Название: Achtung Lebensgefahr!
Автор: Ernst Künzl
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783945751879
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Sucht man deshalb nach äußeren Dokumenten, so sind die Momentaufnahmen einer hoch entwickelten Siedlungslandschaft besonders hilfreich: In Campanien verschüttete im Jahr 79 n. Chr. der Vesuv die Städte Herculaneum, Pompeji, Stabiae und zahlreiche Villen, Landsitze und Landgüter; in einer blühenden Region wurde alles Lebende durch den Aschenregen, die Lavaströme und die pyroklastischen Lawinen getötet und vieles davon auch konserviert. In Pompeji und Herculaneum fanden sich etliche Waffen, für die man die Träger zu benennen hat. Waren es Soldaten auf Urlaub? Abkommandierte Soldaten? Städtische Milizen? Oder bewaffnete Zivilisten? In jedem Falle handelte es sich um Waffen, die man an jenem Orten wieder fand, an dem sie sich im August 79 n. Chr. befanden.
Abb. 3
Pompeji. Mysterienvilla. Rekonstruktion der letzten Bauphase des Jahres 79 n. Chr.
Abb. 4
Pompeji. Mysterienvilla. Der Gladius eines Türstehers aus dem Zimmer 35 nahe dem Villeneingang. L. noch 54,2 cm. Soprintendenza Archeologica di Pompei.
Eines der Schwerter aus Pompeji stammt aus einem Haus vor den Mauern der Stadt. Westlich außerhalb der Stadtmauer liegt eine große Villa, genannt die Mysterienvilla, weil einer der Räume mit einem eindrucksvollen Gemäldezyklus geschmückt war, der sich auf die Mysterienreligion des Gottes Dionysos/Bacchus beziehen lässt (Abb. 3). In Raum Nr. 35 dieser großen Wohnanlage fand man ein Schwert, das in seiner Form vollkommen dem Gladius, dem Schwert der Legionäre, entspricht (Abb. 4). In diesem Fall ist der Fundraum ein Indiz für die Verwendung der Waffe: Es ist ein Raum im Nordteil der Villa nahe dem Eingang und nur wenige Meter von der Haustür entfernt. Im gleichen Raum fand man das Skelett eines Verschütteten. Auch wenn man nach der Fundbeschreibung nicht sagen kann, ob der Gladius direkt neben der Leiche lag, ist es erlaubt, hier das Zimmer eines bewaffneten Bediensteten nahe am Eingang zu sehen. Es wird kein Zufall sein, dass der Portier einer römischen vornehmen Villa dieser Größe eine Waffe griffbereit hatte. Dass man Angst vor Überfällen haben musste, wenn man nur die Tür öffnete, erwähnt Apuleius im Rahmen seiner ausführlichen Räuberpassagen, wo er auch erzählt, wie ein Pförtner (Ianitor) von einem Räuber niedergestochen wurde.
Grundsätzlich galt im Römerreich das Prinzip der Selbsthilfe. Wer überfallen wurde, konnte keine Polizeistreife zu Hilfe rufen sondern musste sich selbst helfen. Unterstützung erhielt er allenfalls noch von herbeieilenden Nachbarn oder von einem barmherzigen Samariter. Wer mit der Waffe in der Hand zur Selbsthilfe griff, hatte das Gesetz zumindest teilweise auf seiner Seite: Straflos blieb, wer einen Dieb tötete, wenn er befürchten musste, selbst ermordet zu werden; soweit war die Selbstjustiz gesetzlich gedeckt. Jemand, der einen Dieb umbrachte, obwohl er ihn hätte ergreifen können, beging freilich eine Straftat. Eigeninitiative konnte rasch in Lynchjustiz umschlagen. Umgekehrt galt der Besitz und der Einsatz einer Waffe durch einen Dieb als Anlass für eine verschärfte Strafe: Einbrecher, die sich mit einer Waffe der Festnahme widersetzten, wurden in die Bergwerke geschickt; diese Strafe ad metalla war fürchterlich und kam einem lang andauernden, qualvollen Todesurteil gleich.
