Goethes Autorität. Gustav Seibt
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Название: Goethes Autorität

Автор: Gustav Seibt

Издательство: Автор

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783866742772

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СКАЧАТЬ und da zerstreut, dort zu schattigen Räumen zusammengezogen. Reihenweis auch den heitersten Anblick gewährend seh ich große Anlagen von Fruchtbäumen; sodann aber, damit der Einbildungskraft ja nichts Wünschenswerthes abgehe, mehr oder weniger aufsteigende, alljährlich neu angelegte Weinberge.« Das einleuchtendste Beispiel für seine »lange Dauer« fand Braudel in der Geographie: »Jahrhundertelang ist der Mensch der Gefangene des Klimas, der Vegetation, der Tierwelt, der Bodennutzung, kurzum eines im Lauf der Zeit langsam aufgebauten Gleichgewichts.« Goethe sagt es freundlicher: »Das alles zeigt sich mir wie vor funfzig Jahren und zwar in gesteigertem Wohlseyn.«

      Dieses gewaltige, reich gegliederte Bild von langsamem Wandel und naturhafter Kontinuität, vom Zusammenhang menschlicher Arbeit und Kultur in der Abfolge der Generationen, bietet Goethe auf zur Tröstung gegen den von ihm und seinen neuen Herrschaften gemeinsam erlittenen Tod des Großherzogs. Der Tote wird gleichsam vergöttlicht als segnender Geist, der durch sein Ableben in die Landschaft eingegangen ist. Doch nicht nur Trost ist das, sondern auch eine Mahnung, der Appell an die jungen Herrscher, im alten Sinne fortzufahren. »Ein so geregeltes sinniges Regiment waltet von Fürsten zu Fürsten.« Und wieder unterscheidet Goethe zwei Zeitmaße: »Feststehend sind die Einrichtungen, zeitgemäß die Verbesserungen; so war es vor, so wird es nach sein, damit das hohe Wort eines Weisen erfüllt werde, welcher sagt: › Die vernünftige Welt ist als ein großes unsterbliches Individuum zu betrachten, welches unaufhaltsam das Notwendige bewirkt und dadurch sich sogar über das Zufällige zum Herrn erhebt.‹«

      Zum Herrn sogar über das Zufällige: Das ist die dritte Zeitstufe des Textes, die der Ereignisgeschichte, die er am wenigstens bedenkt, denn, natürlich: Wer wie Goethe, den Tod »nicht statuiert«, der kann eigentlich auch die Ereignisgeschichte nicht statuieren. Und doch flackert auch sie noch jenseits des traurigen Anlasses durch diesen großen Brief. Die Wohnung, über deren Portal das wohlwollende Distichon steht, sei, so heißt es gleich zu Beginn »durch so viele Kriegs- und Schreckenszeiten hindurch aufrecht bestehend erhalten worden«. Und beim Blick über die blühenden, von Siedlungen, Feldern und Ernten geschmückten sommerlichen Fluren, hält dieser Lynkeus fest: »Keine Spur von Verderben ist zu sehen, schritt auch die Weltgeschichte hart auftretend gewaltsam über die Thäler.« Nur ein Nebensatz ist es, aber er hat die Wucht der großen malerischen Allegorie des Krieges, die man bis vor kurzem Goya zugeschrieben hat: »schritt auch die Weltgeschichte hart auftretend gewaltsam über die Täler.« Goethe, der sich mit der Geschichte Dornburgs gut auskannte, mag hier an eine Episode aus dem Dreißigjährigen Krieg gedacht haben, die ein von ihm damals studiertes antiquarisches Heft zu den Dornburger Schlössern erzählte; doch vor allem muss ihm die große Schlacht von 1806 vor Augen gestanden haben, die nur wenige Kilometer entfernt bei Auerstedt und Jena begonnen und sich an ihrem Ende bis auf sein eigenes Haus in Weimar ausgedehnt hatte, und die, in Gestalt einer preußischen Besatzung natürlich auch Dornburg berührte. Auch durchs Tal der Saale unterhalb der Burgzinne trat die Weltgeschichte in diesen Oktoberwochen hart auf, preußische und napoleonische Heere durchzogen es in langen Reihen.

