Название: Humanbiologie
Автор: Hynek Burda
Издательство: Bookwire
Жанр: Математика
Серия: utb basics
isbn: 9783846341308
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Vermutlich hat auch der Homo sapiens vor ca. 75.000 Jahren einen Flaschenhals passiert – verursacht durch die massive Eruption des Supervulkans Toba auf Sumatra, die nachfolgenden 6–10 Jahre andauernden Vulkanwinter und die anschließende 1000-jährige weltweite Kälteperiode. Gemäß der Toba-Katastrophen-Hypothese wurde die Population der Menschen auf ca. 10.000 Individuen, bzw. ca. 1.000 Fortpflanzungspaare (die zu Vorfahren der heutigen Menschheit wurden) reduziert. Obwohl der Ausbruch des Toba-Vulkans gut dokumentiert ist, ist die Hypothese nicht unumstritten.
In der jüngeren Menschheitsgeschichte führte z.B. auch die Beulenpest in Europa zu einem Flaschenhalseffekt (Kapitel 8.4).
1.2.7 Menschen (Homo)
Der internen Diversifizierung unserer eigenen Art wird ein ganzes Kapitel gewidmet (Kapitel 3). An dieser Stelle erscheint es sinnvoll, daran zu erinnern, dass der Mensch, trotz seiner großen Population und seiner kosmopolitischen Verbreitung, eine genetisch ganz außerordentlich homogene Art ist. Wir Menschen weisen im Vergleich mit anderen Menschenaffen nicht nur eine sehr niedrige innerartliche Gendiversität auf, sondern unsere Teilpopulationen stehen sich genetisch eindeutig näher als die Teilpopulationen jeder anderen Menschenaffenart. Diese beachtliche genetische Homogenität ist möglicherweise die Folge einer dramatischen Reduktion der menschlichen Erdbevölkerung in der jüngeren erdgeschichtlichen Vergangenheit (Box 1.4).
2 Phylogenese des Menschen
2.1 Entstehung der „menschlichen“ phylogenetischen Linie
Bis vor Kurzem war das vergleichende Studium der Anatomie, des Verhaltens und der Fossilien die einzige Informationsquelle über Prozesse, die den Menschen von Schimpansen abgetrennt haben. Unlängst wurden komplette Genome von Orang-Utan, Gorilla, dem Gemeinem Schimpansen, dem Bonobo, dem Neandertaler, dem „Denisova Menschen“ und einer Reihe von gegenwärtigen Menschen veröffentlicht. Hierdurch konnten wir sehr viele neue Informationen gewinnen.
2.1.1 Speziation Schimpanse – Mensch
Die Prozesse, welche die Speziation von Mensch und Schimpanse begleitet haben, können wir dank unserer Kenntnisse über den Divergenzgrad einzelner Gene rekonstruieren. Auf den ersten Blick überrascht es, dass die auf verschiedenen Chromosomen des menschlichen Genoms lokalisierten Gene von ihren homologen Schimpansengenen unterschiedlich weit entfernt sind – so als ob eine mehrmalige Artbildung aufgetreten sei. Während einige Gene sich voneinander etwa 11 mya getrennt haben, sind andere (insbesondere die Gene auf dem Geschlechtschromosom X) erst ungefähr 6 Millionen Jahre alt. Dieses Phänomen wurde mit einer zwischenartlichen Hybridisierung erklärt: Nach diesem Modell hat die von einem gemeinsamen Vorfahren ausgehende Abzweigung von Mensch und Schimpanse ca. 8 mya stattgefunden (wofür auch die ältesten Fossilien der menschlichen Evolutionslinie, insbesondere Sahelanthropus sprechen). Während der folgenden zwei Millionen Jahre hybridisierten jedoch die Genome der Menschen- und Schimpansenlinie auch weiterhin miteinander (siehe auch Box 2.1).
Box 2.1
Kreuzung zwischen Menschen und Schimpansen?
Schimpansen und Menschen sind genetisch nah verwandte Schwesterarten (ihre DNA ist zu 95% gleich, die kodierenden DNA-Sequenzen sind es sogar zu 99%). Dies führte wiederholt zu Spekulationen über eine Hybridisierung zwischen beiden Arten (wie z.B. zwischen Esel und Pferd). Der hypothetische Hybrid wird als Humanzee (Vater Mensch, Mutter Schimpanse) bzw. Chuman (Vater Schimpanse, Mutter Mensch) bezeichnet. Die Existenz solcher Hybriden ist allerdings nicht bewiesen.