Gewaltsames Eintreten gegen nächtliche Diebe hatte bereits Roms archaisches Zwölftafelgesetz von 450 v. Chr. erlaubt (8,12):
„Si nox furtum faxsit, si im occisit, iure caesus esto.“
„Hat jemand nachts einen Diebstahl begangen und hat man den Dieb getötet, so soll er zu Recht erschlagen sein.“
Abb. 5
Darstellung eines Wachhundes im Mosaik eines Hauseingangsflurs. Pompeji I 7,1 (Haus des Paquius Proculus). Um 70 n. Chr.
Abb. 6
Pompeji. Der Hund aus der Casa di Orfeo (= Haus des Vesonius Primus. VI 14,20). Gipsausguss. Der Wachhund war angekettet und konnte deshalb nicht fliehen. Gefunden 1874. Pompeji-Ausstellung 2007, Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim.
Die grundlegende Ursache für das Vorherrschen der Selbsthilfe war das Fehlen einer Staatsanwaltschaft; ohne einen Ankläger und Strafverfolger von Amts wegen kamen die Verfahren nur dann in Gang, wenn von privater Seite aus die Initiative ergriffen wurde. Dasselbe Prinzip der Selbsthilfe galt für den Schutz vor Diebstahl und Überfällen zu Hause. Kein Wunder, dass man auch auf dem Lande Waffen bereithielt. In einer der großen Domänenvillen am Vesuvabhang bei Boscoreale fanden sich zwei eiserne Stichwaffen. Außerdem konnten Waffen auch als Trophäen im Atrium eines Privathauses aufbewahrt werden, wenn dies auch eine mehr republikanische Sitte war, als die Hocharistokratie Roms Krieg und Politik bestimmte.
Meist behalf man sich mit einem Wachhund (Abb. 5), bis heute ein probates Mittel zum Schutz allein stehender Häuser. Unser »Vorsicht: Bissiger Hund!« oder das Hundeköpfchen mit dem Text »Hier wache ich« haben auch ihre Vorläufer in Pompeji. Dort hat der Hausherr der Casa del poeta tragico (Haus des tragischen Dichters) im Hausflur ein Mosaik mit dem zähnefletschenden Wachhund anbringen lassen; die Inschrift CAVE CANEM warnt vor dem Hund. Die angeketteten Hunde fanden 79 n. Chr. beim Vesuvausbruch den Tod. Ergreifend ist das Bild eines solchen im Todeskampf verkrümmten Tieres aus der Casa di Orfeo in der 6. Region (Abb. 6).
Das Heer eines Ständestaates und die Waffen im Umlauf
Sobald die prähistorische Stammesstruktur überwunden war, musste jeder Staat der Geschichte die Frage lösen, wie die Staatsgewalt zu organisieren war. Die Einrichtung juristisch autorisierter, bewaffneter Kräfte war unumgänglich. Schon für die frühe Bronzezeit ist planmäßiges Kriegführen archäologisch belegt und die Organisation bewaffneter Kräfte muss in irgendeiner Form geplant worden sein. Man kann aber noch weiter zurückgehen, in die Jungsteinzeit, jene Epoche der Revolution des Lebens auf der Erde, als man die Landwirtschaft erfand. Archäologische Funde, darunter Massengräber, lassen die These zu, dass im Lauf der Jungsteinzeit (Neolithikum) die Entwicklung von lokalen Konflikten zu organisierter Kriegführung stattfand, wobei das Neolithikum im kulturell führenden Vorderasien von ca. 11.000 bis ins späte 7. Jt. v. Chr. gerechnet wird, während in Mitteleuropa das Endneolithikum im 3. Jt. v. Chr. angesetzt wird. In den bronzezeitlichen Monarchien Vorderasiens und Ägyptens des 4. bis 2. Jts. v. Chr. war das Kriegführen ein Teil der Politik. Die Heere der mesopotamischen Reiche (Sumer, Akkad, Babylon, Assyrien) und des pharaonischen Ägyptens bestanden aus Wehrpflichtigen und Söldnern sowie anscheinend teilweise auch aus berufsmäßigen Soldaten.
Die Armeen der griechischen Städte waren im Grundsatz Heere freier Bürger. Das Söldnerwesen war allerdings СКАЧАТЬ