Название: Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen
Автор: Christoph Hillebrand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811488540
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Steuer- und Zollbürgschaften kommen z.B.in der Zigarettenindustrie eine wichtige Rolle bei Stundungen zu, wenn gesetzlich beabsichtigt ist, die Tabaksteuer vom Produzenten oder Importeur als Steuerschuldner auf den Verbraucher als Steuerträger über zu wälzen. Spediteure haben als Haftungsschuldner durch eine Bank Zollbürgschaften bei der Zollabfertigung für ihre Kunden zu stellen, vgl. § 41 Zollgesetz (sog. Zollgutversand), bis zur vollständigen und ordnungsgemäßen Wiedergestellung des Zollgutes bei der Empfangszollstelle. Schließlich macht § 709 ZPO die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den meisten noch nicht rechtskräftigen Urteilen von der Stellung von Sicherheiten abhängig, als welche meist Bankbürgschaften bestimmt werden; ebenso gibt § 711 bei den ohne Sicherheitsleistung vollstreckbaren Urteilen abgestufte Abwendungsbefugnisse durch solche Sicherheitsleistungen.
2. Zustandekommen
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Die Bürgschaft entsteht durch einseitig verpflichtenden Vertrag zwischen Bürgen und Gläubiger, also ohne Beteiligung des Schuldners, worin sich der Bürge dem Gläubiger verpflichtet, für die Erfüllung einer Verbindlichkeit dessen Schuldners einzustehen (vgl. § 765 Abs. 1). Die Bürgschaft soll eine fremde Schuld stützen; dem Gläubiger stehen sodann zwei Forderungen zu: die zu sichernde gegen seinen Schuldner und die mit der Bürgschaft begründete, gegen den Bürgen gerichtete.
Dem Rechtsverhältnis zwischen Hauptschuldner und Bürge (warum verbürgt sich der Bürge für den Schuldner?) liegt meist ein Geschäftsbesorgungsvertrag oder Auftrag zugrunde.
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§ 766 verlangt zwingend die schriftliche Erteilung (vgl. § 126) – nur einseitig – der Bürgschaftserklärung, die sonst gem. § 125 S. 1 nichtig ist;[215] Erteilung in elektronischer Form ist ausgeschlossen (§§ 766 S. 2, 126a). Die Warnfunktion des Schriftformzwangs ist nur erfüllt, wenn die Namen von Bürgen, Gläubiger und Schuldner, der Betrag der zu sichernden Forderung und die eindeutige Erklärung des Bürgen, hiermit für die Erfüllung der Verbindlichkeit einstehen zu wollen, umfasst sind; Blankobürgschaften, bei denen der Bürge einen anderen mündlich ermächtigt, Teile der Bürgschaftsurkunde selbst auszufüllen, z.B.die Höhe der Schuld einzutragen, sind deshalb (Schriftform bezieht sich auf alle wesentlichen Inhalte) – außerhalb von § 350 HGB – nichtig.[216]
Die Bürgschaftsurkunde muss als schriftliche Willenserklärung dem Gläubiger im Original zugehen (vgl. § 130 Abs. 1) und von ihm angenommen werden (vgl. § 151).
Bürgschaften von Kaufleuten, die zum Betriebe ihres Handelsgewerbes gehören (vgl. §§ 343 ff. HGB) sind nach § 350 HGB formfrei; Kaufmann ist regelmäßig nur der Rechtsträger eines Unternehmens (vgl. §§ 1, 6 HGB), nicht aber ein Organmitglied (nur für den Komplementär einer oHG mehrheitlich anders).
