Der Actinidische Götze. Matthias Falke
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Название: Der Actinidische Götze

Автор: Matthias Falke

Издательство: Автор

Жанр: Научная фантастика

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isbn: 9783957770271

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СКАЧАТЬ beiden Mönche zogen sich langsam und knurrend zurück. Tsen blickte uns starr an. Wir gingen Seite an Seite einige Schritte rückwärts, deuteten eine Verbeugung an und wandten uns dann zur Tür.

      »Sie haben recht«, sagte Jennifer zu Tsen. »Glauben und Wissen sind zwei getrennte Welten. Man soll die Sphären nicht mischen.«

      »Leben Sie wohl, mein Kind«, erwiderte Tsen Resiq kalt. Erst als er sah, dass wir uns tatsächlich zu gehen anschickten, wurde seine Miene wieder weicher. »Sie beide«, sagte er noch. »Und kommen Sie einmal wieder.«

      Die Mönche zerhackten uns mit blutunterlaufenen Blicken, als sie auseinandertraten und uns die Tür öffneten.

      »Was sollte denn das?«, fragte ich atemlos, als wir durch das Labyrinth aus Gängen, Treppen und Höfen zu unserem Zelt eilten.

      »Das wirst du schon noch sehen«, sagte sie fröhlich.

      Wir duckten uns unter zwei schweren Vorhängen durch, die anstelle einer Tür ein wuchtiges Portal verschlossen, und liefen über den menschenleeren Freihof, der sich dahinter anschloss.

      »Anfangs hatte ich wirklich nur einen leisen Verdacht«, plauderte sie, während wir durch verwinkelte Gänge weiterhasteten. »Vor allem die Beschläge der kleinen Tür, durch die der Götze entnommen wird.«

      Sie verstummte, als uns eine Gruppe von Mönchen entgegenkam. Wir erwiderten ihren Gruß und ihr freundliches, aber unpersönliches Lächeln und warteten, bis wir eine Ecke zwischen sie und uns gebracht hatten.

      »Richtig neugierig wurde ich«, fuhr Jennifer fort, »als ich sah, wie nervös er wurde.«

      Ohne ihren Lauf zu verlangsamen, sah sie mich von der Seite an. Sie strahlte, als habe sie mir soeben eine revolutionäre Entdeckung mitgeteilt.

      »Der Mann ist Großmeister und oberster Lama des Prana-Bindu-Ordens«, sagte sie. »Er könnte sich mit einem glühenden Dolch die Eingeweide zerschneiden und dich dabei ansehen, ohne eine Miene zu verziehen, Frank.«

      »Das ist mir auch aufgefallen«, keuchte ich. »Der Götze ist eben sein wichtigstes Heiligtum. Das hast du mir doch selbst erklärt.«

      Sie schüttelte nur den Kopf und bog in den Seitenflügel ab, der uns zu unserem Zelt bringen würde.

      »Da war noch etwas anderes.«

      Durch eine einfache Tür aus nacktem Holz verließen wir das Gebäude und traten ins Freie. Wir befanden uns auf der Rückseite des Klosterkomplexes, unweit unseres Lagerplatzes. Die Fläche zwischen den Mauern der Großen Gompa und der Steilwand, die im Norden hinunterstürzte, war wieder so gut wie leer. Die meisten Pilger hatten schon gestern Nachmittag, unmittelbar nach Abschluss der Zeremonie, den Rückweg angetreten. Die übrigen waren heute morgen aufgebrochen. Nur die Abgesandten anderer Klöster, die sich, wie wir, von Tsen Resiq persönlich verabschiedeten, waren noch da. Sie wohnten aber im Hauptgebäude. Wir schlenderten durch den Staub und Schmutz des aufgelassenen Lagers zu unserem Zelt, das einsam am äußersten Punkt der Klippe stand und im Wind knallte. Wo der Blick an den Gipfelfelsen der Bergpyramide vorbei in die Tiefe ging, sahen wir die Karawane der heimkehrenden Pilger, die sich dort unten als schwarzer Wurm der Talsohle des Kaligan entgegenwälzte. Sie alle mussten wieder durch das Tor des Todes, diesmal dem Sturm entgegen.

      Die Umgebung des Klosters sah wie ein Schlachtfeld aus. Menschliche Exkremente und tierischer Dung hoben sich vom nackten Felsgrund ab. Die schwarzen Narben der offenen Feuer waren in regelmäßigen Abständen in die Landschaft gesprenkelt. Skelette von toten Tragtieren, die hier oben den Strapazen erlegen waren, ragten aus dem Geröll auf, und die Überreste von Wollhühnern, Ilagänsen und anderem lebenden Proviant bildeten blutige Klumpen. Auch zerfetzte Zelte und zurückgelassene Ausrüstungsgegenstände flatterten am Boden. Es würde noch eine Weile dauern, bis die Sonne, die Trockenheit und der unbarmherzige Wind die Einöde außerhalb der Klostermauern in ihrer ursprünglichen Reinheit wiederhergestellt hatten.

