die westeuropäische Verteidigungsfähigkeit und die der NATO grundlegend heraus. Die Sowjetunion wäre in der Lage gewesen, eine Reihe strategischer Ziele in Westeuropa zu erreichen, ohne dass sie die USA in einen Krieg hätte verwickeln müssen. In der Konsequenz hieß das, dass ein potentieller Atomkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion allein in Europa hätte ausgetragen werden können. Vor allem in den Augen der westeuropäischen politischen Eliten barg dies das Risiko, dass die Sicherheit der USA von der europäischen Sicherheit entkoppelt würde. Aufgrund der Unterscheidungsfähigkeit zwischen einem Atomkrieg in Europa mit und ohne Beteiligung der USA nannte Helmut Schmidt die SS-20 deshalb auch eine „eurostrategische Nötigungswaffe“ (zitiert nach Rühl 2013). Die Episode führte schließlich zur Verabschiedung des NATONATO-Doppelbeschlusses 1979 und zu einer umstrittenen Aufrüstungsinitiative unter der Reagan-Administration, die Strategic Defense Initiative (SDI). Dabei handelte es sich um ein weltraumgestütztes Abwehrsystem für Interkontinentalraketen. Sie war deshalb umstritten, weil sie die Zweitschlagskapazität der Sowjetunion eingeschränkt und damit die Politik der wechselseitigen Abschreckung unterlaufen hätte.

      Globale Nuklearwaffenbestände 1945–2010

      Anmerkung: Differenz zur Gesamtzahl ergibt sich aus den Nuklearwaffenbeständen der anderen Nuklearmächte

      Der Beschluss heißt NATONATO-Doppelbeschluss, da er bis 1983 eine Modernisierung der in Europa stationierten Pershing-Raketen vorsah, der Sowjetunion aber gleichzeitig ein Verhandlungsangebot zu Begrenzung nuklearer Mittelstreckenwaffen machte. Der Beschluss führte zu massenhaften Protesten vor allem in der Bundesrepublik und der Formierung einer Friedensbewegung.

      Die Sowjetunion brach schließlich 1990 – auch als Folge ihrer kostspieligen Intervention in Afghanistan und der innerstaatlichen Kritik daran – wirtschaftlich zusammen und löste sich 1991 auf, fast 70 Jahre nach ihrer Gründung. Eingeleitet wurde das Ende des Ost-West-KonfliktsOst-West-Konflikt durch die Perestroika-PolitikPerestroika-Politik Michail Gorbatschows, mit der eine politische Öffnung der Sowjetunion einherging, die schließlich im Zusammenbruch des Ostblocks durch demokratische Revolutionen endete.

      Die Auflösung der SowjetunionAuflösung Sowjetunion begann mit der Unabhängigkeitserklärung aller 15 Unionsrepubliken 1990. Sie nahmen damit ihr verfassungsmäßig garantiertes Recht zum Austritt aus der Sowjetunion wahr oder wiesen auf die zwangsweise Eingliederung hin, wie im Fall der baltischen Staaten, die während des Zweiten WeltkriegZweiter Weltkriegs annektiert worden waren. Elf der ausgetretenen Staaten (alle ehemaligen Sowjetrepubliken bis auf die baltischen Staaten und Georgien) traten jedoch einer neuen Organisation bei, der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Sie wurde am 21.Dezember 1991 gegründet.

      Die Ordnung nach dem Ost-West-Konflikt

      Die Post-Ost-West-Konflikt-ÄraPost-Ost-West-Konflikt-Ära ging mit einer Reihe von dramatischen Veränderungen in den internationalen Beziehungen einher. Aus dem Konflikt gingen die USA als die einzig verbleibende Macht hervor. Der amerikanische Politikwissenschaftler Charles Krauthammer prägte dafür den Begriff des unipolaren Momentunipolares MomentEnde des Kalten Kriegs als unipolares Moment (Krauthammer 1991). Militärisch betrachtet waren die USA die zu diesem Zeitpunkt mit Abstand führende Macht im internationalen System. Sie waren nicht nur eine Supermacht, sondern eine Hypermacht. Der wirtschaftliche und politische Niedergang der Sowjetunion hatte eine weltpolitische Konfrontation beendet, ohne dass diese in einen zerstörerischen Krieg eskaliert war. Der Kalte Krieg war nicht nur unblutig zu Ende gegangen, sondern hatte auch mit dem Sieg von Demokratie und freier Marktwirtschaft geendet. Der politische Philosoph Francis FukuyamaFukuyama, Francis bezeichnete diesen Moment als das „Ende der Geschichte“: Der historische Kampf um Anerkennung war mit der weltweiten Demokratisierung zu einem Ende gekommen (vgl. Einheit 7). Diese Analysen erwiesen sich nur als teilweise richtig.

