Mut zum Genuss. Marlies Gruber
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Название: Mut zum Genuss

Автор: Marlies Gruber

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783990011287

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СКАЧАТЬ sich eine derartige psychotrope Wirkung nicht erreichen. Schließlich ist Sucht immer etwas Desaströses, etwas, das einem irgendwann völlig entgleitet. Da ist man bei Zucker weit davon entfernt. Selbstverständlich gibt es auch bei Zucker Menschen mit übermäßigem Konsum. Doch nicht jeder übermäßige Konsum führt zu einer Abhängigkeit. Für das Abhängigkeitssyndrom gibt es zudem, gemäß der sogenannten ICD-10 Systematik (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems), eine klare Definition. Danach müssen mindestens drei von sechs Kriterien über mehrere Wochen zutreffen, bevor man von einer Sucht spricht (s. unten).

      Kriterien für ein Abhängigkeitssyndrom:

      1. Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren (Craving)

      2. Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums (Kontrollverlust)

      3. Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums (Körperliche Abhängigkeit)

      4. Nachweis einer Substanztoleranz (Toleranzentwicklung)

      5. Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen (Psychische Abhängigkeit I)

      6. Anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen (Psychische Abhängigkeit II)

      Körpereigene Drogen durch Fett

      Bei Fett ist der Mechanismus im Körper genauer geklärt: Es setzt körpereigene Drogen frei – nämlich dann, wenn Fett auf der Zunge schmilzt. Diese sogenannten Endocannobinoide entstehen im vorderen Abschnitt des Darms und steigern den Appetit auf das Weiteressen. Das bedeutet, dass es zu einer Spirale kommt: Wieder landet Fett auf der Zunge und wieder werden Endocannabinoide freigesetzt. Oft ist es daher nicht leicht, mit dem Essen von fetten Lebensmitteln oder Speisen aufzuhören. Doch nicht alle Menschen reagieren gleich. Der eine tut sich schwerer als der andere. Und nicht jeder ist übergewichtig. Das hängt von vielerlei Faktoren ab. Zum einen von der inneren Einstellung und Selbstdisziplin, zum anderen vom restlichen Ernährungsverhalten und Lebensstil, in erster Linie vom Bewegungsmuster. Solch endogene Drogen gibt es beim Verarbeiten von eiweißreichen oder zuckerreichen Speisen übrigens nicht.

      Sucht durch achtsamen Genuss reduzieren

      Sucht ist oftmals nicht die Primärerkrankung, sondern folgt auf psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angst- und Panikstörungen. Rund ein Drittel schwer depressiver Menschen ist süchtig, bei einer generalisierten Angststörung sind 14 % (Männer) bzw. 36 % (Frauen) von irgendeiner Substanz abhängig. Zerlegt man Suchtprophylaxe etymologisch, steht »pro« für »vor« und »phylax« für »Wachsamkeit« oder übersetzt in den Kontext für »behüten, beschützen, wachsen lassen«. Was lässt nun Menschen wachsen? Geborgenheit, Sinn und Orientierung, Abenteuer und Selbsterfahrung, Anerkennung und Bestätigung, Glück und Zufriedenheit, Bewegung und Körpererfahrung. Einen Großteil haben wir selbst in der Hand. Ein selbstfürsorglicher und genussvoller Umgang hat sich als wesentlicher Kern in der Therapie und Prophylaxe erwiesen. Denn die Psychologie des Genießens gründet auf den gleichen psychologischen Abläufen, die für seelische Gesundheit bestimmend sind. Dr. Rainer Lutz hat vor mehr als 25 Jahren ein Gruppentherapieprogramm dazu entwickelt: die »Kleine Schule des Genießens«. Es kommt seither in psychiatrischen oder psychosomatischen Kliniken zum Einsatz. Aus den Erfahrungen mit der Genussgruppe ließ sich der euthyme Therapieansatz ableiten. Zentraler Inhalt ist die Wieder-Entdeckung der Sinne. Sie wecken ganz unmittelbar positive Emotionen, wodurch ein allgemeinpsychologischer Mechanismus gefördert wird: nämlich die Aufmerksamkeit auf Positives lenken zu können und zu halten. Diese Fokussierung gilt als grundlegendes Verhalten, um seelische Gesundheit zu fördern.

