Der Triumph. Ritchie Pogorzelski
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Название: Der Triumph

Автор: Ritchie Pogorzelski

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783945751930

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СКАЧАТЬ daranging, die Kultur aus dem Geist der Antike zu erneuern. Man orientierte sich an dem, was an Kunst des klassischen Altertums noch vorhanden war. Allerdings verzichtete man auf den Gebrauch von Farbe im Bereich der Skulptur. Michelangelo oder Donatello waren diesbezüglich keine Ausnahmen. Ihre Skulpturen behielten den unveränderten Ton des verwendeten Materials – gelegentlich Bronze, meist Marmor. Warum Leonardo, Rafael und Michelangelo – von den Größen zweiten Ranges ganz zu schweigen – der Tradition zum Trotz niemals auf den Gedanken kamen, ein Bildwerk farbig zu fassen, obwohl sie gleichzeitig Maler und Bildhauer waren und die Technik sowie die Wirkung beider Künste in gleichem Maße kannten und beherrschten, bleibt ein Rätsel und ist vielleicht mit den Sehgewohnheiten ihrer Zeit zu erklären.

      Der deutsche Archäologe und Kunstschriftsteller Johann Joachim Winkelmann idealisierte rund dreihundert Jahre später die griechische und römische Klassik unter dem Schlagwort „edle Einfalt, stille Größe“, erklärte sie zum alleinigen Maßstab für künstlerische Vollkommenheit und prägte damit ganz wesentlich den deutschen Klassizismus. Vernunft und Einfachheit sollten den dominierenden Einfluss der Religion und den Formenreichtum des Barock ablösen. Weiß galt ab sofort als ästhetische Entsprechung dieser Ziele. In seinem Werk, der „Geschichte der Kunst des Altertums“ von 1764, schrieb Winckelmann:

       „Da nun die weiße Farbe diejenige ist, welche die mehresten Lichtstrahlen zurückschicket, … so wird auch ein schöner Körper desto schöner sein, je weißer er ist.“

      Mit diesem Satz definierte Winckelmann kraft seiner Autorität das klassizistische Schönheitsideal. Er erhob damit den rein weißen Marmor zur ästhetischen Norm für die Kunst der klassischen Antike, die als Maßstab für die Kunst schlechthin galt. Canova, Thorvaldsen und deren Kollegen nahmen sich daran ein Beispiel. Hatte nicht schon Michelangelo seinen David aus diesem reinsten und wertvollsten Material geschaffen, das einem Bildhauer zur Verfügung steht?

      Auch Winckelmann wusste offenbar von den Farbspuren auf antiken Kunstwerken. Als bedauerliche Ausnahme beklagte er „die barbarische Sitte des Bemalens von Marmor und Stein“. Dieser Standpunkt wurde noch lange vertreten und so wurden farbige antike Skulpturen entweder als primitive Frühformen abgetan oder der etruskischen Kunst zugerechnet. Winkelmann und der Klassizismus vertraten im Gefolge der Renaissancekünstler die Theorie einer „weißen Antike“. Diese Vorstellung einer farblosen Antike bzw. Architektur entsprach und entspricht den ästhetischen Vorstellungen sowie dem Erkenntnisideal einer intellektuellen Bildungsschicht. Das führte zu einer Bevorzugung von klaren Formen und der farblosen Zeichnung. Die Ansichten Winkelmanns beeinflussten für lange Zeit den Blick auf die Antike Kunst, tun dies sogar bis heute.

      Aber selbst die Aussage Winckelmanns konnte nicht verhindern, dass die Idealisierung des strahlend weißen Marmors als ein Traumgebilde entlarvt wurde. Zu eindeutig waren die Farbspuren auf den neu entdeckten Kunstwerken in Griechenland und Italien. So kam es 1811 zu einem Widerstreit, als die Giebelfiguren des Aphaia-Tempels von Aigina aufgefunden wurden. Diese waren mit deutlichen Farbresten behaftet. Ein Jahr später erwarb der Bildhauer, Maler und Kunstagent des Bayernkönigs Ludwigs I., Johann Martin von Wagner, diese Stücke für die königliche Sammlung in München. Wagner bewertete die Farbigkeit antiker Kunstwerke völlig anders als Winckelmann und erregte damit großes Aufsehen. Er schrieb:

       „Wir wundern uns über diesen scheinbar bizarren Geschmack und beurtheilen ihn als eine barbarische Sitte. … Hätten wir vorerst unsere Augen rein und vorurtheilsfrey, und das Glück zugleich, einen dieser griechischen Tempel in seiner ursprünglichen Vollkommenheit zu sehen, ich wette, wir würden unser voreiliges Urtheil gern wieder zurücknehmen.“

