Kreaturen des Todes - 2. Band. Walter Brendel
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Название: Kreaturen des Todes - 2. Band

Автор: Walter Brendel

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783966511513

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СКАЧАТЬ Die Ermittler fanden unter anderem mehr als 1.000 DM in bar, Goldschmuck sowie Briefe eines namhaften Freiers und Tonbänder. Die Kripo versuchte, den Namen des prominenten Herren aus der Wirtschaft zu verschleiern und verwischte die Spuren.

      Doch nicht nur der namhafte Industrielle vergnügte sich mit der jungen Dame: Ein großer Teil der Frankfurter High Society klopfte an Nitribitts Tür.

      Sogar ein Fürst und ein Bonner Politiker sollen zu ihren Kunden gezählt haben. Die Gerüchteküche um ihre Kundenliste brodelte genauso wie die Frage nach dem Täter. War der Mörder etwa eine Person aus der Oberschicht?

      Als potenzielle Täter, denen man einen Mord zutrauen würde, kamen viele infrage. Rosemarie Nitribitt war eine begehrte Prostituierte und harte Konkurrenz für andere leichte Mädchen und deren Zuhälter. Zudem standen auf ihrer Kundenliste genügend Herren, die eine Liaison mit einer Prostituierten um jeden Preis hätten vertuschen wollen.

      Rosemarie Nitribitt war eine Frau, die Aufsehen erregte. Sie ging nicht auf den Straßenstrich, sondern fuhr durch die Stadt, parkte vor Luxushotels und suchte sich ihre Freier selbst: erst in einem Opel Kapitän, dann im glamourösen Mercedes 190 SL, schwarz, rote Ledersitze, Weißwandreifen. Eine attraktive Frau, stets geschmackvoll gekleidet, Nerzmantel, Brillantring, dazu ein weißer Pudel namens Joe. Sie suchte sich zahlungskräftige Kunden, bot ihre Dienste aber auch mal für einen 50-Mark-Schein an und scheffelte so ein Vermögen.

      Raubmord, vermuteten daher die Ermittler und verhafteten nach monatelanger Stümperei den Handelsvertreter Heinz Pohlmann, einen chronisch verschuldeten Freund Nitribitts. Der Indizienprozess endete allerdings, wie wir wissen, mit Freispruch.

      Weitere Prominente wurden verhört, doch deren Spuren verschwanden auf mysteriöse Weise im Laufe der Ermittlungen - wodurch die Verschwörungstheorien noch angefeuert wurden. Für Außenstehende war es nicht verständlich, warum ausgerechnet in diesen Fällen Spuren verwischt oder ihnen nicht nachgegangen wurde.

      Ein Verdächtiger der Polizei stammte aus der Mittelschicht, der jedoch nur deshalb beschuldigt wurde, weil er Geldsorgen hatte - Nitribitt wiederum hatte ein großes Vermögen angehäuft. Doch auch von ihm ließen die Ermittler letztlich ab.

      Aus den höheren Kreisen, in denen sie verkehrte und die Polizei Befragungen anstellte, drang dagegen gar nichts. Dabei hatte die junge Frau die halbe Wirtschaftswunderprominenz im Adressbuch stehen; zu ihren Kontakten zählten etwa die Millionärsbrüder Gunter und Ernst Wilhelm Sachs oder auch Harald Quandt, Sprössling des Großindustriellen-Clans.

      Der Krupp-Erbe Harald von Bohlen und Habach schrieb ihr gar Liebesbriefe; nur eine Hochzeit kam für ihn nicht infrage. Tatsächlich geriet Harald von Bohlen und Halbach ins Visier der Ermittler, es wurde schließlich ein Teilabdruck seiner linken Hand an einer Flasche Rotwein am Tatort gefunden. Am Ende gab sich die Polizei jedoch mit einem Alibi der Haushälterin aus der Krupp-Familie zufrieden.

      In der prüden, biederen Adenauer-Republik war schon allein die Existenz dieser Frau skandalös; eine derartige Liaison wäre aber schlicht undenkbar gewesen.

      Ob es tatsächlich Liebe zwischen ihnen war? Möglich. Rosemarie Nitribitt gab sich rätselhaft, zeigte sich von mädchenhaft über verführerisch bis vulgär und abgebrüht in allen Facetten. Laut Christian Steiger, Autor des Buchs „Rosemarie Nitribitt – Die Autopsie eines deutschen Skandals“, sehnte sie sich aber eigentlich nach Nähe, Familie und einem Häuschen auf dem Land, kurz: einer bürgerlichen Existenz.

