Roter Glamour. Dominique Manotti
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Название: Roter Glamour

Автор: Dominique Manotti

Издательство: Автор

Жанр: Современная зарубежная литература

Серия:

isbn: 9783867549745

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СКАЧАТЬ NSC, der ihm Analysen und Zusammenfassungen bezüglich der nationalen Sicherheit liefern kann.

      »Kein Zweifel, das ist Bornand. Der hat sich schon an die Amerikaner gehalten, als er noch in der Pubertät war.«

      »Wir haben ihn unterschätzt. Der Mann ist ein Poet.«

      Wer hat also ein Interesse daran, dieses im Aufbau begriffene, äußerst wichtige Räderwerk zu diskreditieren? Nun, eben jene traditionellen Organe der französischen Polizei, die sich bedroht fühlen, jene, deren Inkompetenz, Ineffizienz, interne Querelen und mörderisches Konkurrenzdenken jeden Tag aufs Neue sichtbar werden, jene, deren Führungskräfte Angst haben, ihre Macht und ihre Privilegien zu verlieren. Und die, daran muss wohl kaum erinnert werden, Präsident Mitterrand nie ins Herz geschlossen haben.

       Guillaume Labbé

      »Was halten Sie davon?«, fragt Macquart.

      »Was hat den bloß geritten? Wenn er es ist. Kein Jahr mehr bis zu den Wahlen, und in allen Umfragen, unsere eigenen inbegriffen, stehen die Sozialisten als Verlierer da. Vielleicht nicht gerade der richtige Zeitpunkt für einen Krieg zwischen der Privatpolizei des Präsidenten und den regulären Polizeiapparaten.«

      »De facto gibt es diesen Krieg bereits. Gegen den Antiterrorstab des Präsidenten. Die Pressekampagne über die Iren von Vincennes kommt nicht von ungefähr. Ich glaube, Bornand hat sich einfach aufs falsche Ziel eingeschossen, es ist sein alter Hass gegen die regulären Polizeiapparate, der da wieder hochkommt.«

      »Sturm im Wasserglas oder echte Gefahr?«

      »Bornand – wenn er es denn ist – ist ein persönlicher Freund des Präsidenten, natürlich einflussreich, aber auch ein Querschädel, der zunehmend isoliert dasteht.«

      »Das heißt, viel Lärm um nichts …«

      »Man kann nicht vorsichtig genug sein. Ich werde mir seine Akte noch einmal vornehmen.«

      ***

      Seit dem frühen Morgen ist Noria damit beschäftigt, Verlust- und Diebstahlsanzeigen entgegenzunehmen: Autos, Fahrräder, Handtaschen, Hunde, Baumaterialien, liebevoll eingekellerte Weine (inklusive Auflistung der einzelnen Châteaus, achte bloß auf die Rechtschreibung, der

      Anzeigeerstatter ist ein Kenner). Nach über einem Jahr im Elend, mit Notunterkünften und Schwarzarbeitsjobs, eine ätzende Zeit, ist sie nun seit zwei Monaten Polizeiermittlerin im Kommissariat des 19. Pariser Arrondissements. Weit weg von dem dichten Geflecht familiärer Hassausbrüche und Gewalt. Aber auch weit weg von den Schulfreundinnen, den Lehrern, die manchmal ein offenes Ohr hatten, den heimlich verschlungenen Büchern und dem Theaterspiel im Foyer des Gymnasiums. Auf die Bühne steigen, aus sich selbst heraus existieren und jemand anders sein, der dich beschützt, eine wunderbare Entdeckung. All das ist mit einem Schlag in weiter Ferne, eine unerreichbare Welt … Worauf sie brennt: der Wunsch, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Und zwar schnell.

      Als sie endlich achtzehn ist, unternimmt sie mit Hilfe von Frauenorganisationen die nötigen Schritte, um wieder Papiere zu bekommen, endloses Warten in verschiedenen Rathäusern, wo sie eines Tages zufällig diese Anzeige liest: »Aufnahmeprüfung. Polizeiermittler. Voraussetzung: Mittlere Reife.

      Mittlere Reife. Mit sechzehn musste sie runter vom Gymnasium, um der Mutter zu helfen, und Studieren ist sowieso nichts für Mädchen. Für Jungs übrigens auch nicht. Ihre beiden großen Brüder haben in der Hochhaussiedlung Besseres zu tun. Voraussetzung: Mittlere Reife. Ich hab zwar nicht mehr, aber das habe ich. Polizeiermittlerin … Eine Arbeit, was Sicheres. Mehr noch, ein Ausweis, ein Platz im Leben, eine Rolle, die ich spielen kann, auf der Seite des Gesetzes, auf der Seite der Macht.

