Название: Akrons Crowley Tarot Führer
Автор: Akron Frey
Издательство: Автор
Жанр: Эзотерика
isbn: 9783905372489
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Weiterführende Bemerkungen
1 Die Hohepriesterin ist eine der interessantesten Karten im ganzen Deck. Sie ist das wunderbare Ergebnis der Frieda Harris von Olive Whicher vermittelten projektiven Geometrie, die sie 1937 in London erfuhr.5 Es handelt sich um den Versuch, die starre euklidische Geometrie durch den so genannten mathematischen Mystizismus »aufzubrechen«. Das erinnert auch an die von M. C. Escher in den dreißiger und vierziger Jahren entwickelte geometrisch-künstlerische Methode zur Flächenfüllung und zur Darstellung des Unendlichen, die ebenso auf raffinierte Verbiegungen und außergewöhnliche Blickwinkel setzt: Die perspektivische Verkürzung des Raums, der auf der Karte der Hohepriesterin beispielsweise wie eine »Laufmasche« herunterfällt, liegt exakt auf ihrem Solarplexus. Es ist das »weiße Loch«, das den Kosmos aus sich hervorbringt. Dieser feierliche Akt wird durch die Bewegung ihrer Arme dirigiert, die den Einstieg öffnen, durch den der Reisende eintreten kann. Sie verkörpert die Weise, welche die Sterne regiert, die ihr folgen, und in dieser Haltung repräsentiert sie Nuit, die Herrin der Sterne.
2 Somit ist die Hohepriesterin der unbewusste Impuls zum schöpferischen Willen des Magus: die Idee zur Handlung, bevor sich die Tat in den Raum ergießt, die namenlose Unendlichkeit, die sich zu einem Schöpfungsakt zusammenballt. Es ist die unbewusste Absicht, die ihm die Fähigkeit, durch den Willen Dinge aus dem scheinbaren Nichts heraus zu erschaffen, einhaucht. Für alles, was er kraft seiner Vorstellung beschwört, wird sie zur verwandelten Quelle seiner Schöpfung und bildet als deren abgetrennter Rückstand den Gegenpol, der stumm und geduldig auf die Wiedervereinigung der getrennten Pole wartet. Auch der Begriff Intuition wird in einer oft zu materiellen und irdischen Bedeutung mit dieser Karte in Verbindung gebracht. Der oft mit wahrer Intuition verwechselte Geistesblitz Heureka! – Ich hab’s! ist selten mehr als ein erster Gedanke aus der Schmiede des Magus, ein Prototyp. Erkenntnisse des Männlichen entspringen der Konzentration auf einen Punkt, die alles andere aus seinem Bewusstsein verbannen. Die Hohepriesterin jedoch blendet jede Fokussierung auf diesen einen Punkt aus und schafft damit Platz für die wahrhaft intuitiven Eingebungen. Zur Unterscheidung dieser beiden Prinzipien ist es hilfreich, von aktiver, männlicher Kraft zu sprechen (solarer Merkurzeichen), die sich selbst zu erschaffen in der Lage ist, und von weiblicher Energie (lunarer Merkurzeichen), die dem Wirken des Magus unbewusst zugrunde liegt.
3 Am Fuße der Statue der Isis in Sais steht geschrieben: Ich bin alles, was war, was ist und was jemals sein wird. Kein Sterblicher wird je entdecken können, was unter meinem Schleier liegt.6 So scheint sie nur in Träumen oder Phasen überirdischer Eingebungen erreichbar zu sein; kein Weg führt zu ihr hin und keiner von ihr weg, denn sie ist im wahrsten Sinne des Wortes überall und nirgends. Crowleys Göttin der Nacht, Nuit, repräsentiert die gleiche Kraft, durch die wir uns selbst als Teil eines Größeren erkennen, und dieses Größere ist der Impuls des Lebens selbst. Deshalb kann sie in ihrem Geheimnis intuitiv erahnt, aber weder emotional erfahren noch mental erfasst werden, ist sie doch selbst die Quelle, aus der die Urmuster unserer Gefühle und Gedanken strömen. Da sie all dies selbst gebiert, ist sie – ohne selbst Bild zu sein – die hinter den Bildern wirkende Bilde-Kraft, die unsere Vorstellung nährt. Erst in der Karte Ausgleichung kann ihr Potential, das hier (noch) als Idee existiert, zur Quelle eines Neuen Æons verdichtet werden, zur befriedigten Frau, mit der sich der Mensch verschmelzen kann: Liebe ist das Gesetz – Liebe unter Willen!7
Ich bin Sie, erwidert Coph Nia8, die Tochter der Schleier und Priesterin der Nacht, und alles, was ihr wahrnehmt, ist Sie in der Form, in der ihr Sie erfahrt. Sie ist es, die in euch und durch euch den heiligen Wein trinkt, und Sie ist der Wein. Es ist die ewig-alte Frage nach dem Lebenssinn: Wo liegt der Sinn des Werdens, das aus seinem eigenen Ende immer wieder neu hervorgehen muss? Die Hohe Sphinx kann das Rätsel lösen: Er liegt in der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst!
