Krähen über Niflungenland. Gunnar Kunz
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Читать онлайн книгу Krähen über Niflungenland - Gunnar Kunz страница 11

Название: Krähen über Niflungenland

Автор: Gunnar Kunz

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783964260086

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СКАЧАТЬ sah aus dem Fenster. Ein Ausdruck von Überraschung trat auf sein Gesicht. »Er hat die Pferde bei sich. Gab ich ihm den Befehl dazu?« Verwirrt eilte er hinaus.

      Grimhild folgte ihm. In der Tür hielt sie noch einmal inne. »Sigfrid wäre ein guter Verbündeter, nicht wahr?« Und ehe ihr Bruder antworten konnte, war sie verschwunden.

      3.

      Einige Nächte waren ins Land gegangen, und der Sommer kündigte sich an. Der Nachmittag war schwül und versprach, noch heißer zu werden. Überall konnte man den schwirrenden Gesang der Grillen und Heuschrecken hören, ein vielstimmiger Wettstreit aus Knarren und Zirpen, mit dem die Männchen die Weibchen anlockten. Bienen summten geschäftig umher, selbst Maikäfer flogen noch in großer Zahl durch die Luft. In der Hitze reiften die Früchte. Nicht mehr lange, dann wurde es Zeit für die Kornernte.

      Gunter saß an einen Baum gelehnt und ließ träge die Augen über das Land schweifen. Die Wiese war mit Hahnenfuß, Mohn und Kornblumen übersät. Auch der Löwenzahn blühte überall. Ein rotbraun gefleckter Schmetterling ließ sich auf einer Distel nieder und faltete die Flügel ein paarmal auf und zu, ehe er zur Ruhe kam. Gunter beobachtete ihn eine Weile und seufzte zufrieden. Wie schade, dass ihm Momente wie dieser so selten vergönnt waren! Es tat gut zu sehen, wie das Land gedieh. Vielleicht war er am Ende doch kein so schlechter König. Der Schmetterling breitete seine Flügel aus, um die Wärme der Sonne einzufangen. Gunter liebte dieses Land. Wenn Aldrian je eine richtige Entscheidung getroffen hatte, dann die, hier sein Reich zu gründen.

      Der Gedanke an seinen Vater warf einen Schatten über den Augenblick der Unbeschwertheit. Wie so oft wanderten Gunters Gedanken zurück zu jenem schicksalhaften Augenblick, als sich seine Bestimmung erfüllte und er gezwungen war, gegen seinen Willen König von Niflungenland zu werden. Grimhild brachte ihm damals in hysterischem Zustand die Nachricht von Aldrians Tod. Auf Hagens Rat entschloss er sich, die Todesursache zu vertuschen, um Schaden von ihrer Sippe abzuwenden. Ein König, der der Blutrache zum Opfer fiel – das würde viele Menschen davon überzeugen, dass das Königsheil die Niflungen verlassen hatte. Sogar Grimhild mit ihren jungen Jahren begriff das. So sagten sie weder Gernholt noch Gislher etwas davon, und selbst Oda weihte Gunter nur zögernd ein. Überraschenderweise war sie ihnen eine große Hilfe. Klaglos ritt sie mit hinaus, um die Leiche zu bergen und heimlich in die Burg zu bringen, wo sie die klaffende Rückenwunde so vernähte, dass diese bei der Totenwache nicht auffiel. Sie tat, was nötig war, wie eine echte Königin, und behielt ihren Schmerz für sich, bis die schauerliche Arbeit vollbracht war. Erst dann zog sie sich in ihre Gemächer zurück, um zu trauern. Monatelang sprach sie mit niemandem, aß und trank kaum, und es bedurfte der gemeinsamen Anstrengung ihrer Kinder, um sie aus ihrer Gleichgültigkeit zu reißen.

      Gunter betrachtete seine Fingerspitzen. Keine Möglichkeit zur Rache zu haben, weil er nicht wusste, wer seinen Vater getötet hatte, das war eine Wunde, die unaufhörlich blutete, aus der nach und nach sein Lebenssaft rann. Ein schleichendes Gift in der Seele, das allmählich sein Selbstbewusstsein untergrub. Seinem Vater und damit seiner Sippe war die Ehre genommen worden, ohne dass er sie sich zurückholen konnte. Eines Tages würden die Gefolgsleute seine Kraftlosigkeit erkennen, und das würde das Ende seiner Herrschaft sein. Düster starrte Gunter zu Boden. Die Hochstimmung, die ihn eben noch erfasst hatte, war wie weggeblasen.

      Sigfrid hatte sich von den anderen entfernt, um allein zu sein. Er wollte über die Fetzen eines merkwürdigen Traumes nachdenken, der ihm im Kopf herumspukte. Er konnte sich nur an Bruchstücke erinnern. Es hatte mit Feuer zu tun, einer Waberlohe oder dergleichen, er wusste es nicht mehr genau. In letzter Zeit stellte er immer öfter fest, dass sein Gedächtnis Lücken aufwies.

