Erstflug. Matthias Falke
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Название: Erstflug

Автор: Matthias Falke

Издательство: Автор

Жанр: Научная фантастика

Серия:

isbn: 9783957770912

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СКАЧАТЬ Sie Schiss?«

      »Kein intelligenter Mensch würde leugnen, dass das Ganze mit einem mulmigen Gefühl verbunden ist.«

      Laertes ließ das wirken. Er konnte zusehen, wie der Fahrer den Satz im Kopf ein paar Mal vor und zurückspulen musste.

      »Es ist natürlich schon ein Schritt«, sagte er dann. »Man muss alles zurücklassen, eh?«

      »So ist es.« Laertes tat noch immer der Schädel weh. »Aber bei dem Meisten ist das ja auch nicht schade, oder?«

      Er legte das Handgelenk auf das Display, das in seiner linken Armlehne sichtbar wurde, und quittierte die Fahrt. Der Betrag würde von der Firma beglichen. Diese eine Dienstleistung hatte er noch gut. Er hätte auch gleich in die City fahren und sich bei einem der pompösen Hotels am Flughafen absetzen lassen können. Aber er wollte die Zwischenstation noch. Er brauchte die Etappe. Eine Sache war noch zu erledigen.

      Als er ausstieg, war er jedenfalls endgültig ein freier Mann. Der letzte Kontakt, der ihn noch mit der Firma verband, salutierte eifrig, wendete auf dem kleinen Vorplatz des Gasthofs und bretterte mit jaulenden Aggregaten davon.

      Laertes blieb allein zurück. Die kleine Reisetasche in der Hand – andere Leute nahmen mehr Gepäck mit, wenn sie in die Sauna gingen oder an den Strand. Er sah sich um. Der Gasthof war im Tiroler Landhausstil erbaut. Breite Balkone, vor denen Kästen mit Geranien und Pelargonien hingen. Holzschnitzereien. An einer Wand Lüftlmalerei. Er war oft hier durchgekommen, auf dem Weg zum Flughafen oder zurück. Meist nachts oder am frühen Morgen. Aber er war nie ausgestiegen und hatte sich das Gebäude angesehen. Das holte er jetzt nach.

      Ein einziges Mal war er im Ort selbst gewesen. Jim Gallagher, zwei Gehaltsklassen über Curdy Jones, hatte die ganze Arbeitsgruppe zu sich nach Hause eingeladen. Er wohnte in einem protzigen Anwesen am Rand des Dorfes. Riesiger Garten mit Hochstammrosen und Obstbäumen. Ein Trampolin und ein eigener Tennisplatz für die Kinder. Natürlich ein Swimmigpool. Die Party diente offiziell dem gegenseitigen Kennenlernen. Ihr eigentlicher Zweck war es, den kleinen Sachbearbeitern und 0815-Programmierern vorzuführen, was man im Management verdienen konnte, auch wenn man von der Materie, die man dabei verwaltete, nicht den geringsten Schimmer hatte. Sie hatten das bald durchschaut und sich entsprechend aufgeführt, vor allem nach dem zweiten, dritten Bier. Einer hatte die Kinder des Hauses so oft und so erbarmungslos im Tischtennis geschlagen, dass sie zu heulen anfingen. Ein anderer den Hund in den Pool geschmissen. Jones hatte der puertoricanischen Haushälterin unter den Rock gefasst, die ihm daraufhin eine knallte, der ihr wiederum seinen Champagner ins Gesicht schüttete. Einer hatte in die Blumenrabatte gekotzt. Es war das letzte Fest dieser Art. Die Führung gab mit sofortiger Wirkung sämtliche Versuche auf, mit der restlichen Belegschaft zu fraternisieren.

      Anekdoten. Laertes schmunzelte gedankenverloren vor sich hin.

      Als er eintrat, registrierte er mit Erleichterung, dass ihn hier niemand kannte. Er ging zur Rezeption und mietete das beste Zimmer des Hauses für zwei Nächte. Vielleicht würde er nur eine davon in Anspruch nehmen. Das hing davon ab, was für eine Verbindung er finden würde. Aber es kam nicht darauf an. Er hatte es immer so gehalten. Das erste Haus am Platze, die teuerste Suite. Geld spielte keine Rolle, ob die Firma zahlte oder ob es privat war. Er verdiente zwar nicht annähernd so viel wie Gallagher oder die Leute, die noch über ihm standen. Aber er hatte andererseits auch nie Gelegenheit gehabt, sein Geld auszugeben. Keine Familie, kein eigener Wohnsitz, keine Hobbies. Die Wochenenden mit Kathy waren das einzige. Aber wenn es acht im Jahr waren, war es viel. Im Bunker, wie sie den Gebäudekomplex von AIRC nannten, zahlte alles die Firma, auch die Unterkunft, den Kaffee und die Mikrowellenpizza. Nach bürgerlichen Gesichtspunkten war er ein wohlhabender Mann. Die Firma hatte gute Anlageberater! Aber das hatte ihn eigentlich nie interessiert. Geld war soviel wert, wie man sich dafür kaufen konnte. Was das anging, war er in all den Jahren bedürfnislos gewesen.