      Jetzt begann im Mittelmeerraum die Zeit intensiver archäologischer Aktivitäten und immer wieder verwiesen Kunstwissenschaftler und Architekten auf das Phänomen der Polychromie. Literarische Quellen und neuere, nach Farbspuren untersuchte Funde belegten nicht nur die Farbigkeit der Bauten, sondern auch eine Bemalung antiker Figuren. Der französische Architekt und Archäologe Jakob Ignaz Hittorff gab 1830 sein Werk „De l’architecture polychrome chez les grecs“ heraus und verwies auf die Farbigkeit der griechischen Bauten. Gottfried Semper bereiste zwischen 1830 und 1833 Griechenland und Italien, um die Bauten der Antike zu studieren. 1834 veröffentlichte er die Schrift „Vorläufige Bemerkungen über die bemalte Architektur und Plastik bei den Alten“ und 1836 die reich illustrierte und vom Autor zum Teil handkolorierte Schrift „Die Anwendung der Farben in der Architectur und Plastik – dorisch-griechische Kunst“. Als die Statue des Augustus 1868 in Prima Porta entdeckt wurde, besaß sie Spuren der Bemalung, die deutlich besser sichtbar waren als heute. Unter den Personen, die bei der Entdeckung zugegen waren, war auch Arnold Böcklin, ein Maler, der stark vom Gedankengut des Klassizismus geprägt war. Als er diese Statue so farbig sah, so ganz anders als die Statuen aus weißem Marmor, war das für ihn ein Schock! Zeitgenossen berichten über seine heftige Reaktion: „Der Klassizismus, wie ich ihn kennengelernt habe, ist falsch und unzutreffend.“

      Der Schock von Böcklin steckt auch heute noch in uns allen, wenn wir antike Statuen betrachten und uns vorstellen sollen, dass sie bemalt waren. Wir sind zu sehr daran gewöhnt, antike Statuen in strahlendem Weiß zu sehen. Diese Gewohnheit hat sich über Jahrhunderte verfestigt. Dieses Weiß der Statuen wird von uns mit der Klassik an sich gleichgesetzt. Wir müssen einerseits bedenken, dass die Statuen im Laufe der Zeit ihre Farben verloren haben. Andererseits sind wir durch unsere Sehgewohnheiten geprägt, die unsere Wahrnehmung der Antike geformt haben: Wir können die griechischen und römischen Statuen nicht ohne die europäischen Statuen, die von Michelangelo bis Canova oder Thorvaldsen den Stil und damit die Wahrnehmung der Marmorfigur in reinem Weiß geprägt haben, betrachten. Das Weiß einer Statue wie der Pietá des Michelangelo oder der Statuen von Bernini stellen für uns einen unumgänglichen Filter dar. Diese großen Meister haben ein immer transparenteres und stärkeres Weiß gesucht. Und das, um der klassischen Antike möglichst nahe zu kommen. Dabei sind nur die wenigsten Statuen der Antike aus einem reinen weißen Stein. Die Mehrheit wurde aus einem Stein gemeißelt, der natürliche „Unreinheiten“ aufweist. Der Archäologe und Direktor der Münchner Glyptothek, Adolf Furtwängler, untersuchte abermals die in seinem Hause aufbewahrten Giebelfiguren des Aphaiatempels. Er ließ sogar eine farbige Rekonstruktion der Westfassade des Tempels in verkleinertem Maßstab anfertigen. 1906 schrieb er in einer grundlegenden Publikation:

       „Wie unendlich wichtig aber die Farbe am antiken Tempel und seinem plastischen Schmuck ist, das empfindet wohl ein jeder, wenn er von dem rekonstruierten farbigen Bilde zu dem farblosen zurückkehrt. Man hat ja keinen Begriff von der leuchtenden, frohen Schönheit altgriechischer Kunst, wenn man ihren Farbenschmuck nicht kennt.“

      An der Tatsache der Farbigkeit antiker Kunst konnte kein ernsthafter Zweifel mehr bestehen, wohl aber an ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild. Daraus entstand eine Front mit drei Lagern unterschiedlicher Ansichten. Verschiedene ästhetische Urteile, Meinungen zur Wahrnehmung, historische Versionen und eine Neuinterpretation der antiken Schriftquellen, die von den Farben berichten, kreuzen sich hier. Eine beständige Entdeckung neuer Details in den antiken Quellen, meist nur fragmentarisch vorhandene Farbspuren und ungeeignete Untersuchungsmethoden ließen viel Raum für unterschiedliche Interpretationen. So entstand der „Polychromiestreit“, der während des gesamten 19. Jhs. anhielt und bis zum Zweiten Weltkrieg andauerte. Neben den Anhängern der „weißen Antike“ bzw. „bunten Antike“ gab es auch die, die eine mittlere Position einnahmen. Möglich war dies auch deshalb, weil die im Altertum verwendeten Farben eine unterschiedliche Dauerhaftigkeit besaßen. Hellere Farben wie Gelb gingen schneller verloren als Mineralfarben wie Rot oder Blau, die Jahrhunderte überdauerten. Obwohl man alle Grundfarben an antiken Skulpturen beobachten konnte, war man bemüht, das Bunte gegen eine Zweifarbigkeit von Rot und Blau auszutauschen. Dieser Polychromiestreit erreichte allerdings das breite Publikum kaum. Durch die beiden Weltkriege und die Orientierung auf die Ästhetik der Moderne, die allgemeine Abkehr von Ornament und Dekor, nahm auch das Interesse der Archäologen und Kunsthistoriker an diesem Thema spürbar ab. Es geriet nahezu in Vergessenheit. Im wissenschaftlichen СКАЧАТЬ