      Der kühle Wald zog ihn an. Mit raschen Schritten ging er hangaufwärts, bis er in den Schatten der Bäume eintauchte. Sobald ihn niemand mehr beobachten konnte, fiel alles Gezwungene von ihm ab und machte einem glücklichen Grinsen Platz. Er konnte sich überall einfügen, aber nur unter dem Laubdach des Waldes fühlte er sich wirklich zu Hause. Hier war er keinen Zwängen unterworfen, hier musste er nicht versuchen, die verwickelten Gedankengänge anderer Menschen nachzuvollziehen, hier konnte er sein, wer er war: ein einfacher Mann. Tief sog er den harzigen Geruch der Bäume in seine Nase und berührte die Stämme der Eichen und Buchen, ohne zu wissen, warum. Er wusste nur, dass es sein Herz mit Frieden erfüllte. Seine Brust wurde zu eng für seine Gefühle und gab ein übermütiges Lachen frei. Mit diesem Lachen auf seinen Lippen schritt Sigfrid tiefer in den Wald.

      Aus dem Schatten eines Baumes trat Hagen hervor und sah ihm mit eigentümlichem Blick nach. Er fühlte sich seltsam angezogen von der lichten Seite Sigfrids. Auch wenn er es ungern zugab, empfand er doch eine widerwillige Sympathie für den Sachsen, vielleicht gerade weil sie beide so gegensätzlich waren wie zwei Seiten einer Münze, er mit seiner düsteren Verschlossenheit, der Sachse mit seinem fröhlichen Optimismus. Sympathie, ja … und Neid. Sigfrid fiel alles in den Schoß. Mühelos erlangte er Zugang zu den Herzen der Menschen und erreichte, was immer er sich vornahm, ohne auch nur darüber nachdenken zu müssen. Hagen wusste, dass seine Eifersucht ein kleinlicher Zug war, aber er grollte dem Sachsen dafür, dass er ein Liebling der Götter war. Erbittert zog er sein Wolfsfell enger um die Schultern und stapfte in die entgegengesetzte Richtung davon.

      Gislher schreckte aus dem Halbschlaf und hob den Kopf. War er eingenickt? Benommen schaute er sich um. Etwas stimmte nicht. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass es die unnatürliche Stille war, die ihm auffiel. Der Gesang der Vögel war verstummt, die Luft drückend und schwül. Irgendein intensiver Geruch hing in der Luft. Der Wald schien auf etwas zu warten. Aber worauf?

      Wie zur Antwort brach plötzlich ein Unwetter los, es krachte und donnerte, kalter Wind fuhr aus dem Nichts zwischen die Bäume, und dann barsten die Dämme des Himmels. Die Wilde Jagd, dachte Gislher furchtsam und kauerte sich am Fuße des Baumes zusammen. Wenn Wodan mit seinen Einheriern, den in der Schlacht Gefallenen, der Kampfekstase nachgab, war verloren, wer sich ihnen in den Weg stellte.

      Die Jagdgesellschaft war beim Zusammenpacken gewesen, als es plötzlich finster wurde. Wolken türmten sich auf, in Windeseile zog sich der Himmel zu. Die Jagdhunde verkrochen sich und winselten. Ein Hase rannte über einen Hügel und verschwand in seinem Bau.

      Hagen begriff als Erster und stieß eine Verwünschung aus. »Die Wilde Jagd!«

      Gunter war verblüfft. Er hatte noch nie erlebt, dass die Geister der Verstorbenen im Sommer durch die Lüfte ritten; der Winter war die Jahreszeit der Toten. »Beeilt euch!«, trieb er seine Männer an. »Wir müssen zusehen, dass wir von hier fortkommen.« Es war ein unnötiger Befehl, jeder packte, als ginge es um sein Leben, zumal sich jetzt die Schleusen des Himmels öffneten. »Wo ist Gislher? Noch im Wald?«

      Hagen griff nach seinem Schwert. »Reitet in die Burg, ich kümmere mich um ihn!« Schon lief er davon. Nicht Gislher, dachte er. Nicht auch noch er! Genügte es nicht, dass er einmal versagt und zugelassen hatte, dass König Aldrian getötet wurde?

      Sigfrid rannte hinter dem Waffenmeister her. Auch er machte sich Sorgen um Gislher, der ihm wie ein Bruder ans Herz gewachsen war.

      Am Waldrand bemerkte Hagen seinen Begleiter. »Ich sagte, Ihr sollt in die Burg zurückreiten!«, fauchte er.

      »Ich bin nicht Euer Gefolgsmann, dem Ihr befehlen könnt.«

      Feindselig standen die Männer sich gegenüber.

      »Ich brauche Eure Hilfe nicht, mischt Euch nicht ein!«, schrie Hagen.

      Sigfrids erste Reaktion auf das überraschende Verhalten des Waffenmeisters war Zorn, doch dann wurde ihm bewusst, dass sie wertvolle Zeit vergeudeten. »Spart Euren Atem für das Laufen!«, rief er und eilte weiter, ohne sich um seinen Kontrahenten СКАЧАТЬ