Von Lüneburg bis Langensalza im Krieg 1866. Friedrich Freudenthal
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Название: Von Lüneburg bis Langensalza im Krieg 1866

Автор: Friedrich Freudenthal

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783867775229

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СКАЧАТЬ er schon mit seinem braven vaterlandsgetreuen Herzen in kühler Erde, Niemand weiß mehr die Stätte, wo er begraben liegt, und das Haus, worin er wohnte, ist vor Jahren abgebrochen; aber dennoch lebt er in meinen Erinnerungen fort und noch oft sehe ich ihn im Geiste vor mir, wie einst in seiner dürftigen Behausung, oder ich sehe ihn in der kleinen Dorfkirche auf gewohntem Platze, wo er allsonntäglich zu sitzen pflegte in verschlissenem, ärmlichen Gewande zwar, aber mit der silbernen Waterloo-Medaille am blau-rothen Bande auf der Brust. Friede seinem Staube und Ehre seinem Andenken!

      Noch andere alte Veteranen, von der Göhrde und Waterloo, lernte ich in meiner Jugend kennen, ja sogar ein alter Legionär war darunter, der die Feldzüge in Spanien und Portugal mitmachte. Sie alle trugen durch ihre Erzählungen dazu bei, daß das Vaterlandsgefühl in mir mächtig erstarkte und später in meinem ganzen Lebensgange stets eine vorherrschende Stellung behauptete. Als ich daher in meinem 15. Jahre die Dorfschule verließ und mein Streben nach weiterer Ausbildung keine wirksame Unterstützung fand, richteten sich naturgemäß meine Blicke auf die Armee. Ich hielt es für ehrenhaft, dem Könige und Vaterlande als Soldat zu dienen und gleichzeitig hoffte ich, daß ich in der Garnison leichter Gelegenheit finden würde, meinen Wissensdurst zu befriedigen.

      Ich hätte gleich nach der Confirmation als Spielmann eintreten können, aber dazu war ich nicht sehr geneigt. Signalhorn und Querflöte blasen und die Trommel „rühren“, wie im Soldatenliede der „kleine Tambour Veit“, das waren Beschäftigungen, denen ich keinen rechten Geschmack abgewinnen konnte. So wurde denn von meinen Eltern, welche inzwischen von ihrem bisherigen Wohnorte in das Haus meiner Großeltern übergesiedelt waren, beschlossen, daß ich noch zuvor einige Jahre im Schreibfache thätig sein sollte.

      Es fand sich für mich eine Stelle bei einem Gerichtsvogt in dem einige Tagereisen von meinem Heimathsdorfe F... entfernten Kirchdorfe L... Dort hatte ich von Pfingsten 1864 bis Ostern 1866 Gelegenheit, die Leiden und Freuden eines Schreiberjungen nach allen Richtungen hin kennen zu lernen. Zu den Freuden rechne ich die Stunden, die ich in der Wohnung eines alten Mannes, des Klempners Sp..., verbringen konnte. Er war Veteran von Waterloo und hatte unter Major Baring La Haye Sainte mit vertheidigen helfen. Obschon halb erblindet, war der alte Mann noch eifrig in seinem Geschäft thätig. Ich pflegte ihn häufig an Sonntagnachmittagen zu besuchen. Natürlich bildeten die Kriegserlebnisse des alten Mannes dann das Hauptthema unserer Unterhaltung.

      In jenem Orte wohnte auch ein alter Kanonier von Waterloo. Von ihm hörte ich oft erzählen, wie er und die anderen Kanoniere der Batterie jedesmal von den Geschützen zu den Carrés flüchteten, wenn die französische Cavallerie herangebraust kam. Hatten sie etwas lange gezögert und war dann das betreffende Carré schon geschlossen, so warfen sie sich vor der Front desselben auf die Erde und suchten Schutz unter den vorgestreckten Bajonetten.

      Einen Kameraden des Letzteren lernte ich einige Jahre später bei irgend einer Gelegenheit kennen. Er war Seminarwärter zu St ... und hatte sich die Eigenthümlichkeit angewöhnt, daß er statt Waterloo immer „Wasserloo“ sagte. Wahrscheinlich hatte die Bildungsstätte, deren Räume seiner Aufsicht anvertraut waren, so verfeinernd auf ihn eingewirkt, daß er es für seine Pflicht hielt, das ehrliche niederdeutsche Wort zu verballhornen. Seine Erzählungen von der „Schlacht bei Wasserloo“ machten in Folge dessen stets einen mehr komischen, als ernsten Eindruck auf mich.

       Vorbereitungen zum freiwilligen Eintritt und Abschied vom Heimathsdorfe.

      Als der Frühling des Jahres 1866 herannahte, hielt es mich nicht länger in der Schreibstube. Mit Einwilligung meiner Eltern gab ich meine Stellung auf, und in den letzten Tagen des März traf ich in der Heimath ein. Am 1. April wurde das Osterfest gefeiert und am 16. desselben Monats fand die alljährliche Rekruteneinstellung statt. Es wurde beschlossen, daß ich mich in Lüneburg bei dem Districts-Commissär zum freiwilligen Eintritt in das 3. in Hannover in Garnison stehende Jägerbataillon melden sollte.

