Название: Sachenrecht III
Автор: Ralph Westerhoff
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: JURIQ Erfolgstraining
isbn: 9783811467538
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Zwar bedeutet Privatautonomie auch Selbstverantwortung.[30] Drastisch gesagt: Der Staat hindert grundsätzlich niemanden daran, sich selbst zu ruinieren.
Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist aber dann überschritten, wenn der Bürgschaftsvertrag Ausdruck einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen ist und für ihn eine nicht hinnehmbare, mit seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen unvereinbare, finanziell krass überfordernde Belastung begründet.[31]
Sittenwidrigkeit der Bürgschaft nach § 138 Abs. 1
I.Besondere Nähebeziehung zwischen Bürgen und Hauptschuldner?
Bürgschaft des Arbeitnehmers oder von GeschwisternRn. 66
II.Krasse finanzielle Überforderung?
III.Kein eigenes wirtschaftliches Interesse?
IV.Kenntnis des Gläubigers?
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JURIQ-Klausurtipp
Bei Sachverhalten, die Anlass zur Problematisierung der Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages geben, gehen Sie wie folgt vor:
Sie werfen die Frage auf, ob der Bürgschaftsvertrag gemäß § 138 Abs. 1 nichtig sein könnte, und formulieren dies zum Beispiel wie folgt:
„Der Bürgschaftsvertrag könnte aber wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 nichtig sein. Dazu müsste er gegen die guten Sitten verstoßen. Ein Rechtsgeschäft verstößt dann gegen die guten Sitten, wenn es mit dem Anstandsgefühl aller billig und recht Denkenden nicht vereinbar ist.[32]
Dies könnte hier fraglich sein, weil der Schuldner bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages voll geschäftsfähig und grundsätzlich jeder für die Folgen seines geschäftlichen Handelns selbst verantwortlich ist. Vorliegend muss aber die persönliche Nähe zum Hauptschuldner sowie das strukturelle Ungleichgewicht zwischen der Bank und dem Bürgen berücksichtigt werden. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist dann überschritten, wenn der Bürgschaftsvertrag Ausdruck einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen ist und für ihn eine nicht hinnehmbare, mit seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen unvereinbare Belastung begründen.“
Dann prüfen Sie die Voraussetzungen gemäß obigem (Rn. 63) Prüfungsschema.
bb) Besondere Nähebeziehung des Bürgen zum Schuldner
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Erste Voraussetzung für die Nichtigkeit ist also, dass der Bürge naher Angehöriger des Hauptschuldners ist. Anerkannte „nahe Angehörige“ sind Ehepartner, Kinder, Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft, Verlobte sowie die Eltern.
Bei diesem Personenkreis geht man davon aus, dass ihre Entscheidung, die Bürgschaftsverpflichtung zu übernehmen, nicht von rationalen Überlegungen gesteuert, sondern Ausfluss der besonderen emotionalen Bindung ist.
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Bei anderen Personen – wie z.B. erwachsene Geschwister oder Arbeitnehmer des Hauptschuldners – gilt diese Rechtsprechung nicht.[33]
Hinweis
Wenn Sie feststellen, dass der Bürge nicht zu dem Personenkreis zählt, bei dem eine Bürgschaft bei krasser Überforderung sowie fehlendem eigenen Interesse sittenwidrig ist, kann die Bürgschaft dennoch nach § 138 Abs. 1 nichtig sein. Dazu muss aber mehr vorliegen, als nur die krasse Überforderung und das fehlende eigene wirtschaftliche Interesse. Eine solche Bürgschaft ist dann sittenwidrig, wenn der Gläubiger bewusst die geschäftliche Unerfahrenheit ausnutzt, die wirtschaftlichen Folgen einer Bürgschaft gegenüber dem Bürgen bagatellisiert oder eine Zwangslage missbraucht.[34]
Im Gegensatz zur Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger trägt aber hier der Bürge die volle Beweislast.
cc) Krasse finanzielle Überforderung
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Zweitens muss der Bürge durch die Übernahme der Bürgschaft finanziell krass überfordert sein. Wenn dies der Fall ist (siehe gleich folgende Definition), dann besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Übernahme der Bürgschaft nicht aus rationalen, sondern aus rein emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen wurde.[35] Dies hat für den Bürgen folgende prozessuale Konsequenz: Legt er dar, dass er Angehöriger ist und dass die Bürgschaft ihn wirtschaftlich krass überfordert, muss er nicht mehr beweisen, dass er die Bürgschaft aus emotionaler Verbundenheit übernommen hat. Vielmehr muss der Gläubiger nachweisen, dass die Übernahme der Bürgschaft rational motiviert war.
Eine finanziell krasse Überforderung liegt dann vor, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal in der Lage ist, die Zinsen des Kredites, für den er mithaftet, aufzubringen.
dd) Kein eigenes wirtschaftliches Interesse
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Drittens müssen Sie feststellen, ob der Bürge nicht ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Kredit für den Hauptschuldner hatte. Erlangt nämlich der Bürge durch den aufgenommenen Kredit unmittelbar einen Vorteil, so ergibt die Gesamtwürdigung, dass trotz der Überforderung keine Sittenwidrigkeit anzunehmen ist.[36]
Dies ist hauptsächlich dann der Fall, wenn der Bürge Miteigentümer des durch den Kredit angeschafften Gegenstandes oder Mitunternehmer bei dem mit dem Kredit finanzierten Vorhaben wird und dabei erhebliche Gewinnaussichten hat.[37]
ee) Kenntnis des Gläubigers
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Schließlich muss der Gläubiger in Kenntnis dieser Umstände die Bürgschaft verlangt und somit die besonderen Umstände ausgenutzt haben. Ein bewusstes „Sichverschließen“ vor Tatsachen, die auf der Hand liegen, wird noch als „Kenntnis“ gewertet und ist damit nicht geeignet, den Gläubiger zu entlasten.[38] Ein bewusstes Ausnutzen des Gläubigers wird bei Bürgschaften naher Angehöriger bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.
Hinweis
In den Fällen von Bürgschaften naher Angehöriger trägt der Gläubiger also auch hier die volle Darlegungs- und Beweislast. Liegen alle objektiven Voraussetzungen vor, dürfte es einem Gläubiger (fast immer Banken) sehr schwer fallen, diese Unkenntnis tatsächlich zu beweisen.
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Sollten die Voraussetzungen der Nichtigkeit einer Familienbürgschaft nicht vorliegen, so kann die Bürgschaft dennoch gemäß § 138 Abs. 1 nichtig sein. Denkbar sind hier Fälle, in denen der Gläubiger eine (seelische) Zwangslage СКАЧАТЬ