      Ein Mädchen in ländlicher Tracht brachte ihn auf sein Zimmer. Dafür, dass es nur ein Gasthof war und kein Hotel, war es beinahe luxuriös. Ein ungewöhnlich großes Doppelbett, davor der nicht weniger riesige interaktive Schirm. Die Tür zum Bad stand offen, das die Grundfläche des Wohnraums noch zu überbieten schien. Er erkannte einen Whirlpool und eine Zweipersonen-Sauna, außerdem ein Fahrradergometer. Das ganze Etablissement war auf ein älteres, wohlhabendes Publikum berechnet, das hier den Nachsommer verbrachte, in den nahen Bergen wandern ging und die Abende ausufernden Weinproben und den Kreationen der Sterneköche widmete.

      Er danke dem Mädchen und steckte ihm einen Zehner zu. Dann fiel ihm noch etwas ein.

      »Würden Sie mir etwas gegen Kopfschmerzen bringen?«

      Sie nickte und lief die Treppe hinunter. Als sie wiederkam, hatte er die Schuhe ausgezogen und sich auf dem Bett ausgestreckt. Sie kredenzte ihm die Tablette in einem Glas sprudelnden Wassers, als handele es sich um eine Jahrgangsauslese. Dabei musterte sie ihn mit einem mitfühlenden Blick.

      »Der Föhn?«

      »Das auch.« Er leerte das Glas in einem Schluck. Prickelnde Kälte explodierte in seinem Magen. »Wir haben gestern gefeiert!« Eine kreisende Bewegung der Hand auf Höhe seiner Schläfen sollte seinen Zustand verdeutlichen.

      »Was haben Sie gefeiert?«, fragte sie.

      »Meinen Ausstand.«

      »Sie sind von der Firma«, riet sie. »Die die Roboter bauen.«

      »Wir programmieren sie«, korrigierte er sie sanft. »Gebaut werden sie woanders.« Das eine entsprach der Wahrheit zwar ebenso wenig wie das andere, aber irgendwie fand er Gefallen an der kleinen Unterhaltung.

      »Wurden Sie gekündigt?«

      »Ich habe meinen Abschied eingereicht.«

      »Oh!« Die Kleine staunte. Das musste man sich leisten können, soviel war ihr klar. »Und – was machen Sie jetzt?«

      »Ausspannen.« Er überlegte. »Vorträge. Übermorgen muss ich nach Hawaii.«

      »Das ist ja aufregend!« Sie legte den Finger an den Mund. »Soll ich Ihnen eine Verbindung heraussuchen.«

      »Das schaffe ich schon selber. Vielen Dank!« Er sah sie an. »Waren Sie mal dort?«

      »Um Gottes Willen!«

      »Zwei Stunden.« Er hob die Schultern, wohl wissend, dass das eigentlich nicht seine Art war. Der Brief musste etwas mit seinem Serotonin gemacht haben.

      »Das ist nicht der Punkt«, sagte das Mädchen altklug. »Ein solcher Flug kostet mehr, als ich hier im ganzen Jahr verdiene.«

      Das mochte sein. Über solche Dinge hatte er nie nachgedacht.

      »Entschuldigen Sie bitte. Das war gedankenlos.«

      »Nein, ist schon gut.«

      Sie stand da und sah ihn an; Er spürte, wie der Kopfschmerz sich in seinen Winkel zurückzog wie ein eingeschüchtertes Tier in seinen Bau. Auch das mochte zu seiner übermütigen guten Laune beitragen. Er überlegte, ob er sie einfach einladen sollte, ihn zu der Tagung zu begleiten. Sie war nett. Wie sie dastand und den Impuls unterdrückte, sich auf die Bettkante zu setzen, während ihre Aufmerksamkeit immer wieder zur offenen Tür stolperte, von der leise die Geräusche des Treppenhauses und der Rezeption, drei Stockwerke weiter unten, drangen.

      Jones wäre ihr jetzt an die Wäsche gegangen.

      Laertes schickte sie weg.

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