      Mein Wunsch war eigentlich, bei der Cavallerie zu dienen, aber meine Eltern erhoben ernstlichen Einspruch. Der Dienst bei dieser Waffe schien ihnen zu schwer und zu gefahrvoll; sie wußten von so vielen Unglücksfällen zu erzählen, die durch schlagende, beißende oder durchgegangene Pferde verursacht worden waren, daß es mir noch heute ein Räthsel ist, auf welche Weise sie damals zu einem so zahlreichen Schatz beklagenswerther hippologischer Ereignisse gelangt sein konnten.

      Mit dem leichten Sinne der Jugend wußte ich mich über diese erste Enttäuschung hinwegzusetzen. Bei mir hieß es damals: Soldat um jeden Preis! Hatte ich mich bislang in meinen kindischen Träumereien als „kühner Reitersmann“ auf „stolzem Rosse“ mit dem „blitzenden Schwert“ in der Hand einhersprengen sehen, so stieg ich jetzt mit guter Fassung einige Stufen herab – Jägerbüchse und Käppi mit Roßschweif, sowie der grüne Rock mit schwarzen Kragen bildeten von nun an den Mittelpunkt meiner Zukunftsgedanken.

      Die wenigen Wochen, welche mir bis zu meinem Eintritt verblieben, vergingen sehr rasch und so war denn der Tag meiner Abreise – es war dieselbe auf den 13. April festgesetzt – nahe und ich mußte die nöthigen Vorbereitungen zu meinem Vorhaben treffen. Weitläufiger Schreibereien bedurfte es dazu allerdings nicht. Eine kurze Bescheinigung des Ortsvorstehers, wodurch man sich nöthigenfalls legitimieren konnte, genügte. Als Alter des freiwilligen Eintritts beim Militär war das 17. Lebensjahr festgesetzt, ich hatte dasselbe noch nicht völlig erreicht, aber da man in hannoverscher Zeit nicht so ängstlich auf den Buchstaben sah und ich überdies, wenn auch nicht gerade groß, doch ziemlich zäh und kräftig war, so zweifelte ich nicht, daß ich angenommen werden würde.

      Der Ortsvorsteher, welcher mir die Bescheinigung ausstellte, hielt große Stücke auf mich, er hatte mir immer mit großer Bereitwilligkeit Bücher geliehen, von denen er eine ziemliche Sammlung besaß. Jedesmal, wenn er – was häufig vorkam – eine Reise nach Hamburg machte, brachte er außer sonstigen für die Haushaltung erforderlichen Waaren auch ein Quantum geistiger Nahrung mit, die er „up de Kahr“, das heißt von jenen „fliegenden“ Antiquaren einkaufte, welche ihre Bücherschätze am Hopfenmarkt und auf anderen öffentlichen Plätzen auf einer dazu hergerichteten Karre feil zu halten pflegen. Von diesen Reisen war ich meistens schon vorher unterrichtet und mit großer Spannung harrte ich jedesmal der Rückkehr meines Gönners, denn es war unter uns eine stillschweigende Abmachung, daß ich die mitgebrachten Bücher zuerst zum Durchlesen erhielt. Dieses Wohlwollen, welches der gute Mann mir von jeher erzeigte, hatte durch meine zweijährige Abwesenheit keine Veränderung erlitten. Er wünschte mir das beste Fortkommen und ließ es sich nicht nehmen, mir auf das Bündigste zu bescheinigen, daß ich mir „keine Schlechtigkeit hätte zu Schulden kommen lassen und auch sonst mit der Feder gut umzuspringen wüßte“. Damit war diese Sache erledigt und es blieb mir nur noch die Aufgabe, mich von guten Freunden und Bekannten, „getreuen Nachbarn und desgleichen“ zu verabschieden. Da nun die Bewohner eines weltfernen Dorfes gewissermaßen eine große Familie bilden – selbstverständlich nicht dem Verwandtschaftsgrade, sondern der Art des Zusammenlebens nach, wie solches sich seit uralter Zeit herausbildete –, so waren die Abschiedsbesuche, welche ich abzuhalten hatte, recht zahlreich und erforderten fast den ganzen mir noch verbliebenen freien Tag.

      Am Abende dieses Tages, als die Dämmerung bereits herein zu brechen begann, wanderte ich noch einmal die in friedlicher Stille sich zeigende Dorfstraße entlang. Ziemlich am Ende des Dorfes angekommen, lenkten meine Schritte sich allmählich einem etwas abseits gelegenen Gehöft zu. Obschon ich mich nun der Gedanken und Absichten, mit denen sich damals mein jugendliches Herz beschäftigte, heute nicht ganz klar mehr entsinne, so glaube ich doch, daß, wenn ich die Goethe’schen Verse

      „Ich ging – –

      So für mich hin

      Und nichts zu suchen

      Das war mein Sinn – –“

      auf meine abendliche Wanderung hätte anwenden СКАЧАТЬ