Es mag von Interesse sein, dass Überlegungen zur Kreuzung von Mensch und Schimpanse schon in früher Vergangenheit angestellt worden sind. So berichtet der Mönch Petrus Damiani im 11. Jahrhundert von einem Wesen namens „Maimo“, angeblich das Produkt der sündigen Beziehung der Ehefrau des Grafen Guilelmus und seines zahmen Affen (welcher dann den Grafen in einem Anfall von Eifersucht tötete). Um eine Hybridisierung bemühte sich vor knapp hundert Jahren der russische Biologe Ilya Iwanow. Er führte mit Unterstützung der Gesellschaft der materialistischen Biologen der Kommunistischen Akademie erst in Afrika und später in der damaligen Sowjetunion entsprechende Experimente durch. Sie scheiterten am Mangel an Menschenaffen.
Es scheint, dass etwa 30% des Menschenaffengenoms falsche Informationen über die Phylogenese (ob Schimpanse – Mensch versus Gorilla oder Mensch – Gorilla versus Schimpanse) geben. Interessanterweise finden wir die nächsten Verwandten einiger menschlicher Gene in Gorillas und nicht in Schimpansen. Diese Unterschiede zwischen der Phylogenese der Arten – also [Gorilla × (Schimpanse – Mensch)] – und der Phylogenese einiger Gene – oft [Schimpanse × (Gorilla – Mensch)] oder [Mensch × (Gorilla – Schimpanse)] – lassen sich durch die sogenannte unvollständige Trennung der Linien erklären. Wenn in der Mutterart mehrere Allele desselben Gens (z.B. A und B) existieren, kann man annehmen, dass dieser Polymorphismus auch die Speziation überlebt und beide Tochterarten ihn vererben. Genauso kann ein angestammter Polymorphismus mehrere nacheinander folgende Artbildungen überdauern (z.B. die Speziation Gorilla × Schimpanse – Mensch und auch die folgende Speziation Schimpanse × Mensch), und erst in den einzelnen Tochterarten kommt es zu einer mehrmaligen parallelen Reduktion dieses Polymorphismus. Es kann passieren, dass bei Gorillas ein Allel (z.B. A) fixiert wird, während es bei Menschen und Schimpansen ein zweites Allel (B) sein wird, sodass die Evolution dieses Gens der Evolution der Arten entsprechen wird. Aber so muss es nicht sein. Falls zufälligerweise das gleiche Allel (z.B. A) im Genom der Menschen und der Gorillas fixiert wird, während sich ein anderes Allel (B) im Genom der Schimpansen durchsetzt, wird dieses Gen offensichtlich eine „trügerische“ Evolution liefern (Abb. 2.1). Als ein bekanntes (obwohl erst unlängst voll verstandenes) Beispiel kann das System der Blutgruppen dienen: Der Mensch hat die Allele A und B, Schimpansen tragen A, Gorillas B, Orang-Utans A und B, Gibbons A und B oder B. Diesen Polymorphismus haben sie wirklich von ihren mehrere Zehnmillionen Jahre alten Vorfahren geerbt. Die unvollständige Linientrennung, verbunden mit der Vererbung des angestammten Polymorphismus führt dann zu den gleichen Ergebnissen wie die Hybridisierung.
Abb. 2.1: Kladogramm der Homininae mit der Darstellung der möglichen Trennung von zwei hypothetischen Allelen, A und B, eines Gens. Im Fall (a) ist das Gen mit beiden Allelen unverändert in alle Linien übergangen und liefert damit selbst keine phylogenetische Information. Im Fall (b) wurde in der Linie Hominini nur das Allel B, in der Linie Gorillini das Allel A fixiert. In diesem Fall spiegelt die Evolution des gegebenen Gens die tatsächliche Phylogenese. Im Fall (c) wurde allerdings in der Gorilla- und Mensch-Linie zufälligerweise das Allel A, in der Schimpansen-Linie das Allel B fixiert, und die nur anhand der Evolution dieses Gens abgeleitete Phylogenese wäre falsch.
2.1.2 Basale Vormenschen
Der Anfang der phylogenetischen Linie zum Menschen, also der Zeitpunkt der Abspaltung von der Schwesterlinie zu den Schimpansen, wird auf die Zeit 6–8 mya datiert (Abb. 1.6 und 2.2). Wir können ohne jeden Zweifel annehmen, dass dieses Ereignis in Afrika stattgefunden hat, aber unsere Vorstellung von der geografischen und ökologischen Logik dieses Ereignisses hat sich in den letzten Jahren verändert. Die gemeinsamen Vorfahren der Menschen- und Schimpansenlinie lebten wahrscheinlich in Wäldern und nicht, wie früher angenommen, in Savannen (zugegeben – die Aufteilung unserer Ahnen in Waldschimpansen und Savannenmenschen war schön, elegant und einleuchtend). Der etwa zu gleicher Zeit entstandene Große Afrikanische Grabenbruch (Great Rift Valley) war offenbar doch nicht die Ursache der allopatrischen Speziation der Vorfahren von Schimpanse (westlich des Grabenbruchs) und Mensch (östlich davon). Heutige Schimpansen und Menschen unterscheiden sich deutlich. Daraus darf man indes nicht schließen, dass die zu dieser Divergenz führenden Schritte СКАЧАТЬ