Erstflug. Matthias Falke
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Название: Erstflug

Автор: Matthias Falke

Издательство: Автор

Жанр: Научная фантастика

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isbn: 9783957770912

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      Matthias Falke

      Erstflug

      © 2016 Begedia Verlag

      © 2015 Matthias Falke

      Umschlagbild – Alexander Preuss

      Lektorat, Satz und ebook-Bearbeitung – Harald Giersche

      ISBN-13 – 978-3-95777-091-2 (epub)

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      http://verlag.begedia.de

      Das ENTHYMESIS-Universum

      Eine Science-Fiction-Saga in sieben Trilogien

      1. Laertes

      -Erstflug

      -Persephone

      - Lombok

      2. Exploration

      3. Gaugamela

      4. Zthronmic

      5. Tloxi

      6. Jin-Xing

      7. Rongphu

      Kapitel 1. Der Brief

      Immer am Zaun entlang. Einmal um den ganzen Komplex. Einmal um den Gulag. Das half zwar auch nichts. Man musste ja doch wieder hinein. Aber man wusste dann wenigstens, dass es ein Außerhalb gab.

      Immer dem Zaun nach. Genau genommen waren es sogar drei: ein elektrischer, ein Stacheldraht, ein normaler, von außen nach innen. Außerdem die Kameras, die Infrarotsensoren und Bewegungsmelder, die Selbstschussanlagen. Die Fabrik war gesichert wie die nationalen Goldreserven. Oder wie ein KZ, letzteres in umgekehrter Richtung. Aber das spielte keine Rolle. Undurchdringlich war undurchdringlich. Wer drin war, kam nicht raus, wer draußen war, kam nicht hinein. Die Pforte öffnete sich nur dem Eingeweihten.

      Er gehörte dazu. Er war zugelassen. Was früher das Brandzeichen, die Ziffernfolge auf dem Unterarm, war jetzt der implantierte Chip, in etwa an derselben Stelle, dicht beim linken Handgelenk. Das war der Türöffner. Damit kam man hinein.

      Und jetzt knisterte der Brief in seiner Tasche. Damit würde er wieder hinaus kommen.

      Sie hatten tatsächlich einen physischen Brief geschickt. Per Einschreiben. Er musste auf drei verschiedenen Pads quittieren. Ein wattierter Umschlag. Das Wappen der Union und das Logo der Mission. Er musste ihn nicht öffnen, um zu wissen, was darin stand. Er hatte damit gerechnet. Er hatte lange darauf gewartet. Der Brief war überfällig, sie hatten sich Zeit gelassen! Aber jetzt war er da. Endlich!

      Einmal um das Gelände, immer am Zaun entlang. Er wusste nun auch, welcher Tag es war, den er nie wieder vergessen würde. Dieser! Der hohe wolkenlose Himmel. Ringsum die gelben erntereifen Wiesen und Felder. Die Hummeln und Bienen über den Ähren, der Mohn und die Kornblumen zwischen den Halmen, die ergeben auf den Schnitt warteten. In der Ferne das mondblaue Gebirge. Sein Kamm bezeichnete genau die Wasserscheide. Ein Regentropfen, der auf dieser Seite fiel, strömte durch diesen Bach in diesen Fluss und weiter in dieses Meer. Einer auf der anderen Seite, und wenn es nur eine Handbreit war, in einen anderen Bach, einen anderen Fluss, ein anderes Meer. Erst im Ozean wären sie wieder vereint. Der Ozean war der Tod. Dort konnten sie nur auf die Wiedergeburt in Form einer Gewitterwolke hoffen.

      September. Nachsommer. Es war noch immer heiß. Aber die Tage wurden kürzer, die Nächte waren schon empfindlich kalt. Alles neigte sich, alles ging hinüber.

      Einmal außenrum dauerte dreißig Minuten. Eine Mittagspause. Aber man konnte den Gang auch während der Kaffeepause wagen. Sie waren keine Angestellten, die nach der Uhr arbeiteten. Keiner von ihnen konnte nach acht Stunden nach Hause gehen. Was sie an Freiheit im Großen entbehrten, das genossen sie im Kleinen. Sie konnten aufstehen und einmal um den Block laufen, einfach so, während der ›Arbeitszeit‹. Kein Hahn krähte danach. Der Aufsicht war es vollkommen egal. Auch die Aufsicht war lax, wie alles hier. Dass sie Gefangene waren, Sklaven, Geiseln, hatten sie sich selber zuzuschreiben. Sie waren Galeerensklaven, die sich selber angekettet hatten. PoW’s in einem Krieg, in dem keine Gefangenen gemacht wurden. Ihre Ketten, das war ihre eigene Begeisterung, das Fieber, in dem sie für ihre Sache brannten. Die Sache aber, um die dieser Krieg geführt wurde, das war der Gegenstand, der hier in höchster Abgelegenheit herangezüchtet wurde. Das Produkt dieser Fabrik.

