Название: Mathematik – Management – Meditation
Автор: Bruno Buchberger
Издательство: Автор
Жанр: О бизнесе популярно
isbn: 9783990404409
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Das Prinzip der Selbstanwendung ist in der Tat so alt wie die Geschichte der Menschheit: der Stein, der auf den Stein geschlagen wird. Wer ist der Geschlagene, wer der Schläger? Einer zerbricht, nennen wir ihn den Geschlagenen, den anderen den Schläger. An den Hälften des Geschlagenen entsteht eine scharfe Kante: welch ein technologischer Fortschritt! Mit dieser Kante ist der nächste Schritt in der Evolution möglich: Ein vielfach verwendbares „Messer“! Ein Messer, das nun Tierhäute zerlegen kann, Holz zu Pfählen spitzen …
Das Prinzip der Selbstanwendung ist noch älter als die Menschheit. Denken Sie an das Molekül, das auf ein anderes „schlägt“. Und weiter auf den subtileren Schichten der Natur. Die Physik beginnt zu ahnen, was ganz innen passiert, wenn Wellen auf Wellen schlagen. Am Anfang steht die „reine Selbstanwendung“.
Wenn man den Gedanken der Selbstanwendung im Kontext der Mathematik versteht, ist man auch im Zentrum der Forschung in der heutigen Mathematik angelangt. Denn heute befassen sich weltweit etliche mathematische Forschungsgruppen mit den Möglichkeiten, Computerverfahren zu entwickeln, die sogar den mathematischen Erfindungs- und Verifikationsprozess bis zu einem gewissen Grad automatisieren. Diesem Thema widme ich mich selbst – nach Vorarbeiten seit 1974 – intensiv seit 1995.4
Man beachte also: Selbstreflexion ist nicht etwas Künstliches, das vom Menschen kühl und intellektuell in die Evolution eingebracht wurde und womit sozusagen „die Unschuld der Natur“ zerstört wurde. Vielmehr ist Selbstreflexion die Intelligenz der Natur und die Natur der Intelligenz.
Praktisch gesehen führte und führt die Selbstanwendung der Wissenschaft und Technologie auf sich selbst in zunehmendem, sich ständig beschleunigendem und immer expliziterem Maße zu einer Art „Explosion“ der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der möglichen Anwendungen, die von vielen nicht nur positiv, sondern auch als beängstigend empfunden werden. Zunächst ist diese Kernreaktion durch Selbstanwendung faszinierend, und das gilt insbesondere für die Mathematik, welche im „Auge des Hurrikans der Innovation“ steht. Das heißt, Mathematik zu betreiben ist heute noch faszinierender als vor 50, 30, 10 oder 5 Jahren … Natürlich ist es für jeden von uns, der mitten in diesem Hurrikan steht, auch von größter Relevanz, in verantwortungsvoller Weise die Konsequenzen der Selbstanwendungsspirale für sich und für die – heute globale – Gesellschaft zu bedenken und im Sinne einer positiven Evolution zu beeinflussen. Diese Verantwortung soll und kann niemand „an die anderen“ abgeben.
Anmerkungen
Konferenz „Special Functions in the Digital Age“, 22. Juli bis 2. August 2002, an der University of Minnesota, organisiert vom „Digital Library of Mathematical Functions“ (DLMF), ein Projekt am „National Institute of Standards and Technology“ (NIST).
Vgl. dazu die englische Entsprechung „explanation“: etwas, das kompliziert ist („ex“ ist, „heraussteht“), einfach („plain“, „eben“) machen.
Durch zwei fundamentale Resultate (1930, 1931) des österreichischen Mathematikers Kurt Gödel (1906 – 1978) über die Schlusskraft der Prädikatenlogik wurde diese Logik als Grundlage für die gesamte Mathematik etabliert. Kurt Gödel ist sicher einer der größten Geister des 20. Jahrhunderts.
Im Zuge des „Theorema“-Projekts: www.risc.jku.at/research/theorema/software/
DIE GRÖBNER-BASEN
DANKE FÜR EINE HARTE NUSS!
In der internationalen Mathematik sind Sie durch die Erfindung der Theorie der sogenannten „Gröbner-Basen“ bekannt. Wie sind Sie auf die Gröbner-Basen gekommen?
