Название: 1918
Автор: Johannes Sachslehner
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783990402566
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Als die Feuerwehr anrückt, drohen die Komitadschis mit dem Einsatz von Schusswaffen. Russische Kriegsgefangene, die in Našice stationiert sind, und auch die Bevölkerung aus der Umgebung schließen sich den Plünderungen an, die sich schließlich auch gegen Privathäuser richten und bis in das Morgengrauen hinein andauern. Mit Pferdefuhrwerken wird die Beute weggebracht; schließlich zündet man auch noch das Bahnhofsgebäude an und macht damit jeden weiteren Bahnverkehr unmöglich. Und auch vor Mord und Totschlag schrecken die Plünderer nicht zurück: 20 Menschen überleben diese Nacht des Schreckens nicht …
Über den Piave: Die Pontonbrücken der Alliierten von Salletuol zur Grave di Papadopoli (oben) und von der Insel zum „österreichischen“ Ufer.
5 UHR
Piavefront bei Pederobba. Französische Pioniere haben im Kampfabschnitt der 12. alliierten Armee, die von General Jean Graziani befehligt wird, die Nacht durchgearbeitet und eine der zerstörten Brücken wiederhergestellt. Das 138. Regiment kann nun über den Fluss gehen und die fünf Bataillone verstärken, die am Tag zuvor gegenüber Pederobba einen Brückenkopf freigekämpft haben. Den Franzosen folgen italienische Alpini-Einheiten über den Fluss.
Fortschritte gibt es in der Nacht auch für die 10. Armee der Alliierten bei der Grave di Papadopoli: Über die intakte Brücke bei Salettuol haben trotz heftigem österreichischem Artilleriefeuer die Como-Brigade der 56. Division und ein Regiment der Bisagno-Brigade der 33. Division das linke Ufer des Piaveerreicht. Wie geplant setzt Punkt fünf Uhr vor der gesamten Front der 10. Armee das Sperrfeuer der italienischen und britischen Artillerie ein: Angriffsvorbereitung für die Como-Brigade. Als Zeitpunkt des Angriffs ist 9 Uhr festgelegt; Ziel ist es, die Frontlinie am linken Flügel der Armee etwa 3.000 Yards (ca. 2.800 m) weiter vorzuschieben. Jeweils nach 6 Minuten, so die exakte Disposition für die Männer an den Geschützen, müsse das Feuer 100 Meter weiter feindwärts liegen.
Inzwischen beginnt auch am rechten Flügel der Isonzoarmee wieder der Kampf. Ein Sturmbataillon der 64. Honvédinfanteriedivision erobert das Dorf Roncadelle zurück, wird dann jedoch von italienischen Truppen umfasst und kann sich nur mit knapper Not durch die feindlichen Linien zurück in die eigenen Stellungen durchschlagen.
Noch herrscht Zuversicht bei den österreichisch-ungarischen Truppenführern, noch glaubt man die Engländer und Italiener wieder über den Piave zurückdrängen zu können. Der Kommandant der 6. Armee, General der Kavallerie Alois Fürst Schönburg-Hartenstein, während der Juni-Offensive durch einen Granatsplitter am Magen verwundet und nun bereits wieder im Einsatz, lässt neue k. u. k. Truppen heranführen: Die zweiten Stellungen am Monticano werden durch die 10. Infanteriedivision, die 26. Schützendivision und die 24. Infanteriedivision verstärkt; bei Oderzo bereitet sich die 8. Kavalleriedivision zum Gegenangriff über Ormelle vor. Reserven der 70. Honvédinfanteriedivision verstärken bei Roncadelle die 64. Honvédinfanteriedivision und versuchen neuerlich dieses Dorf und die Negrisialinie anzugreifen. Im Raum östlich von Conegliano sammeln sich, aus Sacile und Pordenone kommend, die 36. Infanteriedivision, die 43. Schützendivision und die halbe 44. Schützendivision – aus den drei Einheiten soll eine neue, schlagkräftige Stoßgruppe gebildet werden, befehligt von Feldmarschallleutnant Maximilian von Nöhring. Der Plan sieht vor, dass diese Stoßgruppe im Verein mit der 10. Infanteriedivision und den drei Eingreifdivisionen der Isonzoarmee in einem konzentrierten, massiven Gegenangriff den Brückenkopf der Alliierten westlich von Oderzo „eindrückt“ und den Feind über den Piave zurückwirft. Keine schlechte Planung des Generalstabs, allerdings soll sich bald zeigen, dass man zwei Faktoren nicht ausreichend berücksichtigt hat, nämlich erstens den Faktor Zeit: Man hat auf den Vorstoß der Briten über die Insel Papadopoli hinweg etwas zu langsam reagiert, ihnen zu wenig entschiedenen Widerstand entgegengesetzt. Die britischen und in ihrem Gefolge italienischen Verbände können daher den Brückenkopf rascher ausweiten als erwartet, zugleich sammeln sich die k. u. k. Reserven in eher behäbigem Tempo – die Chancen eines erfolgreichen Gegenangriffes sinken buchstäblich mit jeder Stunde. Artillerie und Fliegertruppe sind nicht mehr in der Lage, den Nachschub über den Piave entscheidend zu stören, sodass die materialmäßige Überlegenheit des Feindes ebenfalls immer stärker zum Tragen kommt.