      Wir hatten beschlossen, noch eine Nacht hier zu verbringen, auch wenn uns das Innere der Gompa nach dem Ende des Festes und unserer offiziellen Verabschiedung durch Tsen Resiq verschlossen bleiben würde. Ohnehin würden wir das Ende der Karawane bald eingeholt haben, wo sich die Alten, Kranken, Familien mit Kindern und Leute, deren Tragtiere verendet waren, unter unglaublicher Mühsal wieder in ihre Heimatdörfer zurückschleppten.

      »Jedenfalls haben wir jetzt alles, was wir brauchen«, sagte Jennifer, als wir ins Zelt gekrochen waren und den Eingang versiegelt hatten.

      Aus dem Tornister holte sie einen Spatel und einen kleinen Elastinzylinder hervor, wie man sie benutzt, um auf wissenschaftlichen Missionen Bodenproben zu nehmen. Ich bemerkte jetzt erst, dass sie den rechten Zeigefinger im Inneren der Hand geborgen hatte. Jetzt streckte sie ihn aus und schabte den Belag ab, der wie schwarzer pudriger Ruß aussah. Sie klopfte das Pulver in den Zylinder und verschloss ihn sorgfältig.

      »Irgendetwas stimmt da nicht«, kicherte sie und strahlte mich fröhlich an.

      Am nächsten Morgen brachen wir das Zelt ab, schulterten die Rucksäcke und begannen mit dem Rückmarsch. Der Weg war nicht zu verfehlen. Tote Lasttiere, zurückgelassenes Gepäck, tote und sterbende Menschen säumten die unbefestigte Piste. Immer wieder kamen wir an Menschen vorbei, die von den ihren aufgegeben worden waren. Sie lagen im Staub und warteten auf das Ende. Keiner flehte um Hilfe oder nahm uns überhaupt zur Kenntnis, und Jennifer zog mich, der ich ihnen wenigstens etwas zu trinken geben wollte, unbarmherzig weiter.

      »Was ist das für ein Wahnsinn?!«, fluchte ich, als wir in zügigem Tempo weitermarschierten, direkt auf den tiefsten Einschnitt der Kaliganschlucht zu. »Wie viele kommen um von denen, die diese Reise antreten, jeder Zehnte, jeder Fünfte?«

      Jennifer ging unbeeindruckt weiter, am Körper einer alten Frau vorbei, mit deren schwarzer Kapuze der Wind spielte.

      »Sie haben das Pranavana gesehen«, brummte sie unwirsch. »Die Ewigkeit. Der Actinidische Götze ist das Pranavana. Jetzt kann ihnen nichts mehr etwas anhaben. Selbst der Tod ist nur noch eine Erlösung für sie.«

      »Es ist ein Wahnsinn«, rief ich dem Wind entgegen, der mit jedem Schritt, den wir nach Süden kamen, stärker wurde und der uns Sand und glühenden Staub entgegenschleuderte.

      Bald waren wir auf das Ende der Karawane aufgelaufen. Es glich einem Exodus, einem Bild von alttestamentarischer Wucht und Grausamkeit. Männer, die verzweifelt auf ihre Tiere einschlugen und sie dem peitschenden Sturm entgegenprügelten. Greise, die am Wegesrand sitzen blieben, um auf den Tod zu warten. Ehemänner, die ihre schwangeren Frauen zu schieben und zu tragen versuchten und sie schließlich liegen lassen mussten. Ich hätte einem Mann helfen können, dessen Karren bis über die Radnabe im Sand stecken geblieben war, oder ich hätte das Kind tragen können, das von seiner Mutter auf einer flimmernden Düne abgesetzt wurde, weil sie es nicht mehr schleppen konnte. Sie wollte bei ihm bleiben, um gemeinsam mit ihm zu sterben, aber ihr Mann zog sie weiter. Und so ging es nun tausenden. Wir hasteten daran vorüber, blind und erstickt von dem tobenden Wind, der uns entgegenstand, und benommen von der Uferlosigkeit des Leidens, das wie ein unfassbares Panorama menschlichen Elends an uns vorüberzog. Auf diesem Teil des Weges marschierten wir, so rasch wir konnten, und gönnten uns nur die nötigsten Pausen, so dass wir die fünftägige Strecke des Aufstieges in weniger als der Hälfte der Zeit hinter uns brachten. Am Abend des zweiten Tages rasteten wir oberhalb des Einstiegs zum Tor des Todes. Ein dunkles Heulen, Grollen und Sausen drang aus dem Felsenmaul. Das Monster fletschte die Zähne und brüllte um Nahrung. Kilometerhoch über uns glühten die Zinnen der Ilaya-Kette im Abendrot auf, dann senkte sich die blauschwarze Nacht über das Gebirge. Wir warteten weiter ab, СКАЧАТЬ