Название: Bauchgefühl & Gottvertrauen
Автор: Guido Cantz
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783897109544
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Ob Mann, ob Frau, ob hart, ob weich,
Chemie macht alle Menschen gleich.
Ich durfte nun also diese Rede, von Otto im Original im Mainzer Dialekt angelegt, präsentieren. Doch irgendwie fühlte es sich für mich falsch an, sie nur zu reproduzieren. Ich wollte noch eine persönliche Note hinzufügen, ein paar Reime als Würdigung. Der Verantwortliche auf Produzentenseite war sich nicht sicher, ob das in Ottos Sinne sei, doch der gab schließlich sein Okay. Und so fügte ich noch meine persönliche Hommage in Reimform hinzu:
Seit fünfzisch Jahrn im Rampelischt,
das glaubt dir keine Schlampe nischt.
Vital und fit, von Kopf bis Knie
un das schaffst du mit null Chemie!
Viagra oder andre Pille
erzeuge bei dir Widerwille.
Und statt mit Botox vom Labor
gehst du streng biologisch vor:
Jahrzehnte auf der Bühne stehn,
mit Ottifanten Gassi geh‘n,
Gitarre spiel‘n und Filme mache
bis des die Leude Träne lache.
Im Herzen rein im Kopf bescheuert –
so wird man ständisch runderneuert!
Dafür hab ich dich stets bewundert.1
Mach weiter so – und du wirst hundert!
Otto hat mich jedenfalls gut durch die ersten Jahre meiner Schulzeit gebracht und ganz nebenbei habe ich bei ihm auch viel darüber gelernt, wie Pointen funktionieren. Dass Otto später mehrfach in meiner Sendung „Verstehen Sie Spaß?“ zu Gast war, habe ich immer als besondere Ehre empfunden. Er ist und bleibt mein Vorbild. Denn er gibt dem Publikum immer ein Gemeinschaftsgefühl, dass wir alle miteinander lachen können, ohne dass es auf die Kosten eines Einzelnen geht.
Ministrieren und imitieren
Ein weiteres entscheidendes Schlüsselerlebnis in Sachen Comedy hatte ich einige Jahre später als Ministrant. Nicht nur, weil wir aus Quatsch auch mal auf die Melodie eines Kirchenliedes einen Text der Kölschrocker von BAP gesungen haben. Bei der alljährlichen Ministrantenfahrt in die Eifel ergriff einmal unser Obermessdiener das Mikrofon des Busfahrers und parodierte Willy Brandt.
Brandt war zwar bereits nicht mehr Bundeskanzler, aber seine leicht knurrende Stimme und seine bedächtige Art, mit der er jedes Wort einzeln betonte, waren immer noch präsent. Das wollte ich auch können! Denn hier war auf einmal jemand, der nicht nur das wiedergab, was andere auf Schallplatten aufgenommen hatten, sondern mit seiner Stimme spielte und selbst lustig war.
Mit 13 Jahren habe ich deshalb angefangen, Prominente zu parodieren. Neben Willy Brandt stürzte ich mich auf den Showmaster Rudi Carrell, dessen niederländischer Akzent mir sehr leichtfiel. Als dann am 7. Juli 1985 ein 17-jähriger Leimener als jüngster Tennisspieler aller Zeiten das Finale der Wimbledon-Championships gewann und anschließend im ganzen Land der Boris-Becker-Hype ausbrach, hatte ich eine neue Figur gefunden, die sich zu parodieren lohnte.
Mit fremden Stimmen zu sprechen, machte mir großen Spaß. Das liegt wohl in der Familie. Schon mein Vater liebte es, Dialekte zu imitieren. Wir lachten jedes Mal Tränen, wenn er seinen aus Sachsen stammenden Chef nachmachte. Damals, viele Jahre vor der Wiedervereinigung, begegnete man diesem Akzent in Westdeutschland nur ausgesprochen selten. Bis heute faszinieren mich Dialekte und regionale Sprachfärbung, auf Zugfahrten kann ich mich stundenlang mit der Frage beschäftigen, woher meine Mitreisenden wohl kommen, während sie mich an ihren Telefonaten teilhaben lassen.
Mit fremden Stimmen zu sprechen, machte mir großen Spaß.
