Der siebenstufige Berg. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Der siebenstufige Berg

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

Серия:

isbn: 9783938305669

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СКАЧАТЬ ihrer Kollegin Carson vom Wohlfahrtsdezernat einzunehmen und sich bei ihr auszusprechen.

      Mrs Kate Carson, Witwe, blondiert, füllig, aber nicht dick, war bei allen Kollegen beliebt, bei ihren Vorgesetzten jedoch weniger. Als Miss Bilkins mit roten Flecken auf den Wangen bei ihr im Dienstzimmer erschien, schloss sie Dienstgeschäfte und Schubfächer sofort ab und lud Eve zum Mittagessen bei sich zu Hause ein.

      Kate Carson bewohnte das kleinste der Beamtenhäuser in der Agentursiedlung und hatte es, von der Regel abweichend, nach eigenem Geschmack eingerichtet.

      Bei Tee, Aufschnitt, Butter und Toast glättete sich Eves Miene wieder; ihr Puls beruhigte sich. Als Kate Carson sich hiervon überzeugt hatte, stellte sie die Frage, auf die Eve mit Ungeduld wartete. »Was hat es gegeben? Ärger mit Carr?«

      Eve Bilkins nahm, entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten, Milch in den Tee.

      »Ja, auch das, Kate. Ärger mit diesem Mann, der alles besser weiß und in mein Ressort hineindirigiert. Ich soll eine Beurteilung, die ich abgegeben habe, nachträglich ändern! Wie ein Schüler seine fehlerhafte Schulaufgabe. Einfach unerhört. Aber lassen wir das. Was mich aus der Fassung gebracht hat, ist etwas ganz anderes. Ich meine …«

      »Ja?« Kate Carson nahm aus Versehen ein zweites Stück Zucker in den Tee, mochte es nicht wieder herausfischen und trank vorsichtig von oben ab, da alles Süße ihre Figur aus der Form bringen konnte.

      »Kate … ich sehe wahrhaftig nicht bei Tage Gespenster. Aber dieser Hugh Mahan – nein. Sie haben keine Ahnung, wer das ist. Fünfundzwanzig Jahre, College-Abschluss mit besonderer Belobigung. Die gleiche Bildung wie unser Superintendent. Also dieser Mahan – als er leise, leicht und stillschweigend mit dem linken Fuß irgendetwas zertrat – vielleicht einen letzten Zigarettenfunken oder mich oder Carr oder die Verwaltung überhaupt oder in Wahrheit den letzten Funken seines Selbst – oder sein bisheriges und zukünftiges Gefangenenleben im Schulinternat, im College und künftig wieder im Schulinternat – als Erzieher für die Schulanfänger –«

      »Eve! Sie überraschen mich. Wieviel Einfühlungsvermögen entwickeln Sie für indianische Denk- und Ausdrucksweise! Vor Jahren gab es das bei Ihnen nicht. Aber weiter. Was geschah mit Mahan?«

      »Er war plötzlich ein anderer. Groß, schlank, von dieser merkwürdigen Elastizität in jeder Bewegung, wie sie die Raubkatzen haben. Langschädel, Adlernase, mager, die Lippen geschlossen. Also wer ist das, Kate?«

      »Joe King. Fehlten nur Pistole, Stilett, Jagdgewehr, Lasso und irgendein unbändiger Hengst.«

      Eve Bilkins ließ sich selbst mit einem Seufzer zusammenfallen.

      »Kate, ich bin nicht hierher gekommen, um mir Ihren Spott anzuhören.«

      »Aber Eve! Was ist überhaupt los? Warum sollen sich zwei Indianer nicht ähnlich sehen?«

      »Still, still, Kate, ich weiß alles, was Sie zu sagen haben. Ich kann Ihnen sogar noch mehr verraten. Die Schwester des alten King war Hughs Mutter. Aber darum geht es nicht, darum geht es ja überhaupt nicht! Mahan hat sich einfach verwandelt, vor meinen Augen verwandelt, und ich sage Ihnen, ich war wie vor den Kopf geschlagen. Alles wird wieder von vorn anfangen: der Ärger, die unerwarteten Angriffe, meine Hilflosigkeit – die Verwirrung der ganzen Verwaltung – die Aufregung der Jugend – und gerade jetzt …«

      » … gerade in dem Augenblick, in dem wir die Zügel wieder straffer ziehen und die widerspenstigsten der Pferde daher bocken werden.«