      Aus der Abwesenheit einer Katastrophe ergab sich die Abwesenheit einer großen Weltkonferenz über ein neues Friedenssicherungssystem oder regionale Friedenssicherungssysteme. Stattdessen vollzog sich ein inkrementeller Wandel, der entweder auf bestehenden Strukturen, die sich global und regional herausgebildet hatten, aufbaute, oder aber zu deren Schaffung führte. Neben der überragenden Rolle der USA, die wichtige Strukturveränderungen unilateralAmerikanischer Unilateralismus herbeiführte, waren wichtige Antriebskräfte dieser Entwicklung internationale Organisationen, die multilaterale Verfahren weiterentwickelten und eine Verrechtlichung der internationalen Beziehungen bewirkten (Alter 2014).

      Das unipolare Moment ging mit einer Reihe von Initiativen seitens der USA einher, die darauf abzielten, die Welt „für Demokratien sicherer“ zu machen: Dazu gehörte die Unterstützung für Prozesse der innerstaatlichen Demokratisierung, die globale Abrüstung, der Stopp der Proliferation von Atomwaffen. Die USA setzten hierfür auch vermehrt Sanktionen gegen Staaten ein (Hufbauer u.a. 2007). Nach den Terrorangriffen auf die USA im September 2001 gingen sie zu einem konzertierten Kampf gegen den globalen Terrorismus über. Diese Strategie führte jedoch zu Widersprüchen mit den etablierten Institutionen der internationalen Gemeinschaft, vor allem dem Sicherheitsrat der VN. Die US-Administration unter George W. Bush und ihre Verbündeten umgingen in wichtigen Fragen der (amerikanischen) Sicherheit den VN-Sicherheitsrat als das höchste multilaterale Entscheidungsgremium der internationalen Gemeinschaft, so bei dem NATO-Einsatz im Kosovo 1999 oder dem von den USA und Großbritannien geführten Krieg gegen den Irak 2003. Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildete die US-Ankündigung, das völkerrechtliche Nichtangriffsgebot durch ein Recht des präventiven Angriffs auf von den USA definierten Schurkenstaaten zu durchlöchern und im Kampf gegen den Terrorismus international verankerte Menschenrechtsnormen nicht zu beachten, wie etwa das Recht auf Haftprüfung und ein faires Gerichtsverfahren (vgl. Einheit 13).

      Merke

      Das unipolare Moment ist ein Charakteristikum der Ordnung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. Daneben lässt sich jedoch auch die Weiterentwicklung der nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen internationalen Organisationen, vor allem der Vereinten Nationen, beobachten. Dieser Bedeutungszuwachs ergab sich einerseits daraus, dass die Konfliktlinien des Ost-West-Konflikts keine Relevanz mehr hatten. Dem Ende des Ost-West-Konflikts folgte ein neuer Geist internationaler Kooperation und der Wille, internationale Institutionen effektiver und durchsetzungsfähiger zu machen.

      Die als erfolgreich wahrgenommenen Institutionen des Westens sollten für die Staaten des ehemaligen Ostblocks oder die Blockfreien zur Integration geöffnet werden. Dies erforderte jedoch vielfach auf die größere Mitgliedszahl abgestimmte effizientere Entscheidungsmechanismen. Internationale und regionale Organisationen erhielten mehr Autoritätwachsende Autorität internationaler Organisationen gegenüber ihren Mitgliedern. Mit dem Internationalen Strafgerichtshof wurde außerdem eine neue Institution geschaffen, die mit der Strafverfolgung von Hauptverantwortlichen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch die individuelle Seite der Friedenssicherung bearbeitet. Die Handels- und Finanzinstitutionen entwickelten sich zudem zu globalen Organisationen.

      Neben dieser Ausweitung im Aufgabenbereich internationaler Organisationen lassen sich noch zwei weitere zentrale Trends beobachten: Zum einen eine RegionalisierungRegionalisierung der internationalen Beziehungen, die sich darin ausdrückt, dass sowohl Kompetenzen von der internationalen auf die regionale Ebene verlagert werden, als auch Kompetenzen von der staatlichen auf die regionale Ebene; zum anderen der Aufstieg von Schwellenländern, insbesondere der größten Staaten Brasilien, China und Indien. Regional lassen sich sehr unterschiedliche Trends beobachten: Während in Lateinamerika, Asien und Afrika eine Regionalismuswelle mit der Gründung einer Vielzahl von Regionalorganisationen eingesetzt hat, hat die letzte Demokratisierungswelle ab 2011 im Nahen und Mittleren Osten einen Flächenbrand aus sich transnationalisierenden Bürgerkriegen ausgelöst.

      Die СКАЧАТЬ