      Für die große Mehrheit in Österreich und Deutschland ist genießen wichtig, sogar wichtiger als Karriere, Geld oder soziales Ansehen (89 bzw. 86 %). Doch viele leiden unter mangelnder Zeit dafür und wünschen sich, sich für die genussvollen Momente im Leben mehr Zeit nehmen zu können. Im Vergleich zu Deutschland wird dem Genießen hierzulande mehr Zeit eingeräumt. Allerdings genießen die Deutschen entspannter, die Österreicher haben ständig ein schlechtes Gewissen dabei. Gut acht von zehn Personen verschaffen sich auch aktiv im Alltag Genussmomente. Dabei sagen nur 15 %, dass das Genießen heutzutage leichter ist als vor 25 Jahren. Das sind Resultate einer Befragung aus 2014 des Marktforschungsinstitutes market in Österreich mit 1007 Teilnehmern zwischen 22 und 49 Jahren und von FORSA in Deutschland. Daten des Österreichischen Genussbarometers des forum. ernährung heute aus 2009/10 mit 2000 Teilnehmern zwischen 14 und 69 Jahren stimmen mit den Ergebnissen überein. Genuss ist mehr eine Frage des Lebensstils als jene der Geldtasche. Immerhin schätzen sich acht von zehn als Genießer ein. Und nur 0,8 % der Befragten finden, dass Genießen ein teures Vergnügen ist. Doch ein detaillierter Blick zeigte auch da: Die Mehrheit zweifelt beim Genießen und hat ein schlechtes Gewissen.

      Denn nicht jeder kann genießen. Menschen unterscheiden sich in ihrer Fähigkeit dazu. Nach dem Bilanzierungsmodell von Roland Bergler lassen sich drei Typen ableiten: die Genießer, die Genusszweifler und die Genussunfähigen. Das Modell gründet auf einer Art Kosten-Nutzen-Rechnung für soziale Beziehungen und einer Erwartungs-mal-Wert-Theorie. Wieviel muss ich investieren und was kommt bei dem Verhalten heraus? Ist der Nutzen größer als der Aufwand? Und welches Verhalten verspricht den meisten Wert? Am Beispiel Sport: Überwiegt der Nutzen gegenüber den Kosten? Also Auspowern, gute Laune, Stabilisierung des Körpergewichts, Treffen von Freunden, Abschalten … gegenüber Zeitaufwand, Überwinden des inneren Schweinehunds, Umziehen, Anstrengung? Wenn ja, dann wird man bei der Sportart bleiben. Die zweite Theorie kommt ins Spiel, indem in die jeweilig persönliche Kalkulation eingeht, ob zum Beispiel eine andere Sportart die persönlich wichtigsten Bedürfnisse ebenfalls erfüllen oder gar übertreffen würde. Je nachdem bleibt man bei der einen Sache, wechselt oder macht beides.

      Bei der Bewertung des eigenen Genussverhaltens ist es ähnlich. Genießer ziehen bei genussvollem Verhalten eine positive Bilanz. Bei ihnen überwiegen in der persönlichen Bewertung deutlich die wahrgenommenen vorteilhaften Folgen des Genießens gegenüber möglichen Nachteilen. Gute Laune, Entspannung und gesteigertes Wohlbefinden bewerten sie weitaus höher als mögliche zeitliche oder finanzielle Einschränkungen.

      Genussunfähige sehen im Genießen kaum Vorteile und bewerten die Nachteile als wahrscheinlicher und bedeutsamer. Die persönliche Genussbilanz fällt für sie negativ aus. Sie können sich weder vorstellen, ihre Laune, ihr Selbstbewusstsein, ihre Leistungsfähigkeit oder Problemlösekompetenzen mit genussvollen Handlungen verbessern zu können, noch nehmen sie die entspannende Qualität wahr.

      Zwischen den beiden rangieren die Genusszweifler. Sie genießen eigentlich gerne, aber mit schlechtem Gewissen. Sie ängstigt der Gedanke, beim Genießen zu gierig oder unkontrolliert zu handeln; zudem befürchten sie zum Beispiel zeitliche oder finanzielle Kosten. Genusszweifler nehmen Vorteile und Nachteile gleichermaßen wahr und kommen somit zu einer ambivalenten Haltung. Damit lebt der Genusszweifler ständig angespannt in der Ungewissheit, ob er sein Verhalten nun gut oder schlecht finden soll.

      Die Kategorisierung in die drei Typen lässt sich über Fragen nach den Assoziationen zum Genießen und den persönlichen Auswirkungen von Genussentzug, also der Bilanzierung zu den Vor- und Nachteilen des Genießens, treffen.

      Für Österreich ergab sich im Österreichischen Genussbarometer des forum. ernährung heute (f.eh) aus 2009/10 folgende Aufteilung: 15 % Genießer, 68 % Genusszweifler und 17 % Genussunfähige. Die Ergebnisse des f.eh-Genussbarometers »Best Ager« in der Altersgruppe der 60- bis 79-Jährigen aus dem Jahr 2014 mit 300 Personen deuten darauf hin, dass mit dem Alter das Genussverständnis steigt: Zwar ist auch bei der Generation 60+ die überwiegende Mehrheit den СКАЧАТЬ