      Parallel zum Zaun, an seiner Außenseite, verlief ein zehn Meter breiter Streifen kurz gemähter Wiese. Dann kamen die Felder, die sich nach allen Seiten dehnten. Der nächste Hof, das nächste kleine Dorf war eine Stunde entfernt, ein paar Minuten mit dem Scooter, aber hier hatte niemand einen Scooter. Zu weit, als dass man hätte rufen können. Hinlaufen war gänzlich aussichtslos. Man wäre aufgegriffen worden, ehe man die Hälfte der Strecke überwunden hatte. Im übrigen hatte niemand die Absicht zu fliehen.

      Er war einer der wenigen, der einmal am Tag nach draußen ging, um frische Luft zu schnappen. Um sich zu vergewissern, dass es das Draußen noch gab. Ein paar seiner Kollegen traten ab und zu vor die Pforte, um zu rauchen. Manche reagierten ihren Frust in lauten Schreien ab, die ungehört über den Getreidefeldern verhallten. Die meisten waren voller Unverständnis für dieses Bedürfnis, der Arbeit auch nur fünf Minuten den Rücken zu kehren. Freiwillig!

      Sie hockten krummgeschlossen vor ihren Konsolen, nuschelten in ihre Headsets, fingerten sich zitternd und mit schielenden Augen, als stünden sie unter Drogen, durch die holografischen Displays. Vielleicht nahmen sie wirklich etwas ein. Zumindest Psychopharmaka waren weitverbreitet, aber auch Schlimmeres. Abends mussten die Wärter sie ermahnen, die Ruheräume aufzusuchen. Zwölf Stunden, in Ausnahmefällen vierzehn Stunden, das war das Maximum. Mehr duldete die Leitung nicht. Man wollte die Leute, die besten ihrer Art auf diesem Planeten, nicht vorschnell verschleißen. Man brauchte sie noch. Das Produkt war nicht fertig. Jedenfalls noch nicht marktreif. Es würde auch noch eine Weile dauern.

      Einmal am Zaun entlang, die Sonne auf dem Scheitel spüren. Den Wind in den Ähren hören, das Summen der Insekten. Würde er Sehnsucht danach haben? Würde er sich danach verzehren?

      Der Brief brannte in seiner Jackentasche. Das war der Schlüssel. Jetzt würde er die andere Seite kennen lernen. Er würde erfahren, ob sich all die irrsinnige Arbeit gelohnt hatte. Sechs Jahre seines Lebens steckten in dem Projekt. Sechs Jahre in diesem Komplex, der sich nur wenig von einem Gefangenenlager unterschied. Sechs Jahre Einsamkeit. Abends eine Stunde per Videostream, alle paar Monate ein Wochenende. Er war frei, er konnte über seine Zeit verfügen! Dann trafen sie sich in irgendeiner Stadt. London, Rom, Sidney, Doha. Aßen zu Abend in sündhaft teuren Restaurants. Geld spielte nicht die geringste Rolle. Verbrachten Nächte in den ausgesuchtesten Hotels, die so perfekt und austauschbar waren, dass er am Morgen nicht wusste, in welcher Stadt, auf welchem Kontinent sie diesmal abgestiegen waren. Die Welt war klein geworden. Manche behaupteten: zu klein!

      Was würde sie dazu sagen? Er schob den Gedanken von sich. Es würde sich alles irgendwie ergeben.

      Sonderbarerweise gab es genau auf der Rückseite des Komplexes auch ein Firmenschild. Es wies grell in die menschenleere Weite dieser Felder, die in ein paar Tagen nur noch Stroh und Stoppeln sein würden. Nachts wurde es sogar angestrahlt. Er war eigens einmal spät, nach Schichtende, herausgekommen und hatte seinen täglichen Gang nicht mittags, sondern in der blauen Stunde absolviert, um das zu sehen. Und tatsächlich: das riesenhafte Schild, leuchtend und flimmernd, schrie seine Botschaft den Mücken und Nachtfaltern entgegen. Sonst war niemand da. Oder gab es einen СКАЧАТЬ