Zweitens hat man den Faktor Kampfkraft bzw. die Verlässlichkeit der herangeführten Reserven überschätzt: Gerade bei den Truppen, die aus der Etappe kommen, ist die Bereitschaft zum Kampf schon gering. Niemand will im letzten Moment noch sein Leben riskieren für eine Sache, die nicht mehr die eigene zu sein scheint. Die beunruhigenden Nachrichten aus der Heimat tun ein Übriges, um die Zersetzung des Heeres voranzutreiben. Nicht zuletzt sieht man sich einem Feind gegenüber, der bestens gerüstet und materialmäßig weit überlegen ist. Das gilt für die Artillerie, aber auch für die Fliegertruppe und für Spezialeinheiten wie die Aufklärer.
6 UHR
Wien, Schloss Schönbrunn. Kaiser Karl, noch Herrscher über den zweitgrößten Staat Europas und mehr als 52 Millionen Menschen, steht auf. Die harte Wirklichkeit hat die Welt der Träume rasch beiseite geschoben. Wie Franz Joseph I., sein Vorgänger auf dem Thron, hält auch Karl eisern sein Tagesprogramm ein, Tag für Tag arbeitet er, gibt Audienzen und leitet Besprechungen, wühlt sich durch Aktenberge und unterschreibt gewissenhaft Schriftstücke, die ihm vorgelegt werden.
Karl, der tiefgläubig ist, weiß, dass dieser kommende Tag und die Tage danach für ihn und seine Familie, für die Dynastie und die Monarchie Schicksalstage sein werden. Die Hiobsbotschaften der letzten Tage, die immer klarer zutage tretende Aussichtslosigkeit der Lage, die endlosen Gespräche mit Vertretern aller Nationalitäten, die Konferenzen mit Militärs und Ministern haben ihn in einen seltsamen Zustand versetzt: Eine Mischung aus Widerstandsgeist und Ohnmachtsgefühl, aus betäubender Verzweiflung und Gottvertrauen treibt ihn vorwärts. Mit Rücksicht auf sein geschwächtes Herz sollte er, so haben die Ärzte empfohlen, etwas zurückstecken – Karl will jedoch daran gar nicht denken; als erster Diener seiner Länder und Völker akzeptiert er beinahe widerstandslos die ihm vorgelegten Tagesprotokolle. Er ist bereit um den Thron seiner Ahnen zu kämpfen …
Das Frühstück, die Hauptmahlzeit des jungen Monarchen, ist wie immer sehr stark: gebratenes Fleisch, Obst, Mineralwasser, ohne Kaffee oder Tee. Dann folgt der Gang zur Heiligen Messe in der Schlosskapelle; wie meist empfängt Karl die Kommunion.
Karl I., Kaiser von Österreich und als Karl IV. König von Ungarn, ist als Herrscher nicht mehr unumstritten. Politisch unbedacht und unerfahren, schlitterte er in die Sixtusaffäre, die verheerende Konsequenzen für seine Reputation als Monarch haben sollte. Indem er die Autorschaft für die Briefe an den Prinzen Sixtus Bourbon-Parma zunächst vehement abstritt, erschien er vielen als Lügner und Schwächling und beschwor durch sein fortgesetztes ungeschicktes Verhalten einen Machtkampf mit Außenminister Czernin herauf, dem schließlich nichts anderes übrig blieb als seinen Rücktritt einzureichen. In der Armee hatte Karl sein Ansehen damit verspielt – Generaloberst Arz von Straußenburg brachte es August von Cramon, dem Deutschen Bevollmächtigten General beim k. u. k. Armeeoberkommando, gegenüber angeblich auf den Punkt: Ich habe erfahren, dass mein Kaiser lügt!
Als Resultat der Sixtusaffäre hatte sich die Position Österreich-Ungarns gegenüber dem Deutschen Reich entscheidend verschlechtert. In Berlin forderte man nach diesem Alleingang Karls für den habsburgischen Bündnispartner strenge Kontrolle: СКАЧАТЬ