Название: Das Antikrebs-Buch
Автор: David Servan-Schreiber
Издательство: Bookwire
Жанр: Медицина
isbn: 9783956140839
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Bei den 49 Patienten, die ihren Lebensstil nicht geändert und auf eine regelmäßige Überwachung der Krankheit vertraut hatten, verschlechterte sich der Krebs in sechs Fällen; diese Männer mussten sich einer Operation unterziehen, gefolgt von einer Chemotherapie und Bestrahlung. Von den 41 Patienten, die an Ornishs Pogramm teilgenommen hatten, benötigte dagegen kein Einziger eine derartige Behandlung. In der ersten Gruppe war der PSA-Wert (der Auskunft über das Wachstum des Tumors gibt) im Schnitt um 6 Prozent gestiegen, und dabei wurden die Männer, die aus der Studie ausscheiden mussten, weil ihre Krankheit zu weit fortgeschritten war (ihr PSA-Wert war beunruhigend gestiegen), gar nicht berücksichtigt, sonst wäre der durchschnittliche PSA-Wert noch höher ausgefallen. Die Entwicklung in der ersten Gruppe wies darauf hin, dass die Tumoren zwar langsam, aber stetig wuchsen. Bei der zweiten Gruppe dagegen war der PSA-Wert im Durchschnitt um 4 Prozent gesunken, was auf eine Rückbildung der Tumoren bei den meisten Patienten hindeutet.
Aber noch beeindruckender waren die allgemeinen Vorgänge im Körper der Männer, die ihren Lebensstil geändert hatten. Als man ihr Blut typischen Krebszellen der Prostata aussetzte (Zellen der LNCaP-Zelllinie, an denen die bei einer Chemotherapie verwendeten Medikamente getestet werden), war dessen Fähigkeit, das Wachstum der Krebszellen zu hemmen, siebenmal höher als beim Blut der Männer, die ihren Lebensstil nicht geändert hatten. Das heißt, je sorgfältiger die Männer Dr. Ornishs Ratschläge befolgten und ihren Lebensstil entsprechend veränderten, desto aktiver wehrte ihr Blut die Krebszellen ab!
In der Wissenschaft spricht man von »Dosis-Wirkung-Verhältnis«, und es ist ein wichtiges Argument dafür, dass eine kausale Beziehung zwischen Lebensstil und Krebs besteht.
Um die molekularen Mechanismen hinter den Daten aufzuklären, untersuchte Dr. Ornish, wie Verhaltensänderungen die Genexpression in den Prostatazellen beeinflussen. Er entnahm vor Beginn eines Programms zur Lebensstilveränderung eine DNA-Probe aus der Prostata der Testperson und drei Monate später eine weitere Probe. Die Ergebnisse der 2008 veröffentlichten Studie wurden den Erwartungen gerecht: Sie belegten, dass Ornishs Programm zur Lebensstilveränderung die Funktionsweise von mehr als 500 Genen in der Prostata beeinflusst hatte.5 Es stimulierte Gene, die eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs haben, und hemmte andere, die Krebs fördern. Bei einem Teilnehmer der Studie, Jack McClure, war der Krebs sechs Jahre zuvor diagnostiziert worden. Nach drei Monaten in Ornishs Programm zeigte er keinerlei Symptome der Krankheit mehr. »Bei meiner letzten Biopsie haben sie keine Krebszellen mehr gefunden. Ich will noch nicht sagen, dass ich geheilt bin. Sie finden einfach keinen Krebs mehr.« Dean Ornish meint, diese Studie müsse all jenen Hoffnung vermitteln, die fürchten, dass sie aufgrund einer genetischen Vorbelastung Krebs bekommen werden. »So oft sagen Menschen, ich habe schlechte Gene, was kann ich tun? Wie es aussieht, können sie wesentlich mehr tun, als sie dachten.«
Krebsgene sind womöglich nicht defekte Teile unserer biologischen Maschinerie, die uns dazu verdammen, krank zu werden. Im Jahr 2009 erschütterten unabhängig voneinander zwei Forschergruppen, die eine in Quebec, die andere in Kalifornien, unser bisheriges Verständnis der genetischen Ursachen von Brust- und Prostatakrebs und insgesamt die Vorstellung, dass unsere Gene festlegen, wie hoch unser Risiko ist, an Krebs zu sterben. Bei der Lektüre dieser Studien fühlt man sich an die traditionelle Vorstellung von »Ahnen« erinnert, wie man sie aus asiatischen Kulturen oder dem alten Rom kennt. In diesen Kulturen glaubte man, die Geister der Ahnen würden die Orte bevölkern, an denen sie gewohnt hatten. Wenn man die Ahnen nicht beständig mit Gaben von Nahrungsmitteln besänftigte, konnten sie alles mögliche Unheil über den Haushalt bringen. Krebsgene könnten sich ein bisschen wie solche »hungrigen Geister« verhalten: Sie zeigen sich nur und richten nur dann Unheil an, wenn wir vergessen, uns angemessen um sie zu kümmern.
