Videomarketing - ein Arbeitsbuch. Nike Roos
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Название: Videomarketing - ein Arbeitsbuch

Автор: Nike Roos

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная деловая литература

Серия: budrich Inspirited

isbn: 9783847411338

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СКАЧАТЬ sind auf zwei Arten auf Geschichten gepolt:

      Erstens durch unsere Kindheit. Schon von klein auf bekommen wir durch Geschichten eine Anleitung, wie das Leben funktioniert. Sie sagen uns, dass wir nicht mit Fremden mitgehen sollen, wenn wir nicht im Bauch des Wolfes landen wollen; sie sagen uns, dass Drachen besiegt werden können und dass es sich lohnt, für etwas zu kämpfen.

      Wir lernen aus Geschichten mehr als aus Anleitungen, Zahlen oder Fakten. Bei Kindern funktioniert das Erzählen so gut, weil sie sich schon die Sprache zu eigen gemacht haben, lange bevor sie die Schrift beherrschen. Wenn wir Geschichten erzählen – richtige Geschichten, nicht einfach nur daherreden – dann bedienen wir uns unbewusst verschiedener Techniken, die dem Gedächtnis unserer Zuhörerinnen auf die Sprünge helfen. Das kann man sogar messen: Wenn wir eine Geschichte hören, schüttet unser Gehirn Dopamin,[19] Serotonin und Oxytocin aus (Fisher 2011). Oxytocin sorgt für Wohlbefinden und Behaglichkeit. Ohne Dopamin und Serotonin könnte das Gehirn keine Informationen verarbeiten. Informationen, die mit Geschichten verknüpft sind, funktionieren also um einiges besser als Informationen, die einfach nur im Raum stehen. Übrigens: Alles drei sind sogenannte Glückshormone. Storytelling macht also, zu allem Überfluss, auch noch glücklich.

      Der Begriff Storytelling, wie ich ihn hier verwende, bedeutet also nichts anderes als Geschichtenerzählen. In der modernen Wissensvermittlung, im Marketing und im Management wird der englische Begriff benutzt – wahrscheinlich, damit es weniger nach Omas Schaukelstuhl klingt. Eigentlich schade, finde ich. Wir haben damals auf Omas Schoß durch ihre Geschichten viel gelernt.

      Psychologie und Neurologie sind nur der erste Grund für die Wirksamkeit von Geschichten. Der zweite ist geschichtlich: Geschichten wirken schon seit vielen tausend Jahren! Schon bevor es eine Schrift gab, haben Menschen sich durch Geschichten Wegweiser gegeben, Neuigkeiten erzählt und Ratschläge erteilt. Wo gibt es Mammutherden, wo lauern Säbelzahntiger?

      Tatsächlich waren Gelehrte ursprünglich sogar skeptisch der Schrift gegenüber und befürchteten, sie könne der mündlichen Erzähltradition schaden. In Platons Dialog „Phaidros“ klagt Sokrates, dass die Schriftlichkeit gewisse Gefahren berge: „Denn dies Bedenkliche, Phaidros, haftet doch an der Schrift, und darin gleicht sie in Wahrheit der Malerei. Auch deren Werke stehen doch da wie lebendige, wenn du sie aber fragst, so schweigen sie stolz. […] wenn du sie aber fragst, um das Gesagte zu begreifen, so zeigen sie immer nur ein und dasselbe an. Jede Rede aber, wenn sie nur einmal geschrieben, treibt sich allerorts umher, gleicherweise bei denen, die sie verstehen, wie auch bei denen, für die sie nicht paßt […]“ Sokrates’ Einwände verhinderten nicht, dass sich die Schrift durchsetzte – doch mündliches Erzählen blieb wichtig. Die Evangelien der Bibel wurden[20] lange Zeit mündlich weitergegeben, bevor sie niedergeschrieben wurden.

      Später verbreiteten Bänkelsänger Nachrichten; Geschichtenerzähler waren fester Bestandteil vieler Kulturen. Wir sind evolutionär darauf eingestellt, Geschichten zu glauben, ihrer Wegweisung zu folgen. Darum ist eine Geschichte, die uns zum Beispiel ein Produkt verkaufen will, ungleich stärker als jedes rationale Argument.

      Wir lernen auch unser Sozialverhalten aus Geschichten. Wir lassen uns von Geschichten sagen, was wir tun sollen – wir lauschen dem wahren Kern der Geschichte und richten unser Handeln danach aus. Dabei ist es egal, ob die Geschichte von der Nachbarin am Gartenzaun erzählt wird, von einem großen Hollywoodfilm, ob es eine Geschichte im beruflichen Rahmen ist oder ob diese Geschichte etwas verkaufen soll.

      Menschen brauchen Geschichten, um ihre eigenen Gedanken zu sortieren, um sich selbst in Zusammenhang mit ihrer Welt zu begreifen. Jeder Mensch, dem Du etwas erzählst, hat bereits seine eigene Geschichte. Wenn es Dir gelingt, eine Geschichte zu erzählen, die ihn packt, kannst Du die Art, wie er denkt, lenken. Damit beeinflusst Du aktiv sein Handeln.