      Und heute wie an jedem Tag Formulare in dreifacher Ausfertigung, davon eins für die Versicherungen, Routine. Routine ist an diesem Morgen auch das Verschwinden von 174 Pekingenten, die in Privatküchen im Viertel Bas-Belleville in Schwarzarbeit zubereitet wurden und für die dort florierenden Chinarestaurants bestimmt waren. Vergeltungsmaßnahme, Erpressung, Eintreiben von Schutzgeldern, Beutezug von Hungernden? Im hiesigen Chinatown fühlt sich keiner aus dem Kommissariat so richtig wohl. Eine Ablenkung: Der Kommissar ruft Noria in sein Büro.

      »Nehmen Sie sich diese Akte vor, Kindchen«, hellbrauner Pappeinband, darin Fotokopien. »Rund fünfzehn Anzeigen in nicht mal einem Monat, alle zum selben Thema und am selben Ort. Keine große Sache, macht aber einigen Ärger. Ich hatte einen Anruf vom stellvertretenden Bürgermeister, die Wahlen rücken näher. Befragen Sie die Anzeigeerstatterinnen. Beruhigen Sie die guten Frauen, zeigen Sie ihnen, dass die Polizei etwas tut und bürgernah ist. Ich verlasse mich auf Sie, erstatten Sie mir heute Abend Bericht.«

      »Jawohl, Herr Kommissar.«

      Kindchen. Meinen Namen, Noria Ghozali, kriegt er wohl nicht über die Lippen. Das Atmen fällt ihr schwer. Aufs Schlimmste gefasst nimmt sie die Akte und setzt sich zum Lesen an einen freien Schreibtisch.

      Vier Frauen zwischen 67 und 85 Jahren, alle wohnhaft in einem der als ruhig geltenden, auf einem Hügel gelegenen »Dörfer« des 19. Arrondissements. Die Omas geben an, dass sie vor lauter Angst das Haus nicht mehr verlassen, da seit ungefähr einem Monat in Hundekot versteckte Knallfrösche explodieren und sie mit Hundescheiße bespritzen, wenn sie vorbeigehen.

      Noria atmet tief durch. Ich bin die Jüngste hier, die einzige Frau, die einzige Polizistin maghrebinischer Herkunft, einfache Ermittlerin mit Untergebenenstatus und noch ohne Festanstellung: Ist doch klar, dass ich die Hundescheiße kriege. Wer weiß, vielleicht stehen mir, wenn ich groß bin, überfahrene Hunde zu, wär ja ’n echter Aufstieg.

      Liste mit den vier »Opfern« und ihren Adressen, alle auf dem Hügel. Sie macht sich auf den Weg. Ruhige Sträßchen, wenige Autos, ein paar Fußgänger, die es nicht eilig haben, einander grüßen, ein Schwätzchen halten, dicht an dicht stehende Backsteinhäuschen mit Panoramablick auf die Basilika von Montmartre, die bei dem schönen Wetter mit ihrem minarettartigen Glockenturm und ihrem mediterranen Weiß wie eine Moschee anmutet.

      Die Erste auf der Liste ist Madame Aurillac, 67, die seit mehr als vierzig Jahren ein kleines Restaurant mit Tagesgericht führt, fünf Anzeigen allein von ihr. Ein niedriges Haus, Speiseraum ebenerdig, im Stock darüber zwei große Fenster mit bestickten weißen Gardinen. Noria öffnet die Tür und tritt ein. An einem Tisch sitzen vier betagte Frauen lachend bei einem Schwätzchen und einer Flasche Suze, in der nicht mehr viel drin ist, elf Uhr vormittags und schon beschwipst.

      »Madame Aurillac?«, fragt Noria.

      Die vier Frauen richten ihre Blicke auf sie, taxieren sie. Mittelgroß, die Figur in Hose und Jacke aus braunem Segeltuch nicht erkennbar, leicht mondgesichtig, glanzloser Teint, undurchdringliche schwarze Augen unter markanten Brauen, das schwarze Haar zu einem straffen Knoten gebunden.

      »Zu streng und schlecht frisiert«, sagt die erste.

      Eine stark geschminkte aufgetakelte Blonde setzt nach: »Bist du Anfängerin?«

      »Man könnte vielleicht den exotischen Aspekt stärker hervorheben«, sagt die dritte.

      Noria zückt ihre Karte. »Polizei.«

      Die Alten sind konsterniert. Eine der Frauen erhebt sich, schwarze Schürze um die Taille, gefärbte Kräuseldauerwelle, Pantoffeln. »Ich bin Madame Aurillac. Hier liegt eine Verwechslung vor. Wir haben einen Termin mit einer Bewerberin …«

      »Wegen einer Anstellung als Putzfrau«, ergänzt die Blonde.

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