Ich weiß noch, wie ich samstagabends bei meinem Kumpel Karsten zu Hause die Rudi-Carrell-Show verfolgt habe. Seine Eltern hatte eines dieser neuen Tastentelefone der deutschen Bundespost, Farbe Rot und – technisch konnte man kaum näher am Puls der Zeit sein – mit Lautsprecher, es konnten also alle Umstehenden hören, was am anderen Ende der Leitung gesprochen wurde.
Die jüngere Generation kann dieses Wunder wohl nicht mehr so recht nachvollziehen, aber für uns, die wir noch als Familie zu viert im Halbkreis stehend unserem Opa in Stuttgart zum Geburtstag gratulierten und kaum zu atmen wagten, wenn Mama den Hörer in die Luft hielt, damit alle seine Reaktion mitbekamen, war das zukunftsweisende Hochtechnologie.
Während also in Carrells Sendung gerade eine Metzgereifachverkäuferin als Mireille Mathieu „Akropolis adieu“ schmetterte – natürlich nach Rudis obligatorischer Ankündigung: „Eben noch an der Fleischtheke, jetzt auf unserer Showbühne“, griff ich zum Telefonhörer, wählte eine beliebige Nummer und sagte: „Guten Abend, hier ist Rudi Carrell, ich gratuliere, Sie haben gewonnen. Schalten Sie Ihren Fernseher ein. Ja, da läuft gerade Musik, deswegen kann ich sie ja anrufen.“
Manch einer mag einwenden, dass ich mit 16 Jahren für derart infantile Telefonstreiche womöglich schon ein bisschen zu alt gewesen sein könnte. Ich sehe das eher als Berufsvorbereitung. Wie von selbst entwickelte sich jedenfalls plötzlich ein Repertoire aus Gags bekannter Komiker, Witzen und selbstausgedachten Parodien. Ich brauchte also nur noch die Gelegenheit, es vor mehr Menschen als nur meinem unmittelbaren Umfeld zu präsentieren, das es zugegebenermaßen recht gut kannte. Glücklicherweise gab es immer wieder private Feiern oder größere Familienfeste, bei denen ich meinen Gag-Fundus ausprobieren und verfeinern konnte.
1989 habe ich es dann zum ersten Mal für Geld getan. Mein Bruder Jochen war damals schon Student und jobbte nebenbei bei einer Softwarefirma, die kurzfristig jemanden suchte, der das Sommerfest bespaßen sollte. Diese Chance habe ich sofort genutzt. Die Versuchsanordnung war geradezu perfekt: Man hatte ein Ausflugsschiff gemietet, das Publikum hatte dementsprechend keine Fluchtmöglichkeiten. Direkt am Eingang habe ich von allen Mitarbeitern Polaroidfotos geschossen, anschließend eine Tombola moderiert und meine Parodien vorgeführt. Für hundert D-Mark habe ich die Gesellschaft den ganzen Tag bespaßt. Ein, wie ich finde, guter Deal für das Unternehmen, das Boris Becker, Otto, Helmut Kohl und Guido Cantz zum Preis von einem bekam.
Ob die Initiative, mich zu beauftragen von meinem Bruder oder seiner damaligen Freundin ausging, kann ich gar nicht mehr genau sagen. Sie arbeitete jedenfalls auch bei diesem Unternehmen und kannte mich und meine Neigung, im Mittelpunkt zu stehen, schon aus der Schule.
4. Per Zufall im Karneval
Mundpropaganda verhalf mir zu immer weiteren kleinen und größeren Auftritten – bis zu einem schicksalhaften Polterabend in Porz im Jahr 1990. Der Abend lief richtig gut, die Festgesellschaft im Nebenzimmer lachte lauthals über meine Parodien und im Gastraum saß einer der bekanntesten Redner des Kölner Karnevals: Peter Raddatz, jedem Kölner ein Begriff als „Dä Mann met dem Hötche“. Die Karnevalslegende hatte ein gebrochenes Bein und konnte sich nicht selbst mal eben schnell unauffällig in den Saal schleichen und nachgucken, was dort los war. Vielleicht war gerade deshalb seine Neugier umso mehr geweckt. Raddatz wollte von der Bedienung wissen, wer da gerade nebenan die Leute so zum Lachen brachte. Ihre Antwort kam СКАЧАТЬ