Andere Verbindungen
– Tiefenpsychologische Zusammenhänge –
Der Narr zwischen Eltern und Über-Eltern
Machen wir ein kleines Spiel und versuchen wir Crowleys exzessive Botschaft in eine schlüssige Fiktion zu übertragen. Und die geht so: Seit C. G. Jung sind wir nicht nur mit unseren Eltern konfrontiert, sondern auch mit unserem inneren Bild der Über-Eltern, also einer Darbietung von Göttern und Erziehern, die mehr mit Wunsch- und Paradiesvorstellungen als mit lebendigen Menschen zu tun haben. In diesem Sinn verfügen wir über zwei Elternpaare. Auf der einen Seite das eine Art höhere Individualität ausströmende Elternbild, das Zugang zu dem Teil des kosmischen Bewusstseins hat, das uns innerlich stärkt und durch die Karten Magus und Hohepriesterin repräsentiert wird. Zum anderen die leiblichen Eltern, Kaiserin und Kaiser genannt, die in ihrer Verantwortung für das Kind aus dessen Sicht oft versagen. Sie wurden uns vom Leben aufgezwungen oder mitgegeben, und das in einem sehr autoritären Sinn – denn sie verkörpern zumindest in der Kindheit unser soziales Umfeld und unsere körperlichmaterielle Realität.
Jedes Unvermögen der Eltern schaukelt das Über-Eltern-Bild auf und umgekehrt. Manchmal erschaffen wir aus unserem Bewusstsein heraus die Sehnsuchtsbilder, die uns in einer kniffligen Lage die Kraft geben, mit der Situation umzugehen, wenn die eigenen Eltern versagen. Ähnlich wie Heilsbringer oder andere Götzenbilder rufen wir solche Energiepersönlichkeiten aus unserer psychischen Datenbank ab, aus dem Fundus individualisierter Bewusstheiten, die uns zur Verfügung stehen. Manchmal kann eine (un-)heimliche Verwandlung stattfinden, wenn wir die Aufmerksamkeit von den leiblichen Eltern auf unsere fiktiven Personen, die wir selbst geschaffen haben, übertragen, denn damit übernehmen wir eine Art innerer Kontrolle in einer Außenwelt, der wir sonst schutzlos ausgeliefert wären. Aber auch das Fehlen der natürlichen Eltern kann zu grotesken Überhöhungen und Verzerrungen der Über-Eltern-Bilder des Narren führen, was wir am reichhaltigsten aller Inzestmythen, Ödipus, sehen. Er tötet seinen irdischen Vater und heiratet seine biologische Mutter, doch nur, weil er keinen Kontakt zu seinen irdischen Eltern hatte. Die ganze Tragödie geschieht unwissentlich, was auf die Ebene unbewusster Phantasievorstellungen hindeutet; andererseits konnte er in der späteren Erkenntnis und Aufarbeitung sein unerlöstes Elternbild befreien.
Der Advocatus Diaboli erklärt das so: Die mögliche Zukunft, die sich im vergangenen Orakel manifestiert9, transportiert die innere aggressive Energie des Vaters auf das Kind, um ihr später unbewusst folgerichtig zu erliegen, damit sich das Schicksal vollziehen kann. Deshalb können wir erkennen, dass manchmal auch die (ängstliche) Projektion der Eltern auf das Kind die Über-Eltern-Bilder im Kind auslösen und sich zerstörend im Außen auswirken kann. Die unbearbeitete Gefühlsfracht liefert Form und Antrieb (Fahrzeug und Benzin) für solche Schöpfungen. Dieses legt wiederum den Gedanken nahe, dass der Inzest nicht einfach degenerativ ist, sondern auch regenerative Möglichkeiten in sich enthält. Es ist in der Tat ein wesentliches Stadium der Entwicklung des individuellen Charakters bei beiden Geschlechtern, seinen mehr oder weniger wirksamen Ödipus- bzw. Elektrakomplex zu überwinden. СКАЧАТЬ