An der Universität von Montreal untersuchte eine Forschergruppe um Dr. Parviz Ghadirian Frauen, die Trägerinnen der Brustkrebsgene BRCA-1 und BRCA-2 waren, zwei Gene, die viele Frauen in Angst und Schrecken versetzen, weil beinahe 80 Prozent der Trägerinnen im Lauf ihres Lebens an Brustkrebs erkranken. Viele Frauen, die erfahren haben, dass sie Trägerinnen sind, lassen sich lieber beide Brüste amputieren, als mit der nahezu sicheren Perspektive zu leben, dass sie eines Tages erkranken werden. Doch Ghadirian und sein Team stellten fest, dass bei manchen Trägerinnen der beiden Gene das Erkrankungsrisiko erheblich geringer war. Und was war ihre Beobachtung? Je mehr Obst und Gemüse diese Frauen aßen, desto geringer war ihr Erkrankungsrisiko. Bei den Frauen, die pro Woche bis zu 27 verschiedene Sorten Obst und Gemüse verzehrten (allem Anschein nach ist es wichtig, dass es möglichst viele verschiedene Sorten sind), war das Risiko um nicht weniger als 73 Prozent vermindert.6An der Universität von San Francisco kam eine Forschergruppe um Professor John Witte zu ganz ähnlichen Ergebnissen bei Prostatakrebs.7 Bestimmte Gene triggern eine extreme Anfälligkeit für Entzündungsprozesse und regen langsam wachsende Mikrotumoren der Prostata an, sich zu aggressiven, metastasierenden Krebstumoren zu entwickeln.III Doch wenn die Männer, die Träger dieser Gene waren, mindestens zweimal pro Woche fetten Fisch mit viel Omega-3 konsumierten, blieben die Gene unter Kontrolle. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Tumoren aggressiv wurden, war fünfmal geringer als bei den Männern, die überhaupt keinen Fisch aßen.
Diese neuen Erkenntnisse sprechen für die Annahme, dass »Krebsgene« nicht so gefährlich sind, solange sie nicht durch unseren ungesunden Lebensstil aktiviert werden. Sie verhalten sich ein bisschen wie die jähzornigen Geister der Ahnen, die regelmäßige Opfergaben verlangen, damit sie ruhig bleiben. Tatsächlich sind es vielleicht einfach Gene, die nicht gut mit dem Übergang von der Ernährungsweise unserer Vorfahren, die perfekt an die Bedürfnisse unseres Organismus angepasst war, zu unserer modernen Ernährung mit vielen industriell hergestellten und verarbeiteten Produkten (siehe Kapitel 6) zurechtgekommen sind. Das würde beispielsweise erklären, warum vor dem Zweiten Weltkrieg geborene Frauen, die Trägerinnen des Brustkrebsgens BRCA sind, ein zwei- bis dreimal geringeres Risiko haben, an Brustkrebs zu erkranken, als ihre in der Fastfood-Ära geborenen Töchter und Enkelinnen.8 Vielleicht sind diese so sehr gefürchteten Gene letztlich gar keine »Krebsgene«, sondern eher »Fastfood-Unverträglichkeitsgene«. Entsprechendes könnte auch für andere Lebensstilfaktoren wie Bewegung und den Umgang mit Stress gelten.
Abbildung 2: Die Fähigkeit, die Entwicklung von Prostatakrebszellen zu hemmen, ist im Blut der Männer, die an Dr. Ornishs Programm teilnahmen, siebenmal höher als im Blut der Männer, die ihren Lebensstil nicht änderten.
Die Immunzellen im Blut gingen umso aktiver gegen die Krebszellen vor, je eifriger die Männer Dr. Ornishs Ratschläge befolgten und in ihrem Alltag anwandten. Damit war der Beweis für einen Zusammenhang zwischen einem veränderten Lebensstil und der gehemmten Entwicklung von Krebszellen eindeutig erbracht.
Abbildung 3: Je rigoroser das Programm umgesetzt wird, desto besser kann das Blut der Patienten das Wachstum der Prostatakrebszellen hemmen.
Kurzum, die Statistiken zur Überlebensrate bei Krebs unterscheiden nicht zwischen Patienten, die das Urteil der Ärzte passiv hinnehmen, und Patienten, die ihre eigene natürliche Abwehr mobilisieren. Die Patienten, die weiter rauchen, sich krebserregenden Substanzen aussetzen, sich typisch westlich ernähren (was, wie wir noch sehen werden, Krebs begünstigt), ihre Immunabwehr mit zu viel Stress und unbewältigten Gefühlen belasten oder ihren Körper im Stich lassen, indem sie sich zu wenig bewegen, werden ebenso vom »Median« erfasst wie die Patienten, die wesentlich länger leben. Deren erhöhte СКАЧАТЬ