Im Nebel kein Wort. Frank Hebben
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Название: Im Nebel kein Wort

Автор: Frank Hebben

Издательство: Автор

Жанр: Научная фантастика

Серия:

isbn: 9783957770981

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СКАЧАТЬ Lilja seufzt erleichtert; sie hat Durst, sucht nach dem Tornister: nicht da; auch ihr Gewehr fehlt. Seltsam alles.

      Wind streicht durchs Gras.

      Ein Knall, ein neues Licht – wie Signalraketen in den Himmel aufschießend, quarzgrau. Müde hebt Lilja den Kopf, reibt sich den Schlaf aus den Augen. Ich will nicht mehr, sagt sie.

      Neben Rotkohlköpfen, dort findet sie das Mädchen, halb erfroren, blaue Lippen. Meine Güte, steh auf! Und hält den Schirm über sie, während Lilja sich aufrappelt, so dürr, wie eine Porzellanpuppe zerbrechlich. Komm mit, sagt Dostya, hakt sich bei ihr unter, schleppt sie zur Kastanie, wo eine verwitterte Bank steht.

      Lilja zittert, die Augen rot verheult. Ich möchte sterben, sagt sie.

      Unsinn. Dostya kramt im Rucksack, nimmt Unterzeug, Wollsocken, den Zweitpullover, eine weite Hose, die Lederschuhe und ein Handtuch, das sie gleich ausbreitet. Zieh die feuchte Wäsche aus! Lilja tut es, stocksteif, es dauert. Gut so … Behutsam reibt Dostya ihr den Rücken ab, danach Arme und Gesicht, Brust und Beine, bis die Nässe, der Dreck weg sind — reicht ihr die neuen Sachen. Zuletzt streift sie ihre Mütze vom Kopf, stülpt sie Lilja übers Haar. Na? Schon besser. Ein Wolfsgrienen.

      Danke.

      Deine Hose ist mir viel zu groß! Lilja zieht den Bund lang. Auch diese Schlappen …

      Haben wir gleich, sagt Dostya und hilft mit einer Kordel aus, stopft ihr jeweils eine Socke vorne in den Schuh. Besser?

      Na ja.

      Geh weiter.

      Wohin?

      Bloß weg, sonst kriegen wir Besuch.

      II

      Reife, rote Hagebutten – und gegenüber ein Tümpel: Schilf an den Rädern; das Bächlein gluckert, fließt nach unten. Dostya horcht hin, worauf sie den Schirm zuklappt.

      Der Regen hat aufgehört.

      Die Spinnennetze sind gerissen, die Erde schwarz; die Bäume nässen. Ein Pfad schlängelt sich weiter bergan, freier Himmel, aber vorher wechseln beide die Kammseite, abwärts, zum Tal – hier sämiger Lehm, das Gras verklebt, unten aber fest und flach; und gleich die Strümpfe, die Hose triefnass, weil sie eiskalte Tropfen von den Stängeln abstreifen. Aus der Entfernung sehen beide ein Dorf, neben Scheunen grasen Kühe. Nimm Abschied.

      Was?, fragt Lilja leise. Das ist Niederau, ich wohn in Lobstedt, die Landstraße hoch.

      Eins wie das andere, schnauft Dostya.

      Lilja zeigt auf ein Fachwerkhaus, grauer Rauch kräuselt aus dem Schornstein. Da holen wir immer die Brote vom Bäcker …

      Ein hartes Lachen. Die wirst du selber backen müssen!

      Warum bist du so fies zu mir?

      Bin ich das?

      Ja!

      Hast du denn nicht verstanden, was mit dir passiert ist? Dass du ab jetzt auf der anderen Seite des Schützengrabens stehst? So wie ich – wie wir.

      Ich will nach Hause.

      Es gibt keinen Weg zurück. Sie lassen es nicht zu.

      Wer, sie?

      Die Steine.

      Du glaubst mir nicht, dann geh. Kauf dir Milch und Kekse, ein paar leckere Süßigkeiten.

      Ich hab kein Geld …

      Ha! Das brauchst du auch nicht mehr.

      Weißt du was‽, brüllt sie Dostya an, mein Papa sitzt im Dorfrat, der wird dich –

      Verprügeln? Einsperren? Wie alt bist du eigentlich?

      Lilja presst die Lippen zusammen; wankt ein paar Schritte, in den zu großen Schuhen und der zu weiten Hose – wie eine Vogelscheuche steht sie auf dem Feld, blickt zurück. Siehst du.

      Nur zu, ruft Dostya. Mach Vati stolz. Nein, komm her!

      Wieder verdunkelt sich die Welt, Tag wird Nacht, der Acker zum Schlachtfeld; und Pflugscharen zu Schwertern. Lilja, am Stacheldraht verheddert, sucht die Zange, um sich freizuschneiden. Wo sind ihre Kameraden? Ein jäher Ruck, etwas reißt sie nach hinten: ein Schuss durch den Hals, sie keucht, würgt Blut, das von ihren Lippen tropft, ehe —

      Es reicht!, knurrt Dostya und zerrt sie zum Waldrand hin. Noch immer nicht genug?

      Was ist das, was ich sehe?, fragt Lilja.

      So sah der Krieg aus.

      Im Sturmschritt voran; sie marschieren, bis der Pfad um den Hügel verläuft, steil aufstrebt. Felsschluchten links vor ihnen, rechtsseitig Sträucher. Der Himmel klart auf, wird grell, als aus den Wolken die Sonne hervorsticht: Regenpfützen spiegeln, der Matsch, die Blätter, die nassen Steine … Überall glimmert der Wald. Lilja seufzt. Wärme.

      Was ist?, fragt Dostya.

      Nichts.

      Sie fällt zurück …

      Nicht rumtrödeln.

      Ich bin müde, klagt Lilja, ihre Schuhe schleifen durchs Laub. Außerdem hab ich Durst.

      Leise. Und schau, wohin du trittst.

      Jetzt warte auf mich!

      Dostya dreht sich um. Hier draußen darf man nicht warten, hier ändert sich jede Minute alles.

      Liljas Schritte hinter ihren – Gräser rascheln und Zweige. Sie folgen einem Wildwechsel tief in den Wald hinein: von Rehen frische Spuren, die von den Einständen zu den Äsungsstellen führen; Fellreste, ein angeknabberter Pilz und der herbe Geruch von Kot. Kein Tier in Sicht.

      Warte, bittet sie. Und Dostya hält an. Kind, ich sagte doch –

      Ich kann nicht mehr!

      Gleich rasten wir.

      Auf dieser Lichtung frisst das Wild: Das Gras ist kurz, die junge Rinde von den Zweigen genagt; freie Wurzeln faulen weiß. Dostya stellt ihren Rucksack hin, löst einen Knoten und entrollt die wasserdichte Zeltbahn wie eine Picknickdecke. Setz dich.

      Beide im Schneidersitz, reichen sich die Feldflasche. Lilja meint: Es ist meine Schuld gewesen. Deshalb ist er tot.

      Ein Vogel zirpt.

      Was weißt du über die Steine?

      Also, überlegt Lilja, in der Schule haben wir gelernt –

      Und sonntags bei der Messe.

      Du kennst das wohl schon.

      Wollte dich nicht unterbrechen.

      Findest du das lustig? Ist das ein Spaß für dich‽

      Nein, ich – Hast du Hunger?, fragt Dostya schnell und СКАЧАТЬ