Название: Sein letzter Zug
Автор: Eckart zur Nieden
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865068224
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»Warum nicht?«
»Mann, ich habe keine Erfahrung mit so was! Was sagt man da?«
»Halt einfach die Klappe und sag nichts! Alles, was du sagen könntest, habe ich mir schon selbst gesagt.«
»Und? Hörst du nicht darauf?«
»Sehr witzig! Aber mir ist nicht nach Witzen zumute. Auch nicht nach psychologischen Ratschlägen, falls dir noch einer einfallen sollte. Und nicht nach vernünftigen Überlegungen und nicht nach warmen Worten. Ich will nur Schluss machen.«
»Schluss. Aha. Und du bist sicher, dass dann Schluss ist?«
»Was denn sonst? Du kommst mir doch jetzt nicht mit Himmel und Hölle und so was?«
»Mir fällt gerade noch ein Grund ein, weshalb ich dich davon abhalten sollte.«
»Du kannst mich nicht davon abhalten.«
»Der Grund ist: Das gibt vielleicht Lärm. Oder jemand sieht dich, oder entdeckt deine … also entdeckt dich kurz danach. Dann wimmelt es hier bald von Polizei. Und was mache ich dann? Ich kann mir meinen Einbruch abschminken!«
»Du tust mir unendlich leid!«
»Oder noch schlimmer: Jemand entdeckt mich hier oben und ich werde beschuldigt, dich runtergestoßen zu haben.«
»Ist mir egal. Oder soll ich dir eine schriftliche Bescheinigung geben, dass du nichts damit zu tun hast? Hast du Stift und Papier und eine Taschenlampe?«
»Würde mir auch nichts nützen. Denn dann würde jeder fragen, was ich hier oben zu suchen hatte.«
»War nur ironisch gemeint, du Idiot!«
»Ich denke, dir ist nicht nach Scherzen zumute.«
Kaltenbacher bückte sich unter der Stange durch, die als Schutzgeländer diente, richtete sich auf der anderen Seite über dem Abgrund auf, und hielt sich an der Stange fest. »Ich warte nicht ewig. Wenn du zugucken willst, kann ich dich nicht daran hindern.«
»Dann warte bitte noch ein paar Minuten, damit ich vorher verschwinden kann!« Der Mann wandte sich zur Leiter. »Schade drum! Sehr schade!«
»Um mich ist es nicht schade.«
»Mag sein, das kann ich nicht beurteilen, weil ich dich nicht kenne. Ich meinte aber: Schade um die gute Gelegenheit für einen Einbruch. Aber vielleicht auch nicht schade, wenn ich an Carola denke …«
Jens Kaltenbacher tauchte wieder unter der Stange durch zurück. »Meinst du, es wäre schade um mich, wenn du mich kennenlernen würdest?«
»Keine Ahnung. Kommt drauf an, was ich da finden würde, wenn ich in deinem Leben und deinem Wesen nachforsche. Aber so ganz allgemein denke ich, es ist um jeden schade, der sein Leben wegwirft. Es sei denn, er ist ein total fieser Typ – egoistisch, rücksichtslos, einer, der gewissenlos seinen Vorteil durchsetzt auf Kosten anderer. Bist du so einer? Dann wäre es nicht schade um dich.«
»So einer bin ich nicht. Im Gegenteil, ich bin das Opfer solcher Leute.«
»Dann wäre es auf jeden Fall schade um dich. Aber du hast mich falsch verstanden. Ich meinte eben, dass mir die Chance entgeht, einen kleinen Raubzug durch dieses Gebäude zu machen. Oh – da fällt mir was ein, was uns beiden nützen könnte. Eine Win-Win-Situation sozusagen.«
»Ach ja?«
»Wir steigen gemeinsam ein. Wenn wir nichts finden, oder nicht viel, kannst du ja immer noch springen. Aber vielleicht finden wir etwas sehr Wertvolles. Unten ist, glaube ich, ein Uhrengeschäft, oder ein Juwelier. Dann teilen wir die Beute. Ich habe den Vorteil, dass ich zum Zug komme und nicht von der Polizei gestört werde. Und du hast den Vorteil, na ja, dass du vielleicht mit deiner Beute dich von einem Teil deiner Sorgen loskaufen kannst.«
»Du hast wirklich originelle Ideen!«
»Komm, mach mit! Auf ‘ne halbe Stunde kommt es doch nicht an, wenn du Schluss machen willst.«
»Meine Sorgen kann man nicht mit Geld loswerden.«
»Sag das nicht! Du ahnst ja nicht, was man mit Geld alles kann!«
»Besonders, wenn es unrechtmäßig erworben ist.«
»Jetzt werde mir nicht moralisch! Was du gerade tun wolltest, ist auch nicht die edelste Handlung.«
Während er das sagte, machte der Mann sich an dem Fenster zu schaffen. In weniger als einer Minute war es offen.
Kaltenbacher staunte. »Du hast anscheinend Übung.«
»Kann man sagen. Bitte, der Herr!« Er verbeugte sich und machte eine einladende Bewegung mit der Hand. »Darf ich bitten, näherzutreten?«
Jens Kaltenbacher schüttelte nur den Kopf. Er lehnte sich über das Geländer und blickte in die dunkle Tiefe.
Der andere wandte sich vom Fenster ab und kam auf ihn zu. Es war offensichtlich, dass er den Selbstmord des traurigen Mannes verhindern wollte, aber er wusste nicht wie. Er setzte sich auf die Bohle, die Beine hingen über dem Abgrund. Daraufhin setzte Jens sich auch.
»Ich heiße übrigens Karl. Karl Aumann. Das kann ich bedenkenlos sagen, weil du entweder da runterspringen wirst – dann wird es kaum noch möglich sein, mich zu verraten. Oder du gehst mit mir da rein und teilst mit mir die Beute. Dann wirst du sicher auch nichts verraten, weil du beteiligt bist.«
Kaltenbacher antwortete nicht.
»Und wie heißt du, wenn ich fragen darf?«
»Jens Kaltenbacher.«
»Angenehm. Und?«
»Was – und?«
»Ich meine, was ist dein Problem? Sag‘s mir! Gut, einen Rat werde ich dir kaum geben können. Schade, dass meine Carola nicht hier ist, die wüsste wahrscheinlich, was man da … Na ja, wenn sie hier wäre, wäre ich wohl nicht hier.«
»Was quasselst du da für einen Unsinn?«
»Schon gut. Erzähle mir, was dich bedrückt! Es soll ganz nützlich sein, wenn man mal über seine Probleme redet. Habe ich gehört. Oder sogar gelesen.«
Als Jens nicht antwortete, fügte er hinzu: »Wenn man mal spricht mit einem vertrauenswürdigen Menschen.«
»Ach, das bist du wohl? Ein vertrauenswürdiger Einbrecher?«
»Gut, ich gebe zu, ich bin nicht das, was man sich landläufig unter einem ehrbaren Bürger vorstellt. Aber ich würde mich, glaube ich, trotzdem gut eignen als … als Mülleimer, bei dem du den ganzen Mist abladen kannst. Wenn du verstehst, was ich meine.«
Sie schwiegen beide einige Zeit. Unten fuhr ein einzelnes Auto vorbei. Irgendwo in der Stadt schlug eine Uhr, aber keiner von beiden machte sich die Mühe, die Schläge mitzuzählen.
Dann fing Kaltenbacher СКАЧАТЬ