Название: Sachenrecht III
Автор: Ralph Westerhoff
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: JURIQ Erfolgstraining
isbn: 9783811467538
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Genau dies nimmt die herrschende Meinung bei der Annahme der Bürgschaft durch den Gläubiger an.[11] Aber beachten Sie: Mindestens konkludent annehmen muss der Gläubiger das zugesandte Bürgschaftsangebot schon, in dem z.B. der Bankmitarbeiter die Urkunde zu den Kreditakten nimmt. Die Annahmeerklärung muss nur nicht mehr dem erklärenden Bürgen zugehen.
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Der Gesetzgeber hat die Schriftform vorgesehen, weil er – nicht ganz zu Unrecht – die Bürgschaft für ein sehr gefährliches Instrument hält. Deshalb ist in § 766 S. 2 auch die elektronische Form, die ansonsten unter den Voraussetzungen des § 126a die Schriftform ersetzen kann, ausdrücklich ausgeschlossen.
Auch ein Telefax genügt nicht. Dies hat folgenden Grund: empfangsbedürftige Willenserklärungen werden – wie gerade ausgeführt – erst dann wirksam, wenn die formgerecht errichtete Urkunde den Empfänger erreicht. Beim Fax erreicht den Empfänger aber nur eine Kopie der formgerecht errichteten Urkunde.[12]
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Wird der Bürge bei der Abgabe der Bürgschaftserklärung vertreten, so bedarf auch die Vollmacht des Vertreters der Form des § 766. Diese wohl allgemeine Meinung[13] überrascht zunächst. Denn § 167 Abs. 2 sagt ausdrücklich:
Die Erklärung bedarf nicht der Form, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht.
Die Vollmacht bedarf aber dann doch der Form des Rechtsgeschäftes, für die sie erteilt wird, wenn ansonsten die Formvorschrift umgangen würde. Das ist dann der Fall, wenn der Vertretene durch die Erteilung der Vollmacht rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise gebunden wird wie durch die Vornahme des formbedürftigen Rechtsgeschäftes.[14] Die Bürgschaft ist dafür ein Paradebeispiel.
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In diesen Zusammenhang gehört auch die Problematik der Blanketturkunde. Der Bürge unterschreibt zwar die vorgesehene Bürgschaftsurkunde, in der aber noch wesentliche Elemente (z.B. Höhe der gesicherten Schuld, Schuldgrund etc.) nicht enthalten sind. Gleichzeitig bevollmächtigt er einen Dritten (Gläubiger, Schuldner oder eine andere Person) die noch fehlenden Elemente nachträglich einzufügen (sog. Ausfüllungsermächtigung).
Zunächst erfüllt dieses Blankett nicht die Form des § 766, da die notwendigen Vertragsbestandteile einer Bürgschaftserklärung (sogenannte „essentialia negotii“[15]) nicht enthalten sind.
Genauso aber, wie bei der Bürgschaft eine Stellvertretung möglich ist (Rn. 51), ist auch die Erteilung einer Ausfüllungsermächtigung anerkannt. Die Vorschriften der Stellvertretung passen zwar nicht direkt, da das Ausfüllen keine Willenserklärung, sondern ein Realakt ist. Dennoch gelten die §§ 164 ff. analog. Daher bedarf die Ausfüllungsermächtigung genauso wie die Erteilung der Vollmacht der schriftlichen Form. § 167 würde sonst den Schutz, den § 766 bezweckt, unterlaufen.[16]
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Fraglich ist aber, was passiert, wenn der Ermächtigte die ihm vom Erklärenden übergebene Blanketturkunde ohne schriftliche Ermächtigung oder abredewidrig falsch ausfüllt, und/oder abredewidrig in den Verkehr bringt.
