Название: Der verschwundene Brief
Автор: Eckart zur Nieden
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865069580
isbn:
Eckart zur Nieden
Der verschwundene Brief
Roman
Inhalt
Prolog
Kassel und Umgebung, 75 Jahre später
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-86506-958-0
© 2017 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers
Einbandgestaltung: Brendow Verlag, Moers
Titelfoto: fotolia spql
Satz: Brendow Web & Print, Moers
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017
Kassel, März 1941
Daniel schreckt aus dem Schlaf.
Was ist los? Was hat ihn geweckt?
Da ist es wieder – lautes Poltern unten an der Haustür. Rufe, die Daniel aber nicht verstehen kann, weil sein Fenster nicht zur Straße, sondern hinten hinausgeht.
Aber es ist auch nicht nötig, dass er die Rufe versteht. Wenn jemand mitten in der Nacht so laut Einlass verlangt, dann kann es nur die Gestapo sein.
Daniel springt aus dem Bett und beginnt, sich in fliegender Eile anzuziehen.
Jetzt ist er also da, der Augenblick, den er längst erwartet hat. Seine Mutter wollte es ja nicht wahrhaben. Obwohl hinter vorgehaltener Hand oft genug davon gesprochen wurde. Und Joschi aus seiner Klasse, auch ein Jude, ist schon seit Wochen nicht mehr in die Schule gekommen. Niemand weiß, wo er ist.
Als Daniels Vater noch lebte, hat er gemeint, wenn sie der Kirche beiträten, könnte ihnen nichts passieren. Er hatte ihn auch oft zu dessen Freund Hans Droste geschickt, damit er da im evangelischen Pfarrhaus möglichst viel über das Christentum lernen konnte. Er meinte, das würde es glaubwürdiger machen, dass sie nun keine Juden mehr seien. Er wollte nicht begreifen, dass die Nazis nicht an der Religion interessiert waren. Denen ging es um die Abstammung.
„Frau Grüntal?“
Jetzt sind sie offenbar im Haus. Seine Mutter hat sie hereingelassen. Was sie jetzt antwortet, kann Daniel nicht verstehen. Ihre Stimme ist leise und ängstlich.
Hätte seine Mutter nur auf ihn gehört! Aber seit Vaters Tod ist sie so merkwürdig unentschlossen. Immerhin hatte sie zugestimmt, dass Daniel die Wertsachen versteckte, wenigstens die beweglichen, die kostbaren Bilder und den alten wertvollen Schmuck und Vaters Münzsammlung. Aber weiter wollte sie nicht gehen, fliehen wollte sie nicht.
„Ihr Sohn?“, hört Daniel die Männer fragen.
„Ich hole ihn“, sagt seine Mutter, nun etwas lauter. Vielleicht will sie so verhindern, dass die Polizisten selbst hinaufgehen.
Daniel ist mit allem fertig. Angezogen ist er, der Rucksack liegt bereit, und das Seil hat er um den mittleren Holm des Fensters geschlagen.
Er hat es seiner Mutter gesagt: Wenn wir nicht zusammen fliehen, dann fliehe ich alleine. Sie wollte ihm das ausreden. Als ob er noch ein Kind wäre! Aber er ist sechzehn, fast siebzehn!
Damals, als er bei Drostes im Pfarrhaus war und mit seinem Freund Hans romantische Pläne schmiedete, da war er dreizehn, dann vierzehn gewesen. Da wäre so eine Flucht wohl ziemlich aussichtslos gewesen. Spielerei. Aber jetzt …
Seine Mutter kommt herein.
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