      Aber sie hinterließ eben keine Spur des Verderbens. Nein, hier deutet in diesen Sommertagen von 1828 alles längst wieder »auf eine emsig folgerechte, klüglich vermehrte Cultur eines sanft und gelassen regierten, sich durchaus mäßig verhaltenden Volkes«. Wir notieren, dass das Wort »Weltgeschichte« hier, wie übrigens öfter beim späten Goethe, eigentlich mit Kriegs- und Ereignisgeschichte zusammenfällt, also nur die erste der Braudelschen Zeitebenen, das bewegte Meer der Fakten, bezeichnet. Es ist die Ebene, von der Goethe am geringsten denkt, der Mischmasch aus Irrtum und Gewalt, aus dem für ihn nicht nur die Kirchengeschichte besteht. Ein Stück Weltgeschichte hatte er als das Desaster des in Regen, Kälte, Hunger und Krankheit scheiternden Feldzuges von 1792 selbst erlebt und dargestellt. Was er dagegen setzte, war die Kontinuität von Arbeit und Bildung in einer von Menschenhand kultivierten, gelassen regierten und maßvoll genutzten Natur. Wer diesen Brief liest, wird die gewaltsame Kolonisierung am Ende des »Faust« nicht mehr missverstehen können.

      Was hat das mit uns zu tun? Die erstaunliche Nähe von Goethes Trost- und Mahnbrief an seine neuen Herrschaften zu Fernand Braudels Schichtenmodell historischer Zeit, sagt auch etwas über Reichweite und Gültigkeit dieses Modells aus. Braudels Konzept wurde formuliert in einer Gegenwart, für die es eigentlich schon überholt war, weil die Ereignisgeschichte längst die Gewalt erreicht hatte, irreversibel in die Strukturen der »longue durée« einzugreifen. Die Spuren des Verderbens lassen sich eben nicht mehr verwischen, wenn menschliche Arbeit das planetarische Klima verändert oder menschliche Politik die Atombombe zur Verfügung hat. Die Kontinuität der Sitten ist längst von einem sozialen Wandel überholt worden, der schneller verläuft als menschliche Lebenszeit. Der Geschichtsbegriff Braudels passt bei aller grundsätzlichen heuristischen Kraft am besten auf die Epochen des europäischen Mittelalters und der frühen Neuzeit vor dem Beginn des industriellen Zeitalters und der mit ihm einsetzenden Beschleunigung aller menschlichen Lebensverhältnisse. Hier findet sich jene Verbindung von Statik und Dynamik, von Struktur, Konjunktur und Ereignisgeschichte, die ein welthistorisches Kennzeichen des Alten Europa vor den Revolutionen des 18. Jahrhunderts gewesen ist.

      Und genau an dieser Schwelle stand Goethe als Zeitgenosse dieser Sattelzeit. Der Dichter des »Faust«-Schlusses sah ja, was im Kommen war, das Maschinen-Zeitalter, das Veloziferische, die Möglichkeit zum Umsturz aller Lebensverhältnisse, nicht nur der politischen Verfassungen. Der Mann, der keine Kondolenzen schreiben konnte, hat vielleicht sogar geahnt, dass eine Weltgeschichte möglich sei, die auf allen ihren Ebenen schneller werden könnte als die menschliche Lebenszeit, als das Kommen und Gehen von Vorfahren und Nachfolgern. Die moderne Geschichtszeit sollte so total werden, dass als letzter, unhintergehbarer Einspruch gegen sie wirklich am Ende nur noch die menschliche Sterblichkeit bleibt – eben jenes Faktum, dem Goethe so ungern ins Antlitz blickte.

      Am 15. August 1828, vier Wochen nach dem Brief an Friedrich August von Beulwitz und zwei Monate nach dem Tod von Carl August, notierte Goethe zum letzten Mal in seinem Taschenkalender unter Mariae Himmelfahrt: »Napoleons Geburtstag«.

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