Eine Bürgschaft kann auch künftige oder bedingte Verbindlichkeiten sichern (§ 765 Abs. 2). Formularklauseln, mit denen sich ein Bürge – außerhalb von § 350 HGB – ohne Weiteres auf alle bestehenden und künftigen Forderungen bankenmäßiger Geschäftsverbindungen des Schuldners mit dem Gläubiger verbürgt, verstoßen aber gegen §§ 305 ff. Außerdem ist eine Klausel überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1, wenn sie über den Anlass einer Verbürgung hinausreicht.[217] Ist der genaue Sicherungszweck für den Bürgen nicht transparent, verstößt auch dies gegen § 307 Abs. 1. Kann der Bürge etwa als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin allerdings Einfluss auf die Begründung künftiger Verbindlichkeiten und damit auf die Entwicklung seiner Haftung nehmen, gilt ein anderer Maßstab.
a) Sittenwidrigkeit
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Sittenwidrig nach § 138 sind Bürgschaften einkommens- und vermögensloser Familienangehöriger des Schuldners. Solche werden vielfach auf familiären Druck hin übernommen, wobei die verbürgte Schuld die Leistungsfähigkeit des Bürgen häufig krass übersteigt. Ein krasses Missverhältnis besteht, wenn die pfändbaren Einkünfte des Bürgen nicht ausreichen, in fünf Jahren ein Viertel der Hauptsumme abzudecken[218] und der Gläubiger insoweit mangelnde Geschäftserfahrenheit oder emotionale Verbundenheit des Bürgen in anstößiger Weise ausgenutzt hat.[219] Kann der Bürge voraussichtlich nicht einmal die vereinbarte Zinslast aus dem pfändbaren Anteil seines Vermögens und seines laufenden Einkommens tragen, wird vermutet, dass die Übernahme bloß aus emotionaler Verbundenheit erfolgt war, woran, wenn der Gläubiger die Vermutung nicht widerlegen kann, die weitere Vermutung knüpft, dass der Gläubiger die emotionale Zwangslage in sittenwidriger Weise ausgenutzt hat.
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Keine Sittenwidrigkeit besteht bei wirtschaftlichem Eigeninteresse des Bürgen, geldwerten Vorteilen aus der Kreditgewährung, wie z.B. im Falle von Bürgschaften von Geschäftsführern oder Gesellschaftern einer GmbH;[220] bloße, auch leitende Mitarbeit des bürgenden Ehegatten im kreditierten Unternehmen genügt nicht. Bürgschaften vermögensloser Ehepartnern sind überdies zulässig zur Vorbeugung gegen Vermögensverschiebungen an ihn, wenn dieser begrenzte Haftungszweck in der Bürgschaft ausdrücklich vermerkt ist.
b) Akzessorietät
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Nach § 767 ist der jeweilige Bestand der Hauptforderung für die Bürgenschuld maßgeblich. Beide tragen dasselbe rechtliche Schicksal. Valutiert die Hauptschuld durch Tilgung ganz oder teilweise nicht mehr, ist sie nichtig oder sonst erloschen, so gilt dies auch für die Bürgschaft.[221]
Aufgrund der Akzessorietät kann der Bürge nach § 768 außerdem alle Einreden des Hauptschuldners als eigene seiner Inanspruchnahme entgegensetzen (i.e. Einrede aus §§ 320, 821 oder 214, aus Stundung etc.); ausgeschlossen sind lediglich solche, die dem Bürgschaftszweck widersprechen, wie die Beschränkung der Erbenhaftung, vgl. § 768 Abs. 1 S. 2, oder Festlegungen im Rahmen eines Insolvenzplanes, auf den sich der Bürge nach § 254 Abs. 2 InsO nicht berufen kann.
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Die Ausübung von Gestaltungsrechten des Schuldners ist dem Bürgen verwehrt; über Gewährleistungsrechte entscheidet nur der Schuldner. § 770 gibt ihm lediglich ein vorläufiges Leistungsverweigerungsrecht, solange der Schuldner die Hauptforderung durch Anfechtung oder Aufrechnung zu Fall bringen kann; nur dieses besteht auch, solange der Schuldner (etwa aufgrund seiner Mängelrechte oder nach § 323) zurücktreten oder mindern kann.
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Originär eigene Einreden des Bürgen (Aufrechnung mit eigenen Forderungen gegen den Gläubiger, Anfechtbarkeit der Bürgschaft etc.) stehen dem Bürgen ohne Weiteres zu; der Irrtum über die Bonität des Schuldners gibt dem Bürgen selbstverständlich kein Anfechtungsrecht, solche ist das ureigene Risiko des Bürgen СКАЧАТЬ