      Mias Geschichte ist anrührender – und einprägsamer – als ihre faktische Biografie, weil wir Teile daran erkennen oder verstehen. Wir erkennen uns selbst darin wieder, und Mia verbindet sich dadurch mit unserer Geschichte, mit unserem Leben.

      Und wie muss eine gute Geschichte aufgebaut sein?

      Jede Geschichte ist im Grunde eine Heldenreise, denn wer möchte nicht ein Held sein? Und diese Idee von der Heldenreise ist, genau wie die Idee des Geschichtenerzählens, schon ziemlich alt. Darum nennt man die Heldenreise auch eine archetypische Grundstruktur. Das heißt: Eine gute Geschichte folgt immer einem ähnlichen Muster oder Ablauf. Der irische Schriftsteller James Joyce (1882–1941) nannte das „Monomythos“. Der amerikanische Mythenforscher Joseph[21] Campbell erforschte die Heldenreise als Grundmuster von Mythologien und schrieb darüber in seinem 1949 erschienen Buch „The hero with a thousand faces“ (Campbell 2008). Drehbuchautor und Publizist Christopher Vogler, Autor und Produzent Blake Snyder und andere beschrieben die Heldenreise immer wieder nach diesem auf Campbell basierenden Schema. Das Schema ist immer ungefähr so:

      Auch Deine Geschichte ist eine Heldengeschichte. Also frage Dich: Wo und wie beginnt die Geschichte? Und: Wer ist überhaupt der Held? Denn im Marketing-Storytelling ist der Held gemeinhin nicht die Marke oder die Unternehmerin – sondern der Kunde!

      [22]Mias Geschichte rührt Dich nicht nur an, weil sie emotional ist – sondern auch, weil sie eine solche Heldenreise ist. Die Heldin ist natürlich Mia. Sie befindet sich in der ihr bekannten Welt des Sports, als plötzlich etwas Schreckliches passiert: die Sportverletzung. Jetzt folgen eine tiefe Krise und Jahre des Zweifelns. (Das ist mit Tod und Auferstehung gemeint: Es muss natürlich nicht wirklich jemand sterben). Hier siehst Du schon, dass der Kreis, wie ich ihn oben gezeichnet habe, mehrere Schleifen haben kann: Mia hat eine Krise am Anfang, aber es sieht ja danach aus, als steuere sie auf eine weitere Krise zu. Wenn die Theorie der Heldenreise stimmt, dann müsste ihr bald ein weiser Mentor oder Begleiter begegnen …

      Nachdem Du jetzt also weißt, warum Mias Geschichte Dich mehr berührt als bloße Fakten, wollen wir schauen, wie es mit Mia weitergeht.

      Zehn Jahre im Büro. Zehn Jahre Buchhaltung, Reiseplanung, Akten sortieren, Texte schreiben. Ich durfte die Firmenwebsite mit Inhalt füllen und entwickelte die Social-Media-Kommunikation für den mittelständischen Betrieb, in dem ich arbeitete. Es war … okay. Zehn Jahre geregelte Arbeitszeiten, Sicherheit, garantierter Urlaub. Zehn Jahre, in denen ich mich fragte, wie es sein würde, dies nun bis an mein Lebensende zu machen. Nein, mein Job war wirklich okay. Und bei der Vorstellung, dass ich das bis zur Rente tun würde, empfand ich brennende, verzehrende Langeweile. Dann kam diese Party. Ja, lustigerweise war es wieder eine Party, nach der sich zum zweiten Mal alles änderte.

      „Mia!“ Ich hörte seine Stimme kaum über der lauten Musik. Eigentlich wollte ich auch nicht angesprochen werden. Ich stand am Rand der Tanzfläche, wippte mit den Fußspitzen und wartete, dass ein Song kam, der mich auf die[23] Tanzfläche zog. Der Typ, der meinen Namen gerufen hatte, tippte mich von der Seite an. Ein kurzer Blick. Woher wusste der, wie ich heiße? „Silvio. Silvio Grau“, stellte er sich vor. „Abi 1995? Weißt Du nicht mehr?“ Ich wusste tatsächlich nicht mehr. Na ja, wenn ich genau drüber nachdachte, erinnerte ich mich dunkel. Silvio. Einer von den Nerds. Ganz süß, Bücherwurm. Unscheinbar. „Hi, Silvio“, sagte ich mit mäßiger Begeisterung. „Wie geht’s Dir denn so?“ – „Wollte ich Dich gerade fragen. Du standest da und sahst traurig aus.“ Ich schnaubte und brachte ein Lächeln zustande. „Ich stand hier und überlegte, ob ich tanzen will“, entgegnete ich. Silvio kaufte mir das nicht ab, das sah ich seinem Blick an. Und plötzlich kaufte ich es mir selbst nicht mehr ab. „Gehen wir nach nebenan? Da ist es ruhiger.“ Er nickte. Und dann erzählte ich ihm von meinem sicheren, langweiligen Leben. Von meiner Sportverletzung und den Plänen, die damals mit meinem Bein zusammen kaputtgegangen waren. Er hörte zu und stellte ab und zu ein paar Fragen. СКАЧАТЬ