Beispiel
B unterschreibt eine Bürgschaft und gibt sie seinem Neffen, damit er damit bei der Bank einen Kredit absichern kann. Die Höhe der Schuld lässt er offen und weist den N an, keinesfalls mehr als 100 000 € einzutragen. Als die Bank eine Bürgschaft über 200 000 € verlangt, füllt N die Urkunde abredewidrig aus und schickt sie der Bank.
Hier ist die analoge Anwendung der §§ 172, 173 anerkannt.[17] Der Bürge, der die Blankettbürgschaft freiwillig aus der Hand gegeben hat, muss sich den dadurch erzeugten Rechtsschein zurechnen lassen. Voraussetzung ist (neben der gerade erwähnten freiwilligen Herausgabe), dass beim Empfänger ein schutzwürdiges Vertrauen erzeugt wurde. Kannte der Gläubiger also die fehlende Ermächtigung, die Urkunde in der vorgelegten Form auszufüllen, oder fehlte ihm diese Kenntnis infolge Fahrlässigkeit, so kann er sich nicht auf den Rechtsschein berufen (§ 173 analog).[18]
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Eine Ausnahme vom strengen § 766 enthält aber § 350 HGB. Wenn ein Kaufmann eine Bürgschaft abgibt, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört, ist diese auch ohne Beachtung der Form des § 766 gültig. So klar diese Norm auf den ersten Blick ist, bietet sie doch einige „Fallen“:
Erstens muss der Bürge Kaufmann sein.[19]
JURIQ-Klausurtipp
(Ist-)Kaufmann ist nach § 1 HGB, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Das ist jeder Gewerbebetrieb, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 HGB).
Achten Sie in der Klausur auf Schlüsselwörter bei der Beschreibung eines Geschäftsbetriebes: ‚klein‘ oder ‚handwerksmäßig betrieben‘ sind Indizien dafür, dass der Klausursteller einen Nichtkaufmann im Auge hatte. Danach prüfen Sie, ob der Schuldner Kaufmann nach §§ 2 oder 3 HGB („Kann-Kaufmann“), nach § 5 HGB („Fiktivkaufmann“) oder § 6 HGB („Formkaufmann“) ist. Wenn auch das nicht zur Kaufmannseigenschaft führt, ist schließlich an den Scheinkaufmann zu denken.
Zweitens muss die Bürgschaftserklärung zum Betrieb des Handelsgewerbes gehören. Zwar wird bei Geschäften eines Kaufmannes nach § 344 HGB vermutet, dass das Geschäft zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört und deshalb ein Handelsgeschäft ist. Aber diese Vermutung ist widerleglich.
Beispiel
Ein nervöser Bankangestellter ruft beim Kaufmann K an und fragt an, ob er für die neuerliche Überziehung des Girokontos seines volljährigen Sohnes S die Bürgschaft übernehme. K ist in Hektik und sagt leichtsinnig zu. S erhält deshalb von der Bank 250 000 €, mit denen er sich absetzt.
In diesem Fall dürfte K der Beweis gelingen, dass die Bürgschaftserklärung nicht zu seinem Handelsgewerbe gehört hat und deshalb die mündliche Bürgschaft nach §§ 766, 125 S. 1 nichtig ist.
Drittens möchte ich Sie in diesem Zusammenhang auf den gerne gemachten Fehler hinweisen, die Organe juristischer Personen (insbesondere GmbH-Geschäftsführer oder Vorstände von Aktiengesellschaften) als Kaufmann anzusehen. Kaufmann im Sinne des HGB ist nur die Gesellschaft gemäß § 6 HGB, also die GmbH oder die AG als juristische Person (vgl. § 3 Abs. 1 AktG und § 13 Abs. 1 GmbHG)[20] und nicht das für sie handelnde Organ.[21]
Beispiel
Übernimmt der Geschäftsführer einer GmbH persönlich im eigenen Namen die Bürgschaft z.B. für Schulden der von ihm geführten GmbH, so bedarf diese Erklärung der Form des § 766 (dazu auch Rn. 75).
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