      Das klingt unbedingt nicht nach „Rebecca“, womöglich aber nach der unehelich geborenen Maria Rosalie Auguste, wie Nitribitt in Wirklichkeit hieß. Jener jungen Frau, die erst in einer Pflegefamilie und dann in brutalen Erziehungsheimen aufgewachsen war, mit elf vergewaltigt wurde, immer wieder abhaute und sich schon als Teenager Soldaten andiente. Jener jungen Frau, die sich oft unglücklich verliebte, Affären mit Männern oder auch Frauen hatte und zuletzt Geld und Verehrer um sich scharte. Nur die echte Liebe, die blieb ihr verwehrt. Die käufliche Liebe machte sie dafür berühmt – und wurde ihr wohl zum Verhängnis.

      Der Mörder ist bis heute nicht gefasst, doch die Verschwörung rund um die Krupp-Familie hat nie ein Ende gefunden. Heinz Pohlmann schrieb für die Illustrierte "Quick" an der Serie "Quick sucht den Mörder der Nitribitt", die nach einigen Folgen jedoch eingestellt wurde.

      Hintergrund war eine Zahlung der Firma Krupp an den Autoren, aufgrund dessen Pohlmann die Arbeit an der Reihe stoppte. Der Industriellen-Familie ging es dabei darum, ihren Namen aus dem Spiel zu lassen. Doch seitdem ranken sich unzählige Mythen um die gesamte Geschichte, die in mehreren Filmen verarbeitet wurde.

      Kein Wunder: Schließlich bieten die Fehler der Polizei, absichtlich verwischte und seltsamerweise verschwundene Spuren sowie die nicht nachgegangenen Fährten genug Stoff für jede Menge Krimis.

      Als Kind vergewaltigt, geriet Rosemarie Nitribitt früh auf die schiefe Bahn. Im fabrikneuen Cabrio wirbelte sie die verstaubte Ära Adenauer auf. Doch ihr Traum vom sozialen Aufstieg endete böse.

Wusste sie zu viel? Die Prostituierte Rosemarie Nitribitt im Jahr ihrer Ermordung 1957.

      Rosemarie Nitribitt im Jahre ihre Ermordung

      Zerbrechlich war die christlich-demokratische Bundesrepublik unter Adenauer, im Brennpunkt des heißesten Kalten Krieges. Die Russen schossen als Trockenübung schon einmal ihre Sputniks in die Erdumlaufbahn, und nach der NS-Katastrophe bemühte Deutschland sich tunlichst, die Trümmer der Vergangenheit beiseite- und seine «bürgerliche Wohlanständigkeit» herauszukehren.

      Es ist beinahe unerträglich, wie selbstgerecht und zugleich lächerlich verklemmt es da zuging. Wie sich die voyeuristische Boulevardpresse und die klatschsüchtige Gesellschaft an dem Sittenskandal weideten, ohne das Treiben beim Namen zu nennen. «Wer waren ihre Freunde?», fragte die «Frankfurter Rundschau» nach Nitribitts Tod und suchte selbstverständlich ihre Freier.

      Die Polizei schickte bei Gunter Sachs’ detailreichem Verhör über Nitribitts sexuelle Vorlieben die Stenotypistin aus dem Raum und entschärfte die erwähnten Blow-Jobs zu «Mundverkehr». Benimmbücher fanden in den Fünfzigern reissenden Absatz, Unmoral aber fand, wenn überhaupt, im Sperrbezirk am Rande der Gesellschaft statt. So schön, so verlogen. Ernst Wilhelm Sachs ließ die Edelhure zwar ein paar Tage in seiner Wohnung bleiben – länger aber nicht.

      Rosemarie Nitribitt war der lebende Beweis dafür, dass das Laster mitten unter ihnen war. Zwischen ihren Heimaufenthalten tauchte sie immer wieder in Frankfurt am Main ab und träumte im Schatten von Bankenbauten und gen Himmel wachsenden Häusern von Geld und Ansehen. Einer Kollegin aus dem Milieu sagte Nitribitt, sie wolle eine reiche, anerkannte Ehefrau werden und «einen großen Salon führen». Eine Weile arbeitete sie als Hausmädchen bei einer Bäckersfamilie, in einem Familiencafé und auf einer Hühnerfarm. Das meiste Geld verdiente die unbelehrbare Schulabbrecherin aber auf dem Strich.

      «Keineswegs besonders attraktiv» fand der Journalist Erich Kuby die Nitribitt, die postum in dessen Buch als «Des deutschen Wunders liebstes Kind» auferstand. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» meinte später gnadenlos, «ihr durchschnittliches Gesicht mit der kurzen, etwas plumpen Nase und der leicht zynisch geschürzten Oberlippe wäre hinter keinem Ladentisch und keiner Ausschanktheke aufgefallen.»

      Auf einer Polizeifoto von 1951 wirkt die damals 18-Jährige wirklich kein bisschen glamourös, eher mausgrau, aschfahl und sturzunglücklich.

      Aber Rosemarie Nitribitt mauserte sich. Wenn schon Hure, dann wollte sie keine billige sein. Sobald Nitribitt mit 21 Jahren volljährig war und offiziell keinen Vormund mehr СКАЧАТЬ