      »Sie haben es endlich erfasst, Kate. Ich habe diesem Mahan vertraut – nach fünfzehn Jahren Erziehung in unseren Internaten musste ich ihn zu uns rechnen, zu den zivilisierten Menschen; dieser Meinung war auch Hawley gewesen. Ich habe Mahan also für einen Angestelltenposten der Verwaltung vorgeschlagen. Carr hatte gleich Bedenken; er bringt überhaupt alles durcheinander und infiziert mich von neuem mit dem Misstrauen gegen die Indianer, das ich halbwegs überwunden hatte. Und dann tritt dieser Indianer wirklich alle meine Hoffnungen mit einer kleinen Bewegung seiner Fußspitze aus … und Carr schiebt ihn mir zu – als Erzieher in der Vorschulklasse! Was wird Hugh Mahan dort alles anrichten? Ich trage künftig in meinem Ressort die Verantwortung für diesen Menschen.«

      »Ebenso wie Chester Carr für seinen Sohn.«

      »Von dem habe ich auch gehört. Ach, mir geht ein Licht auf. Deshalb reagiert unser Superintendent derart allergisch, wenn ein Indianer die Haare lang trägt. Aber was hilft das alles mir? Ich wollte mich schon einmal von dieser Reservation wegmelden. Ich werde es tun.«

      »Sie werden es nicht tun, Eve. Sie werden weiterhin die Wilden erziehen, was ein ganz vergebliches Unterfangen ist, denn sie wollen zwar lernen, aber sie wollen nicht von uns erzogen sein. Wann werden wir das endlich begreifen?«

      »Sie arbeiten ja selbst mit, Kate.«

      »Wohlfahrtswesen, meine Liebe. Das ist etwas anderes. Haben Sie Ihrem Mahan übrigens in die Augen gesehen?«

      Eve Bilkins überlegte.

      »Nie.«

      »Nun, dann wappnen Sie sich. Vielleicht hat er auch Joe Kings Basiliskenblick. Obgleich ich es kaum glaube, zu Ihrer Beruhigung. Nach fünfzehn Jahren Internat werden seine Augen nur noch Asche sein.«

      »Schrecklich, Kate.«

      »Ja, schrecklich. Wie hat sich Ihr Schützling Carr gegenüber verhalten?«

      »Ja – nein – ja. Durch und durch verbockt und ebenso korrekt.«

      »Anders als Joe King.«

      »Allerdings. Wenn Joe King und Carr sich einmal gegenüberstehen, nun – so möchte ich das Gespräch lieber nicht mit anhören.«

      »Nein, lieber nicht, Eve. Denn Kings Büffelzucht soll aufgelöst werden. Unser Superintendent hat Bericht angefordert und Shaw hat die Anforderung in diesem Sinne weitergegeben. Haverman wird sich sträuben, denn er konnte die Büffelzucht als einen Erfolg seines Dezernats für Ökonomie auslegen. Aber das Sträuben hilft ihm nichts.«

      »Aber, Kate, wieso denn nicht? Was für Argumente kann Shaw überhaupt vorbringen?«

      »Argumente? Lassen sich doch leicht finden, Eve, wenn man sie nur finden will. Büffel sind noch immer wild, das Hüten ist schwer, Joe hat nicht mehr die Leute dazu, da man ihm einen Buffalo-Boy nach dem anderen wegholt zum Militär oder ins Gefängnis. So macht man auf durchaus konsequente Art die Büffel zu einer öffentlichen Gefahr für Nachbarn und Passanten. Also! Ein Indianer kann eben keine Büffelranch führen, obgleich die Crow zum Beispiel eine Herde von tausend Büffeln haben. Büffelranches sind aber nach Mr Shaws Auffassung, der Mr Carr ohne Zweifel zustimmen wird, eine Sache der weißen Rancher und nicht die Sache gewisser Indianer, die zu allem auch noch selbst militant auftreten.«

      »Hat King wieder Unruhe gestiftet?«

      »Carr hat in den Akten den Bericht über die Häuptlingsversammlung gefunden, bei der King als Begleitperson unseren Chief Jimmy auf eine nicht ganz legale Art – deutlich gesagt, auf dem Umwege über Canadian Imperial Whisky – dazu bestimmt hat, eine Protestresolution zu unterschreiben. Ja, und wenn Carr schon, durch einen Büffel aufgestört, sich die Akte King vornahm, so hat er natürlich auch noch einiges mehr entdeckt. Kings Widerstandsnester sollen ausgerottet und sein Ansehen im Stamm soll gemindert werden.«

      »Müssen dazu durchaus die Büffel herhalten?«

      »Doch СКАЧАТЬ