Ich hatte das unverschämte Glück, dass ich – als Werkstudent – auf der verzweifelten Suche nach einem Dissertationsthema 1964 von Professor Wolfgang Gröbner1 auf ein Problem gestoßen wurde, das seit 1899 offen war.2 Die Wichtigkeit und Schwierigkeit des Problems, den Umstand, dass es schon so lange ungelöst war, und dass er selbst schon 25 Jahre immer wieder an dem Problem arbeitete, hatte Gröbner mir verschwiegen. Aus heutiger Sicht war für mich beides ein Glück: dass das Problem wichtig war und dass ich nicht wusste, wie lange es schon offen war. Sonst hätte ich mich als junger Student, der nicht in akademischen, sondern in bescheidenen Kreisen aufgewachsen war, vielleicht so einschüchtern lassen, dass ich schon von vornherein aufgegeben hätte. So aber war ich unter dem Druck, zu studieren und gleichzeitig zu arbeiten, gierig darauf, das Problem möglichst bald hinter mich zu bringen.
Die Zeit der Arbeit an diesem Problem war für mich kein Honiglecken. Ich arbeitete Vollzeit als Programmierer am ersten Computer der Universität Innsbruck (einer ZUSE Z23) und in der „freien Zeit“ an meiner Dissertation. Freilich bemerkte ich bald, dass das Problem schwierig war, und ich war oft der Verzweiflung nahe, dass ich offensichtlich zu dumm war für ein so „leicht zu formulierendes“ Problem. Auch hatte ich kaum eine positive Rückkopplung vonseiten Professor Gröbners, der eine Vielzahl von Dissertanten betreute. Ich hätte sehr forsch sein müssen, um öfter bei ihm vorsprechen zu können. Er war im Prinzip ein sehr freundlicher Herr, aber eben ständig umlagert von einem Schwarm von Assistenten und Studenten. Ich wiederum war sehr schüchtern und habe dann rasch beschlossen, mir den Umweg über das Hin und Her von Sich-in-Erinnerung-Rufen, Terminvereinbarungen, Wiederholungen von Erklärungen etc. zu ersparen und allein auf meine eigene Denkkraft zu vertrauen.
All das war aus heutiger Sicht eine glückliche Fügung. Denn die Lösung des Problems gelang mir dann auf einem ganz anderen Weg als die Wege, die implizit von Gröbner oder in der damaligen Literatur vorgeschlagen wurden. Doch bis zur Lösung war es ein wirklich steiniger Weg: intellektuell, psychisch und auch physisch. Eineinhalb Jahre drehte ich das Problem in meinem Kopf hin und her: auf vielen Seiten Papier, später in ersten Experimenten auf „der ZUSE“3, in den Arbeitspausen, an langen Abenden, an Wochenenden, im Café, beim Gitarrespielen, wenn ich auf den Output der langen Rechnungen auf der ZUSE wartete, am Handtuch im Schwimmbad, im Lesesaal der Universität (wo sich die schönsten Mädchen aufhielten). Dann sah ich plötzlich die „tragenden Fäden“ im Spinnennetz der Polynomideale. Das war ein großes Glücksgefühl und es war nur mehr ein relativ „kurzer“ Schritt (mehrere Monate), bis ich auch den Beweis fertig hatte, dass die tragenden Fäden wirklich tragen und keine anderen Fäden notwendig sind, um das Gesamtnetz zu beherrschen.
Das Glücksgefühl bezog sich hauptsächlich darauf, dass nun bald meine Doppelbelastung durch Studium und Arbeit zu Ende wäre, weniger weil ich dachte, ich hätte etwas Wesentliches gefunden oder geleistet. Im Gegenteil: Ich fand es beschämend, dass ich so lange gebraucht hatte, um das Problem zu lösen. Aber im Geheimen war es auch ein Glücksgefühl, etwas wie die endlichen vielen „wirklich wesentlichen Knoten“ im unendlichen Netzwerk der Polynomreduktionen zu sehen. Ich erinnere mich heute noch an jene Straßenkurve in Innsbruck, wo mir am Weg zur Universität auf dem Rad der entscheidende Gedanke gekommen ist.
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